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Die Quote "macht die Sichtbarkeit von Frauen einfach größer"

Frauen, die fit und hoch qualifiziert seien, könnten es heute mit jedem Mann aufnehmen, sagt die Unternehmerin Monika Schulz-Strelow. Die Aussage Frauen kämen nur über eine Quote rein, würde nicht stimmen. Die Qualifikation sei immer vorhanden.

Monika Schulz-Strelow im Gespräch mit Mario Dobovisek | 26.10.2012
    Mario Dobovisek: Die europäische Frauenquote ist vorläufig gescheitert. Heute hat der Bundestag einen nationalen Anlauf gestartet. Ein entsprechender Gesetzentwurf kam allerdings nicht von der Regierung - die, zumindest die Familienministerin dort, setzt weiter auf ihre freiwillige Flexiquote -, sondern von den Grünen. Ihnen geht es um die widersprüchlichen Positionen im Kabinett.
    Am Telefon begrüße ich Monika Schulz-Strelow. In Berlin ist sie Unternehmerin und Präsidentin des Vereins "Frauen in die Aufsichtsräte". Guten Tag, Frau Schulz-Strelow.

    Monika Schulz-Strelow: Hallo aus Berlin!

    Dobovisek: Nichts habe sich geändert in all den Jahren, sagt Renate Künast von den Grünen. Ist dem so?

    Schulz-Strelow: Wenn wir diese freiwillige Selbstverpflichtung nehmen und sagen, wo haben wir damals gestanden – da geht es ja mehr um Frauen in Führungspositionen; man muss immer aufpassen: bei der freiwilligen Selbstverpflichtung geht es nicht um Frauen in Aufsichtsräten, und bei Frauen in Führungspositionen bewegen wir uns zwischen 22 und 24 Prozent in all den Jahren -, da hat sich wirklich wenig bewegt. Bei Frauen in Aufsichtsräten hat sich in den letzten drei Jahren, auch auf Druck der vielen Frauenverbände, auch auf Druck von Schieder, auch mit Unterstützung des Corporate Governance Kodex mit deren Aktivitäten, schon einiges bewegt. Nur die Zahlen – wir gehen immer von so geringen Zahlen aus, dass sich natürlich es grandios anhört, wenn man sagt, bei den aktuellen Besetzungen sind jetzt 40 Prozent Frauen. Wie viel ist es in absoluten Zahlen? Und da bewegt sich zu wenig.

    Dobovisek: Wie hoch sollte das denn in absoluten Zahlen klingen, wenn wir uns zum Beispiel einen Aufsichtsrat anschauen? Reicht da eine Frau, muss es ein Drittel sein oder gar die Hälfte?

    Schulz-Strelow: Also es sollte so sein: eine Frau reichen nicht, weil eine Frau hat es entweder super gut, weil sie von allen hofiert wird, dann kann sie einiges bewegen. Unter normalen Umständen reicht die Stimme einer Frau nicht, sie braucht zumindest zwei weitere Frauen in einem zwölfköpfigen Aufsichtsrat an ihrer Seite, weil dann die Frauen auch wirklich ernst genommen werden. Also eine ist eine wirklich harte Arbeit, drei Frauen können was bewirken, also mit drei Frauen bei zwölf sind wir immer bei diesen berühmten 25, 30 Prozent. So viele Frauen wirken auf Veränderung hin.

    Dobovisek: Aber werden Frauen ernst genommen, die sozusagen auch in Sicht ihrer männlichen Kollegen nur über eine Quote hineingelangt sind?

    Schulz-Strelow: Das Thema ist: Nur über eine Quote zählt doch heute gar nicht mehr. Die Frauen, die fit sind für einen Aufsichtsrat, sind so hoch qualifiziert, dass sie es, glaube ich, mit fast jedem Mann bis auf, sagen wir, die DAX-Erfahrung, die einfach zu wenige Frauen haben, weil sie in den Gremien bisher noch nicht ausreichend vertreten sind, dass sie diese ganzen Qualifikationen mitbringen. Das Thema "Frauen kommen nur über eine Quote rein" stimmt nicht. Die Qualifikation ist immer vorhanden.

    Dobovisek: Aber brauchen wir dann eine gesetzliche Quote?

    Schulz-Strelow: Leider ja, um den Weg zu beschleunigen. Ansonsten: Wir haben momentan eine große Gruppe von Frauen, vom Zeithorizont so ab 45, die den Weg gegangen sind, die in den Großkonzernen und in wichtigen Positionen häufig unter dieser gläsernen Decke hängen, und die müssen dadurch und dafür brauchen sie wirklich einen Türöffner und einen Wegbeschleuniger, und das kann die Quote. Die Quote ist nur ein Instrument, sie macht nicht die ganze Situation im Unternehmen besser, aber sie macht die Sichtbarkeit von Frauen einfach größer.

    Dobovisek: Was können denn Frauen besser als ihre männlichen Kollegen, wenn die Tür erst einmal aufgestoßen ist?

    Schulz-Strelow: Ich glaube, wo Frauen stark sind – und da kommen jetzt wieder diese weichen Faktoren -, sie können in der Kommunikation des Unternehmens viel bewirken, sie sind weitaus besser, schwierige Situationen auch im Team zu handeln. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind es gewohnt, klare Ansagen in kurzer Zeit zu erfahren, aber in Veränderungsprozessen ist die Arbeitsweise von Frauen sehr gefragt und notwendig. Und es geht auch gar nicht immer nur um diese weichen Faktoren. Wie viele Frauen bringen so viel Expertise in den Bereichen mit, wo sie aktiv sind, dass die Zusammensetzung eines Aufsichtsrats generell für die Unternehmensentwicklung extrem wichtig ist, und da sind Frauen genauso gut wie Männer.

