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Die Rentenprojekte von Union und SPD

Die meisten Rentner in Deutschland sind gut versorgt, doch die Angst vor der Altersarmut wächst. Bei den Koalitionsgesprächen zwischen SPD und Union ist das ein zentraler Punkt. Die Wunschliste der Koalitionäre ist ein bunter Strauß an Forderungen, die nur eines gemeinsam haben: Sie sind sehr teuer.

Von Axel Schröder | 08.11.2013
    Das Haus des Älteren Bürgers, ein schmuckloses Seniorenzentrum in Berlin-Neukölln. Im Café sitzen ein paar Rentner, es ist Mittagszeit, die letzten Mahlzeiten werden ausgeteilt.

    Hans Kusch ist Bufdi. Und als Bundesfreiwilligendienstler hilft, wo er kann, gießt die Blumen, kümmert sich um den Garten, führt kleinere Reparaturen durch. Ist besser, als allein Zuhause rumzusitzen, sagt der Rentner. Vier Stunden arbeitet er hier täglich. Wie sein Kollege Harald Braunsdorf, auch er ein Rentner, der sich im Seniorenheim ein kleines Zubrot zum schmalen Altersgeld dazu verdient:

    "200 Euro Taschengeld kommt mir schon zugute. Aber um hier herzufahren, eine Monatskarte, ist nicht drin. Muss immer auf Kurzstrecke gehen, 1,50. Und meist laufe ich auch zu Fuß nach Hause."

    Braunsdorf hat 44 Jahre gearbeitet, die meiste Zeit als Gabelstapelfahrer, mal in Hamburg, dann in Berlin. Vor sieben Jahren machte sein Arbeitgeber Pleite, Braunsdorf stand auf der Straße. Das Jobcenter wusste auch keinen Rat. Wer will schon einen 60-Jährigen mit kaputtem Rücken und maroden Knien. Harald Braunsdorf:

    "Habe dann aber noch eine ABM-Stelle bekommen, für ein halbes Jahr. Dann wurde mir vom Jobcenter nahegelegt, die Rente einzureichen. Das habe ich gemacht, mit erheblichen Abschlägen."

    Jetzt ist Braunsdorf, der gebürtige Potsdamer, 67 und muss jeden Cent zweimal umdrehen. 780 Euro Rente bekommt er und liegt damit knapp über der Sozialhilfe:

    "Essen ist teurer geworden, und von daher koche ich schon selten und esse zu Hause nur Brot mit Margarine. Manchmal eine Wurst dabei oder ein Spiegelei, das geht grad noch so."

    Bislang beziehen nur 2,7 Prozent der Rentner Sozialhilfe
    Hans Kusch, seinem Kollegen, geht es ähnlich. Er war selbstständig, die Firma ging Pleite, dann erlitt er einen Schlaganfall. Jetzt lebt er von der Grundsicherung im Alter, wie die Sozialhilfe für Rentner im Fachjargon heißt. Große Sprünge kann man damit nicht machen, sagt er:

    "Man kann nicht ins Kino gehen. Gut, ich trinke keinen Alkohol, aber so mal irgendwo hingehen, was trinken, oder was essen. Da war ich schon jahrelang nicht gewesen im Restaurant. Oder Theater. Na klar, empfinde ich mich als arm."

    Hans Kusch gehört damit einer kleinen Minderheit an, sagen die Statistiker, Altersarmut ist bislang ein Randphänomen. Nur 2,7 Prozent der Rentner in Deutschland beziehen Sozialhilfe. Allerdings ist die Zahl stark gewachsen, seit 2005 um 35 Prozent auf 365.000. Hinzu kommen noch jene, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Beruf aussteigen mussten – und jetzt auf Hilfe vom Staat angewiesen sind. Ein Warnsignal, sagt Annelie Buntenbach, die Rentenexpertin des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB:

    "Wir müssen uns darauf einstellen, dass in Zukunft, wenn der sich ausbreitende Niedriglohnbereich und die Rentenkürzungen, die die Politik schon beschlossen hat, zusammentreffen, Altersarmut ein noch viel größeres Problem geben wird. Das wird dann für Millionen so sein, dass sie im Alter auf Grundsicherung angewiesen sind, weil die Rente im Alter nicht reicht."

    Die Rentner in Deutschland bekommen heute im Schnitt eine Rente von 695 Euro ausgezahlt. Anders als Braunsdorf und Kusch, die beiden Bufdis aus Neukölln, haben die meisten aber noch andere Einkünfte, bekommen eine Betriebsrente ausgezahlt oder haben gespart. So kommen alleinstehende Rentner auf ein durchschnittliches Einkommen von mehr als 1500 Euro. Die meisten sind gut versorgt, sagt Alexander Gunkel, der Rentenexperte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände BDA:

    "Es ist nicht auszuschließen, dass Altersarmut in gewissem Maß steigt. Aber es gibt guten Grund zur Annahme, dass Altersarmut in kommenden Jahrzehnten geringer verbreitet ist als Armut in jüngeren Jahrgängen. Heute ist Armut unter jüngeren Jahrgängen fünfmal häufiger verbreitet als unter älteren Jahrgängen."

