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Die Refugee Canteen
Moderne Kantine mit Essen aus aller Welt

Das Projekt "Refugee Canteen" soll Flüchtlingen den Einstieg in die Gastronomie ermöglichen und zwar im Zwei-Phasen-Modell: Erst die Aneignung von Gastronomiekenntnissen in der "Refugee Academy" und später der Aufbau von Pop-up-Kantinen an mehreren Hamburger Standorten. Das Projekt wird im Rahmen des Stipendienprogramms "Ankommer" von der KfW Stiftung gefördert, um Flüchtlingen den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Von Axel Schröder | 15.01.2016
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    Es geht exotisch zu beim Kochkurs mit Flüchtlingen. (Über den Tellerrand kochen)
    Eine rundum gute Idee wollen die beiden Firmengründer Lukas Halfmann und Benjamin Juergens in die Tat umsetzen. Das erklären die beiden, der Koch und der Spezialist für strategische Markenberatung in ihrem kargen, kleinen Besprechungsraum bei einer Flasche Bio-Rhabarber-Schorle. Halfmann erklärt, man habe sich das Ganze als "Zwei-Phasen-Modell" vorgestellt:
    "In der ersten Phase die Akademie. Dass wir geflüchteten Personen ein Grundwissen der Gastronomie vermitteln. Das ist die "Refugee Academy". Und der zweite Schritt die "Refugee Canteen", das eigentliche Restaurant aufzubauen."
    Bereits Erfahrung mit Restaurant-Projekt
    Lukas Halfman und Benjamin Juergens haben sich in Hamburg kennengelernt. In einem Restaurant-Projekt, das ein Erfolg wurde. Nun sollen von ihrer Idee Flüchtlinge profitieren, die schon erste Grundkenntnisse und vor allem Begeisterung für das Koch-Handwerk mitbringen. Lucas Halfmann erzählt von seinem eigenen Berufsweg:
    "Ich habe in diversen Ländern gearbeitet. In Norwegen, in Australien, überall war es das gleiche Bild: Das eben Leute aus ihrem Heimatland geflüchtet sind und in den Spülküchen der Welt gelandet sind."
    Genau das soll durch das Projekt der "Refugee Academy" anders werden. Mit je 12.500 Euro fördert die Stiftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau zwölf Projekte, die die Eingliederung von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt voranbringen. "Spielgeld" nennen es die beiden Gründer Lukas Halfmann und Benjamin Juergens. Denn weder in bar, noch auf dem Firmenkonto taucht die Summe auf, die aber trotzdem ihrer Idee zugutekommt, erklärt Benjamin Juergens:
    "Die können wir einsetzen: Wir nehmen uns drei Stunden einen Vertriebspartner zu uns, einen Profi und der erklärt uns dann: Wie bauen wir denn eine Vertriebsstruktur auf? Oder, in unserem Fall: Wie sind Organisationsstrukturen aufzubauen, damit das Ganze nachher funktioniert. Denn wir wissen, dass wir beide allein das gar nicht realisieren können. Und das können wir dann frei buchen und haben da ein gewisses Kontingent. Aber wir haben keinen Geldansatz. Wir kriegen nichts, wir müssen uns selbst gerade finanzieren, wir gehen beide arbeiten nebenbei. Und hoffen, dass wir vielleicht irgendwann einmal hier und da mal eine kleine Anschubfinanzierung kriegen."
    Zusammenarbeiten wollen die beiden dabei mit Hamburger Gastronomen, die die nach Deutschland geflohenen Menschen nach ihrem Einführungskurs an der "Refugee Academy" weiter ausbilden wollen. Juergens erläutert, das sei der erste Schritt, Gastronomen, Hoteliers, Caterer anzusprechen:
    "Der eine sagt: Uns ist vor allem Deutsch wichtig. Der andere sagt: Wenn der schon drei, vier Soßen kann und die Cuts vom Fleisch versteht und weiß, was ein Rinderfilet, ein Hüftsteak und Co. ist – das muss der haben, sonst kann er hier nicht anfangen! Was sind das für Fragen, um das Beste an Impact zu generieren, damit wir den Lehrplan auch so entwickeln können für die Menschen, um wirklich die Chancengleichheit und auch die Perspektive darzustellen?"
    Und am Ende, so Benjamin Juergens, können dann in der eigentlichen "Refugee Canteen" hochwertige Gerichte angeboten werden, die für die Besucher etwas Besonderes sind, in die nicht nur handwerkliches Können, sondern auch traditionelle Rezepte aus den Herkunftsländern der Geflüchteten einfließen sollen.
    Sicherer Aufenthaltsstatus ist Voraussetzung
    Mit dem Berufsverband der Gastronomen, der DEHOGA, hat es bereits Gespräche gegeben. Dort ist man begeistert von der Idee, erzählen die beiden Gründer. Und auch der Paritätische Wohlfahrtsverband berät die beiden. Denn damit die Idee ein Erfolg wird, ist nicht nur fachliches Know-how, sondern auch ein gesicherter Aufenthaltsstatus nötig. Und gerade in diesem Rechtsbereich ist zurzeit, nach den Verschärfungen des Asylrechts, vieles im Umbruch, weiß Firmengründer Juergens:
    "Wir sind auf der Suche nach Menschen, die schon so um die 15 Monate in Hamburg leben, die eine Chance auf Arbeit haben, die kein Duldungsverfahren haben, sondern wirklich eine Aufenthaltserlaubnis haben oder eine Aufenthaltsgestattung. Wo die Chance wirklich besteht, durch ihr Vorhaben dann auch bei uns, in unserem Land zu zeigen, dass es auch wirklich Sinn macht, sie bei uns zu behalten."
    Im Sommer soll die "Refugee Academy" ihren Betrieb aufnehmen, ein paar Monate später, so der Plan, folgt dann die Kantine. An mehreren Orten in Hamburg soll sie erst einmal temporär, als Popup-Kantine, geöffnet werden. So könnte man sehen, erklärt Benjamin Juergens, wo am Ende der richtige Platz für das Projekt ist. Er weiß auch schon, was ihre Idee von Gastronomie auszeichnet:
    "Große Tische, viel Kommunikation, wir alle essen aus einem Pott, was total Spaß macht. Wir alle sind gleichgestellt, es gibt für alle das Gleiche. Und das ist genau das, was für uns beide eine Kantine ist: Die moderne Kantine ist gesundes Essen aus aller Welt. Und das sind super Werte und die Menschen, die wir zu uns holen, sollen auch dieses Leitbild in sich tragen: Das gemeinsam Essen einfach viel, viel besser ist als allein an einem Tisch!"