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Die Realität von Asylverfahren
Zu lange Wartezeiten und zu wenig Unterkünfte

Von Bayern ins Saarland nach Rheinland-Pfalz nach Hessen und zurück nach Bayern: Robay Ramadan ist Asylbewerber aus dem Kosovo und schon fünfmal umgezogen, seitdem er in Deutschland ist. Seine Asyl-Karriere ist leider keine untypische. Seit neun Monaten wohnt er in Erstaufnahmeeinrichtungen - seit acht wartet er auf die Bearbeitung seines Asylantrags.

Von Michael Watzke | 04.11.2015
    Ein Mann schaut über eine Absperrung aus einem blau-weiß gestreiften Zelt
    Mindestens sechs Monate Wartezeit auf die Bearbeitung des Asylantrags und zu wenig Unterkünfte für Flüchtlinge mit Bleiberecht: So sieht derzeit die Realität der Asylverfahren in Deutschland aus. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Robaj Ramadan ist Asylbewerber aus dem Kosovo. Derzeit wohnhaft in einer Asyl-Einrichtung in Manching, Oberbayern:
    "In Deutschland bin ich seit neun Monaten schon. In Bayern bin ich seit drei Monaten, fast. Nur hin und her spaziert."
    Fünfmal ist Robaj umgezogen. Von Bayern ins Saarland nach Rheinland-Pfalz nach Hessen nach Bayern. Ansonsten ist nicht viel passiert, seit Robaj am 2. Februar in Passau ankam. Seinen Asylantrag bearbeitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit acht Monaten.
    "Heute hab' ich mein Interview. - Heute ist Ihr Interview? - Ja! - Aber wenn Sie schon seit Anfang Februar hier sind? - Tja ... - Trotzdem erst heute Ihr Interview? - Ja, ich konnte nichts machen. So ist es. Bis jetzt war nur Abwarten. Die haben gesagt, ich kann nichts anderes machen."
    Robaj Ramadans Asyl-Karriere ist nicht untypisch. Normalerweise sollte es so laufen: Wenn ein Flüchtling deutschen Boden betritt, bringt ihn ein Bundespolizist in eine vorläufige Massenunterkunft. Etwa die Dreiländerhalle in Passau. Dort sollte der Asylsuchende nicht mehr als ein paar Tage verbringen. Es kann aber auch mal deutlich länger dauern, gibt ein Bundespolizist zu:
    "Weil wir eben nicht wissen, wie es letzten Endes weitergeht. Weil wir eben nicht wissen, wann jetzt das nächste Busunternehmen kommt, um uns die nächsten Leute dann wieder abzunehmen."
    Lange Verweildauern in Erstaufnahmeeinrichtungen
    Das Problem: Allein im Oktober registrierte die Bundespolizei 195.337 Migranten. Die brachte sie per Bus und Bahn in sogenannte Erstaufnahmeeinrichtungen in ganz Deutschland. In Bayern gibt es davon sieben – manche haben tausende Plätze, wie die riesige Bayernkaserne in München, manche sind klein, wie die Erstaufnahme in Neuschönau in Niederbayern. Dort leben 140 Flüchtlinge in einem ehemaligen Hotel, meistens in Vierbettzimmern, erklärt Besitzer Josef Haberstroh:
    "Das Haus ist wie eine Familie. Wenn da mal einer wegmuss und versetzt wird, dann weint das halbe Haus, weil bei uns gibt's kein Ärger, hier herrscht Frieden."
    In der Erstaufnahmeeinrichtung werden die Flüchtlinge medizinisch untersucht und registriert. Sie bekommen eine sogenannte BÜMA – ein amtliches Dokument, mit dem sie zu einer Außenstelle des BAMF gehen und ihren Asylantrag stellen können. Und dann heißt es: warten. Das neue, gerade verabschiedete Asylrecht sieht vor, dass Asylbewerber so lange in einer Erstaufnahmeeinrichtung bleiben sollen, bis ihr Verfahren abgeschlossen ist, erklärt Maria Els, Vize-Regierungspräsidentin von Oberbayern:
    "Damit ist denkbar, natürlich nicht gesetzgeberisch gewollt, aber denkbar, auch eine längere Verweildauer als sechs Monate."
    Zu wenig Unterkünfte für Flüchtlinge mit Bleiberecht
    Bestimmte Flüchtlinge, etwa Familien und Alleinerziehende, können schon früher aus der Erstaufnahme ausziehen. Sie kommen dann in eine sogenannte Anschlussunterbringung. Das kann ein Asylbewerberheim oder eine dezentrale Unterbringung sein, also eine Wohnung. Problem: Es gibt zu wenig Plätze, klagt Bayerns Sozialministerin Emilia Müller:
    "Wir brauchen neue Kapazitäten bei den Erstaufnahmeeinrichtungen. Wir brauchen zusätzliche Unterkünfte für die Menschen, die ein Bleiberecht haben."
    Nach durchschnittlich knapp sechs Monaten hat das BAMF dann den Asylantrag bearbeitet. Ist er positiv, kann sich der nun anerkannte Asylbewerber privat eine Unterkunft suchen. Dabei unterstützt ihn der Staat finanziell. Ein abgelehnter Asylbewerber, der nicht abgeschoben wird, kann bis zu vier Jahre lang in einem Asylbewerberheim leben. Dann muss er sich selbst um eine Unterkunft bemühen.