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Die Qual der Wahltermine

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seefhofer (CSU) fürchtet: Wenn Bundes- und Landtagswahlen im nächsten Jahr am selben Tag stattfinden, könnte Bayern in einen Abwärts-Sog der Bundes-CDU geraten. Für die CSU-Bundestagsabgeordneten dagegen wäre ein gemeinsamer Wahltermin von Vorteil.

Von Michael Watzke | 19.07.2012
    Es könnte der 15. September werden – zumindest wenn es nach CSU-Chef Horst Seehofer geht. Vier Tage nach dem Ende der Sommerferien in Bayern, wenn die Wähler erholt und entspannt aus dem Urlaub zurück sind.

    "Wir schauen auf uns, wir sind im Wahlkampf, die Wahl ist nächstes Jahr. Wir haben volle Bierzelte, beste Stimmung. Und die Leute wollen in Bayern jetzt keinen Streit."

    Schon gar keinen Streit um Wahltermine. Das wäre schließlich kleinlich. Ein Horst Seehofer ist nicht kleinlich. Wichtig ist nur eines:

    "Bayern kommt zuerst. Das ist mein Auftrag."

    Wenn also Deutschland eine Bundes- und eine Landtagswahl terminieren muss…

    "… dann kommt zuerst Bayern. Da kenn ich keine Parteien. Da kenn ich nichts. Dann kommt zuerst Bayern."

    Der Bund muss dann halt ein bisschen warten, sekundiert Seehofers Innenminister Joachim Herrmann. Bayern brauche gebührenden Vorsprung:

    "Ich denke, zwei Wochen sollten es mindestens sein. Das entspricht dem bayerischen Selbstverständnis. Wir wollen ja nicht so eine Nebenveranstaltung sein an einem Tag, an dem die Bundestagswahl stattfindet."

    Das würde bedeuten: Die Bundestagswahl könnte 2013 frühestens Ende September stattfinden. Vielleicht sogar erst im Oktober. Immerhin ließe sich der Termin – ganz grundgesetzkonform - bis zum 27. Oktober hinauszögern. Wenn die schwarz-gelbe Koalition bis dahin tatsächlich durchhalten sollte, witzeln sie bei der CSU, dann machen ihr auch zwei weitere Wochen nichts aus.

    "… und wir werden alles dafür tun, dass wir einen eigenen bayerischen Wahltermin haben."

    Eigentlich sollte das der CSU nicht schwerfallen. Denn den Termin der Bundestagswahl schlägt gewöhnlich der Bundesinnenminister vor. In Absprache mit der Bundesregierung. Hans-Peter Friedrich, der Bundesinnenminister, ist zufälligerweise in der CSU – allerdings ist er derzeit schwer von Horst Seehofer genervt. Der CSU-Chef hat ihn in den vergangenen Monaten mehrere Male abgewatscht. Zuletzt beim Chaos um das Meldegesetz. Fast die gesamte CSU-Landesgruppe in Berlin ist sauer auf "Crazy Horst", weil der ständig fordert:

    "Ich möchte, dass unsere Abgeordneten in Berlin durchsetzen, wie wir Bayern denken. Das ist unser Auftrag."

    Seehofers Auftrag heißt Mehrheit. Die absolute. Der Ministerpräsident fürchtet: Wenn Bundes- und Landtagswahlen am selben Tag stattfinden, könnte Bayern in einen Abwärts-Sog der Bundes-CDU geraten. Für die CSU-Bundestagsabgeordneten dagegen wäre ein gemeinsamer Wahltermin von Vorteil. Sie würden vom stärkeren Ergebnis in Bayern profitieren. Hans-Peter Friedrich könnte am Ende gar Minister bleiben. Bisher konnten sich Berlin und München nicht einigen – denn ein Wahltermin Ende September würde mit den Herbstferien kollidieren, die dann in einigen Bundesländern schon begonnen hätten. Der Bundesinnenminister lässt die Parteifreunde im Süden also noch in der Luft hängen. Bayerns Innenminister Herrmann macht die Terminsache genervt zur Chef-Angelegenheit.

    "Das ist ja eine Frage, die letztendlich die Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident besprechen werden."

    Merkel und Seehofer bei der Terminabsprache - das wird ein Spaß. In Sachen Wahlkampf sind sich die beiden fundamental uneinig. Seehofer fürchtet, Merkel werde wie üblich eine Schlafwagen-Kampagne fahren, um Wechselwähler ins Wachkoma zu schicken. Der CSU-Chef dagegen plant einen Haudrauf-Wahlkampf, mit Parolen wie "Stabilität gegen Euro-Bonds" oder "Freiheit statt Sozialismus". Und vor allem Bayern, Bayern, Bayern, prophezeit Natascha Kohnen, die Generalsekretärin der bayerischen SPD:

    "Die CSU verspricht sich davon die Pseudo-Profilierung: "Wir stehen für Bayern. Die bayerischen Themen dürfen nicht zwischen den Bundesthemen untergehen". Aber ich glaube: Deutschland und Bayern sind darauf angewiesen, dass die Themen gemeinsam bearbeitet werden. Und: Man hat bei Bundestagswahlen erfahrungsgemäß eine um zehn Prozent höhere Wahlbeteiligung als bei Landtagswahlen."

    Deshalb will die SPD einen gemeinsamen Wahltermin. Das würde auch zwölf Millionen Euro Kosten sparen, rechnet die SPD-Generalsekretärin vor. Aber würde ein Horst Seehofer für zwölf Millionen Euro jemals Bayerns Sonderstellung verkaufen?

    "Es gilt hier immer noch der Grundsatz: Mir san mir. Das ist unsere Position. Und damit ist meine Rede beendet."