Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Die private Schatzkammer

Ronald S. Lauder, Sohn der Unternehmerfamilie Lauder, ist seit seinen Jugendjahren begeisterter Kunstsammler. Vor zehn Jahren eröffnete er seine Neue Galerie in New York. Anlässlich seines Geburtstages zeigt er dort erstmals seine Privatsammlung in einer Ausstellung.

Von Sacha Verna | 03.11.2011
    Wie viele amerikanische Jungs begann Ronald S. Lauder mit dem Sammeln von Baseballkarten:

    "Aber als ich 14 war, fing ich an, Kunst zu kaufen. Als ich zu sammeln begann, waren Klimt, Schiele, Toulouse-Lautrec-Plakate und Bilder des deutschen Expressionismus noch ziemlich billig. Langsam, aber sicher baute ich eine Sammlung auf, der eine Leidenschaft zugrunde liegt: Die Leidenschaft, von jedem Künstler das Beste zu finden."

    Heute kennt man Ronald Lauder als einen der bedeutendsten Sammler deutscher und österreichischer Kunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts – zumal in den Vereinigten Staaten, wo der Erbe des Estée Lauder-Kosmetikkonzerns sogar ein eigenes Museum unterhält. Die Neue Galerie in New Yorkfeiert dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass habe er beschlossen, dem Publikum einen Eindruck von der Bandbreite seiner Sammlung zu vermitteln:

    "Ich wollte die verschiedenen Jahrhunderte sehen. Sie passen alle zusammen, weil sie alle dieselbe Qualität und Kraft verfügen. Auf diese Weise sammelt man heute nicht mehr. Heute sammelt man entweder zeitgenössische Kunst oder Alte Meister oder sonst etwas. Ich sehe sehr selten Leute, die in vielen verschiedenen Bereichen sammeln."

    Objekte aus diesen "vielen verschiedenen Bereichen” umfassen keltische Gürtelschnallen aus dem 3. Jahrhundert vor Christus und niederländische Wandteppiche aus dem 15. Jahrhundert. Mittelalterliche Rüstungen und Waffen, Art déco-Intérieurs und Skulpturen von Constantin Brancusi. Byzantinisches Mosaik und Werke von Joseph Beuys, Sigmar Polke und Anselm Kiefer.

    Die bildende Kunst stellt zweifellos einen Schwerpunkt dar. Dennoch ist, was Ronald Lauder in über einem halben Jahrhundert zusammengetragen hat, eigentlich eine Sammlung von Sammlungen. Über deren Größe schweigt sich Elizabeth Kujawski aus. Sie ist seit 28 Jahren die Kuratorin von Lauders Schätzen. Gerne gibt sie allerdings Auskunft über die Art, wie ihr Arbeitgeber bei seinen Einkäufen vorgeht. Intuition sei das eine. Das andere:

    "Eine Kombination von Geschmack und Wissen. Ronald Lauder weiß so viel über bildende und dekorative Kunst, dass er nicht auf den Rat von Experten angewiesen ist. Und wenn er sich nicht auf seine Leidenschaft, seinen Instinkt, seine Sensibilität verlassen kann, dann kauft er nichts."

    Wie gute Dienste ihm die Kombination von Geschmack und Wissen leisten, beweisen vor allem die zahlreichen hochkarätigen Werke auf Papier, die in dieser Ausstellung zu sehen sind, wie jene von Edgar Degas und Pablo Picasso, von Vincent Van Gogh und Paul Cézanne.

    Auf die Frage, was Ronald Lauder dereinst mit seiner Sammlung zu tun gedenkt, hält sich Elizabeth Kujawski erneut bedeckt:

    "Würde ich Mr. Lauder diese Frage stellen, würde er wohl sagen, er wolle die Sammlung mit sich nehmen. Er will sich nicht davon trennen. Wir werden sehen. Vielleicht wird er sie ja mit sich nehmen."

    "The Ronald S. Lauder Collection: Selections from the 3rd Century BC to the 20th Century/Germany, Austria and France”: Neue Galerie, New York, bis 2. April 2012. Zur Ausstellung ist unter demselben Titel ein 540-seitiger Katalog erschienen.