    Dobovisek: Aber wäre es dann nicht sinnvoller, die Unternehmen genau von diesen Vorteilen, die Sie jetzt geschildert haben, zu überzeugen, statt die gesetzliche Keule zu schwingen?

    Schulz-Strelow: Die Überzeugungsarbeit läuft seit Jahren und es ist eigentlich das einzige Thema, wo Unternehmen, die ja sonst immer so einsichtig sind und kurzfristig auch Veränderungen herbeiführen, wo Unternehmen relativ verhalten im Veränderungsprozess sind, weil es hier um ganz elementare Veränderungen geht, und da ist, glaube ich, das Zusammenspiel Frau und Mann entscheidend. Die bisherigen deutschen Unternehmensstrukturen sind sehr männlich geprägt, und da eine Veränderung zuzulassen, braucht einfach Instrumente, die das schneller bewegen.

    Dobovisek: Ist das also eine reine Generationenfrage?

    Schulz-Strelow: Nein. Es ist eine, glaube ich, Kulturfrage. Es ist eine Frage, wie ist Arbeitsteilung in Zukunft, wie ist Präsenzkultur in Zukunft, wie ist die Vereinbarkeit von Familie und Karriere in Zukunft das Thema, sowohl für Frauen wie für Männer. Weil es ist nicht nur immer alles ein Thema, was an den Frauen hängt, was verändert ist. Männer müssen sich auch verändern, um gemeinsam mit Frauen die Unternehmenskultur zu bestimmen.

    Dobovisek: Familienministerin Schröder setzt ja weiter auf ihre freiwillige Quote, eine Selbstverpflichtung der großen DAX-Unternehmen. Wenn diese Selbstverpflichtung auch als Selbstverantwortung gedeutet wird, ist das nicht das Beste Mittel, um tatsächlich auch die Unternehmen für sich selbst davon zu überzeugen, dass Frauen sinnvoll sind?

    Schulz-Strelow: Eigentlich müssten – ich meine, Sie haben das in Ihrer Frage ja gerade fast mitschwingen lassen -, eigentlich müssten doch die Unternehmen bei diesen großen Themen, die wir haben, demografische Entwicklung, Facharbeiter-Kräftemangel und, und, und, müssten die doch aus der eigenen Einsicht heraus Frauen schon mit mehr nach oben bewirken.

    Dobovisek: Und warum tun sie das nicht?

    Schulz-Strelow: Das Thema hatte ich gerade versucht, vorher etwas zu erläutern, dass da wahrscheinlich emotionale Barrieren sind, es sind gewachsene Strukturen, es ist Entscheidung. Es gibt immer diese Aussage, Männer entscheiden nach dem Ähnlichkeitsprinzip, dass ihnen ein Mann, der ähnlich studiert hat, der ähnlich aussieht, kalkulierbarer ist, dass man ihn besser integrieren kann. All diese Dinge, die uns ja leiten, wo ich bei vielen Männern immer davon ausgehen würde, dass das ihnen gar nicht so bewusst ist, wie sie entscheiden. Aber diese Entscheidungswege sind nun mal sehr prägend und Männergesellschaften sind auch sehr prägend, und der Druck, aus einer Männergesellschaft heraus eine Veränderung in Form der Öffnung für Frauen herbeizuführen, ist auch ein nicht ganz so einfacher Weg.

    Aber ein Satz noch zur Flexiquote. Ich wäre ja froh, wenn zumindest die Flexiquote intensiv weiterverfolgt würde von dieser Bundesregierung. Aber im August hat Frau Ministerin Schröder deutlich gemacht, dass sie das Flexiquoten-Gesetz – auch das wäre ja ein Gesetz oder erfordert ein Gesetz -, dass sie das in dieser Legislaturperiode nicht mehr weiterverfolgen will, weil der Koalitionspartner FDP dagegen ist. Das heißt, das Thema Flexiquote reduziert sich auf gegebenenfalls eine Internetseite mit Bildern und Beispielen, aber es bringt nichts mehr in dem Thema voran bis zur nächsten Legislaturperiode. Deswegen ist der Antrag der Grünen und der SPD wichtig, um das Thema auch im bundesdeutschen Bewusstsein hochzuhalten.

    Dobovisek: Wo wird die deutsche Wirtschaft in zehn Jahren stehen, wenn keine gesetzlich verordnete Quote kommen würde?

    Schulz-Strelow: Ich hoffe, nicht in einer Randposition mit vielen belächelten Aspekten von anderen europäischen und globalen Ländern, die sagen, warum ist Deutschland, der Exportweltmeister oder einer der Exportweltmeister, nicht in der Lage, dieses Potenzial, diese Ressourcen im eigenen Land richtig zu fördern, und warum brauchen wir Talente von draußen, wenn wir die eigenen Talente nicht sehen.

    Dobovisek: Vielen Dank – die Unternehmerin Monika Schulz-Strelow, Präsidentin des Vereins "Frauen in die Aufsichtsräte", über die Debatte um eine Frauenquote. Ich danke Ihnen ganz herzlich.

    Schulz-Strelow: Danke und alles Gute aus Berlin