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Die Rebellion der Frauen

Als Vertreterin des Magischen Realismus machte die Mexikanerin Angeles Mastretta 1985 mit ihrem ersten Roman "Mexikanischer Tango" auf sich aufmerksam. Er schilderte das postrevolutionäre Mexiko, wie eine Frau es erlebte, und wurde zum Bestseller. Nun erscheint ihr Erzählband "Ehemänner!" bei Suhrkamp.

Von Eva Karnofsky | 29.03.2010
    Auch wenn der Titel das Gegenteil suggeriert, ist "Ehemänner!" ein Band über Frauen, genauer: über Ehefrauen, wobei Angeles Mastretta nicht nur legalisierte Partnerschaften als Ehe begreift. Den 22 Protagonistinnen der 22 Erzählungen ist gemein, dass ihnen irgendwann, irgendwie die Ehe zum sprichwörtlichen Joch gerät. Gelegentlich befreit sie das Schicksal. Paula, der Ministergattin Mitte 40, kommt es in Gestalt einer Jüngeren zu Hilfe.

    Und natürlich wollte Paula nur noch sterben, je schneller desto besser. Sterben, um jeden Preis.

    Paula stirbt nicht, sondern studiert, und erkennt, dass nicht ihr Mann, sondern ihre Selbstverleugnung Schuld war an Jahren der Unzufriedenheit.

    Während dreier Wahlkämpfe hatte sie von der Ladefläche eines Lieferwagens herab verkündet, ihr gefalle, was ihr nicht gefiel.

    Dominga Fez kam nicht wie Paula auf der Sonnenseite von Mexiko-Stadt zur Welt, sondern in einem der vielen Armenviertel. Sie will keineswegs sterben, sondern endlich leben, als der Vater ihrer elf Kinder seiner Trunksucht zum Opfer fällt.

    Sie hatten geheiratet, als sie zwanzig war und noch nicht ahnte, dass Trunkenbolde nicht lustig sind, sondern ganz und gar unausstehlich.

    Sie liebte ihn noch, gestand sie sich nach seiner Beerdigung ein, und sei es nur, weil sie ihn früher einmal so sehr geliebt hatte. Und weil er sie nicht schlug. Nie hat sie daran gedacht, ihn zu verlassen, denn einmal verheiratet, sah sie es als ihre Pflicht an, bei ihm zu bleiben und sich allen Entscheidungen, die er für sie traf, zu beugen. Doch nun eröffnet sie eine Maisküche, nennt sie "Zum guten Gatten" und hat endlich ihr gutes Auskommen.

    Ihre Nachbarin irrte nicht, wenn sie überall herumerzählte: "Als der Mann von Señora Fez ins bessere Leben hinüberging, wurde auch ihres um vieles besser."

    Wenn sie wollen, sind Frauen stark, meist stärker als ihre Männer, so die Botschaft der Erzählungen von Angeles Mastretta. Und dies hat nichts mit der sozialen Herkunft zu tun. Frauen wie Dominga Fez machen es die Umstände - mangelnde Bildung, viele Kinder und fehlende Mittel - nur um Einiges schwerer, sich zu entwickeln, als Frauen aus der Mittel- oder Oberschicht.

    Letzteren stehen ungleich mehr Möglichkeiten offen, das eigene Glück zu suchen. Claudia, der Möbeldesignerin, gelingt es trotz der fünf Kinder, den fremdgehenden Ehemann zurückzugewinnen, als sie sich auf eigene Füße stellt, denn sie kann sich zwei Hausmädchen leisten. Und die reiche Clemencia vermag es, nach Jahren der Ehe das Interesse ihres Mannes erneut zu wecken, in dem sie sich ihm für eine Weile entzieht und sich mit ihren Schwestern auf Reisen begibt. Zwar gibt sich die Erzählerin in allen Geschichten scheinbar neutral, als sie lediglich die Rolle der unabhängigen Chronistin sämtlicher Schritte und Gedanken ihrer Protagonistinnen einnimmt, doch gelegentlich lässt sie auch ihren Unmut durchscheinen, mit feiner Ironie, wenn sie etwa über Clemencia und ihre Globetrotter-Schwestern schreibt.

    Tatsächlich ist es den dreien in nur neunundzwanzig Tagen gelungen, alle Sonnenschirme und Sonnenbrillen, einen Lippenstift und eine zweireihige Korallenkette zu verlieren. Obendrein die Koffer auf einem der Iberiaflüge und ein Paar Schuhe auf der Insel Lido, und das, ohne sich auch nur einmal einen Seufzer oder eine Träne zu viel zu erlauben.

    Alle Frauen haben ein Recht auf Glück und ein zufriedenes Leben, und jeder Weg dazu ist recht, so das Credo der Autorin, doch als Feministin geht Angeles Mastretta mit ihren Figuren besonders mitfühlend um, wenn diese, wie Dominga oder Paula, durch Arbeit ihr Ziel erreichen.

    Die Autorin erzählt von Frauen aus verschiedenen Jahrzehnten, vom Lande und aus der Stadt und von Frauen aller Altersklassen. Von der 82-jährigen, die sich mit einem teuren, orangefarbenen Blazer einen kleinen Lebenstraum erfüllt, und von dem Mädchen Camila, das heimlich mithilfe der Mutter ihr abgelegenes Dorf verlässt, um der Zwangsverheiratung durch den Vater zu entgehen. In der Gesamtschau zeichnet Angeles Mastretta ein Bild vom Verhältnis der Geschlechter in ihrem Land, von der Rolle der Frau in Mexiko und von deren Wandel über die Generationen.

    "La casa chica", zu Deutsch das kleine Haus, also die Nebenfrau, wurde lange von den Mexikanerinnen stillschweigend hingenommen. Sie waren abhängig von ihren Ehemännern, doch auch sie rebellierten gelegentlich - auf ihre Weise. So wie Paz, die das uneheliche Kind ihres Mannes ohne dessen Wissen zu sich nimmt, als es die Mutter verliert.

    "Wer ist dieser Kasper?", wollte Felipe wissen mit Blick auf den Kleinen, der mit seinem Ältesten spielte und mit ihm nach knapp einem Nachmittag wie selbstverständlich das Zimmer und die Mutter teilt. "Das weißt du selbst am besten", sagte Paz und schaukelte seelenruhig weiter. "Dann wollen wir kein Wort darüber verlieren", sagte Felipe. Und es kam nie mehr zur Sprache. Es herrschten andere Zeiten damals. Und wiewohl uns all das unvorstellbar erscheinen mag, ist auch wahr, dass der Ton jenes Schweigens einen lächelnden und friedlichen Mann heranreifen ließ, ähnlich der Mutter, die ihn an einem Tag zu dem ihren machte. Am Ende war Felipe, ihr Mann, der einzige Gefangene unter ihnen, doch zu seinem Unglück kam auch das nie mehr zur Sprache."

    Bleibt noch zu erwähnen, dass sich Angeles Mastretta sprachlich der jeweiligen Epoche, der sozialen Herkunft und vor allem dem Charakter ihrer Protagonistinnen anpasst. Sie kommt hier sanft, dort schimpfend, hier barock und dort sachlich daher. Auch das macht den Erzählband "Ehemänner!" lesenswert.

    Angeles Mastretta: "Ehemänner!"
    Aus dem Spanischen von Petra Strien
    Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2009, 203 Seiten, 11,90 Euro