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Die Präsidentengattin im Hörspiel

Zu den zahlreichen Verdiensten des ehemaligen Hörspieldramaturgen des Süddeutschen Rundfunks, Jochen Schale, gehört es, Elfriede Jelinek zur Radiokunst gebracht zu haben. Anfang der 70er Jahre entstand eine ganze Reihe von Originalhörspielen, in denen die österreichische Autorin ihren sarkastischen Ton, aber auch Sinn für die Dramaturgie des Genres unter Beweis stellt, zum Beispiel das vielstimmige Hörspiel "Untergang eines Tauchers".

Von Frank Olbert | 13.03.2004
    Als Monolog präsentiert sich das Stück, für das Elfriede Jelinek nun mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet wurde – mehr als 30 Jahre nach ihrem aktiven Schreiben für das Medium Hörspiel. "Jackie" ist die Adaption eines Theaterstücks. Karl Bruckmaier hat Bearbeitung und Regie besorgt – mit ihm habe ich mich über Jelineks Stück unterhalten

    Frank Olbert: Herr Bruckmaier, "Jackie" war ursprünglich ein Theaterstück. Hat es sich angeboten, daraus ein Hörspiel zu machen?

    Karl Bruckmaier: Ich habe "Jackie" nicht in erster Linie als Theaterstück wahrgenommen. Das war erst der zweite Schritt. Mir wurde der Text als solcher von der Dramaturgin der Hörspielredaktion beim Bayerischen Rundfunk, Barbara Schäfer, nahegelegt. Sie fragte, ob ich ihn bearbeiten und die Regie machen möchte. Nach der Lektüre war ich davon überzeugt, dass der Text sehr bearbeitet werden müsste und dass ich das gerne machen möchte.

    Frank Olbert: Worin haben dann die Einschnitte bestanden?

    Karl Bruckmaier: Die Einschnitte haben darin bestanden, dass ich lernen musste, dass man einen Text von Frau Jelinek nicht bearbeiten kann und auch nicht bearbeiten muss. Das war also ein erster Einschnitt in meine Regie-Hybris, denn das, was mir beim ersten Lesen an dem Text als redundant erschien, hat sich dann als die Stärke dieses Textes herausgestellt: dieses ewige Kreisen um bestimmte Themen, das Ausschöpfen von Sprachspielen bis zur letzten Möglichkeit. Wenn man nur einen kleinen Satz irgendwo herausgenommen hätte, dann hätten die Zusammenhänge nicht mehr gestimmt. Das ist ein hochkomplexer Text, der in seiner oft gespielten Einfachheit beim Lesen gar nicht so wirkt. Als ich diesen ersten Erkenntnisschritt gemacht hatte, war mir auch klar, dass mein oberstes Anliegen sein wird, den Text so zu inszenieren, dass er verstehbarer wird.

    Frank Olbert: Sie spielen zu Beginn des Hörspiels einen Song von Bob Dylan fast vollständig aus?

    Karl Bruckmaier: Ich habe diesen Song wie eine Ouvertüre eingesetzt. Er gibt den Radiohörern Zeit, sich nach den Nachrichten auf das Folgende einzustellen. Und dann spiegelt er den Zeithintergrund. Es geht darin um einen "Pill Box Hat". So einen Hut hat auch Jackie Kennedy gern getragen.

    Frank Olbert: Nach dem Song beginnt das Hörspiel mit einer Stimmen-Collage der Jackie-Darstellerin Marion Breckwoldt?

    Karl Bruckmaier: Das Stück hat eigentlich keinen Anfang und kein Ende. Diese jenseitige Jackie, die da zu uns spricht, kreist um immer die gleichen Themen und es wäre falsch zu sagen, dass sie am Schluss irgendetwas besser weiß. Nun trägt der erste Satz in einem Hörspiel, ebenso wie der erste Satz in einem Roman oder einem Gedicht, eine ganz besondere Bedeutung. Ich wollte das auflösen und habe mit Marion Brechwoldts Stimme ein Stimmenwirrwarr hergestellt, aus dem sich dann die Stimme von Jackie herausschält. Ein Hintergrund dazu ist, dass mein erstes Regiekonzept gescheitert ist. Ich wollte mit Methoden der Leute, die auf Tonbändern angeblich Geisterstimmen aufnehmen, Jackies Stimme einen Hintergrund geben. Wir haben also in einem Studio des Bayerischen Rundfunks ein Tonband aufgestellt und gewartet, was sich an Raumgeräuschen, an Kurzwellenechos darauf zu einer dieser "Stimmen aus dem Jenseits" verdichten wird, wie man sie auf den einschlägigen käuflichen Kassetten hören kann. Leider waren auf unserem Band allenfalls ein paar arabische Fetzen zu hören, aber nicht so etwas wie Stimme, die quäkt: "Dieser Mann geht seinem Untergang entgegen". Das Jenseits wollte also an dieser Produktion nicht mitwirken. Beim Abhören der ersten Fassung stellten wir zudem fest, dass das Hörspiel ohne diesen Hintergrund sehr viel besser wirkt.

    Frank Olbert: Worin bestand das Regiekonzept, das sie dann umgesetzt haben?

    Karl Bruckmaier: Mir ging es darum, den Text so einfach und pur wie möglich umzusetzen, also ohne Effekte, nur die Stimme von Marion Breckwoldt, aufgenommen aus verschiedenen Entfernungen - und sonst gar nichts – und ein vier Minuten langes Stück von Bob Dylan – und sonst gar nichts. Die Stimme habe ich im Stereoraum angeordnet, um die innere Logik des Textes zu verstärken, aber nicht um die Stimme zu verfremden oder vom Text abzulenken. In den Theaterinszenierungen von Jelinek-Stücken, die ich kenne, laufen die Leute immer Skistiefel oder SS-Uniformen herum und poltern und schreien. Vielleicht liegt es daran, dass man die hochgradig literarische Qualität mancher ihrer Texte zu übersehen bereit ist und sie manchmal nur als Theaterskandal-Garantin wahrnimmt.