    Auch die noch amtierende Arbeitsministerin Ursula von der Leyen warnt vor Panikmache. Aber sie sieht Handlungsbedarf:

    "Wir können nicht einfach Menschen, die ein Leben lang Beiträge gezahlt haben, in die Grundsicherung schicken, auf‘s Amt schicken, weil sei von der eigenen Rente nicht leben können. Ganz viele Mütter sind betroffen. Hier müssen wir was tun, und hier werden wir was tun."

    Rentenpolitik als Reformbaustelle
    Von der Leyen leitet für die CDU-CSU die Koalitionsgespräche zum Komplex Arbeit und Soziales. Ein zentraler Punkt dabei: der Kampf gegen drohende Altersarmut. Auch für die Sozialdemokraten ein Feld, auf dem sie Akzente setzen wollen. Andrea Nahles, die Verhandlungsführerin der SPD:

    "Ich denke, das ist eine der großen Reformbaustellen der nächsten vier Jahre in der Rentenpolitik. Und deswegen ist es besser, hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit zu setzen."

    Die Wunschliste der designierten Koalitionspartner ist lang. Die Renten von Geringverdienern und Müttern sollen aufgestockt werden, Ostrentner sollen ebenso besser gestellt werden wie langjährig Versicherte und Beschäftigte, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aussteigen müssen. Ein bunter Strauß an Forderungen, denen nur eines gemeinsam ist: Sie sind sehr teuer. Ursula von der Leyen:

    "Also wir sind all die Themen durchgegangen, wir haben nichts ausgelassen, was schwierig war."

    Woher aber sollen die Milliarden kommen, mit denen die kommende Bundesregierung die Rentner beglücken will? Steuererhöhungen hat die Union bekanntlich ausgeschlossen. Deshalb schielen nun beide Lager auf die gut gefüllte Rentenkasse.

    "Also man kann zur Zeit sagen: Die Finanzen der Rentenversicherung sind gut. Wir stehen ja, wenn wir das Gesetz nicht verändern, sogar vor einer Beitragssatzsenkung. Insofern kann man nur sagen: Die jetzige Rentnergeneration muss nicht beunruhigt sein."

    Sagt Herbert Rische, der Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Weil die Konjunktur gut läuft und die Beschäftigung zunimmt, steigen auch die Überschüsse in der Rentenkasse. Ende dieses Jahres werden die Reserven auf 31 Milliarden Euro angeschwollen sein. Das entspricht 1,7 Monatsausgaben, das aber heißt nach der derzeitigen Rechtslage: Der Beitragssatz, den Arbeitgeber und Beschäftigte zahlen, müsste eigentlich sinken, von derzeit 18,9 auf 18,3 Prozent sinken, es wäre der niedrigste Satz seit 20 Jahren. Das würde Betriebe und Arbeitnehmer um insgesamt sechs Milliarden Euro entlasten. Sechs Milliarden Euro, die Union und SPD aber längst verplant haben – für neue milliardenschwere Ausgaben. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, ein enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel, gab Anfang dieser Woche die Richtung vor:

    "Jetzt sind eine Fülle von Vorschlägen zu diskutieren, die mit dem dauerhaften Schutz vor Altersarmut und der Demografiefestigkeit des Rentensystems andererseits zu tun haben, die es sinnvoll erscheinen lässt, jetzt keine Beitragssatzsenkung vorzusehen."

    Bei den Sozialdemokraten rennt die Union damit offene Türen ein. Niedrigere Beiträge seien nicht vordringlich, sagt Andrea Nahles. Auch Elke Ferner, die Rentenexpertin der Partei, hält davon nicht viel:

    "Da glaube ich, gibt es Einigkeit, das wird nicht geschehen. Denn die Schwankungsreserve ist ohnehin relativ knapp, da braucht man ohnehin mehr. Aber jetzt abzusenken, das wäre Blödsinn."

    Regelungen müssen fair jungen Menschen gegenüber sein
    Verhaltener Widerstand kommt zwar noch vom Wirtschaftsflügel der Union, doch dessen Einfluss ist begrenzt. Und auch die Kritik der Wirtschaftsverbände dürfte wirkungslos verpuffen. Zu lang ist die Wunschliste von Union und SPD, zu groß der Wille, den Rentnern nach Jahren der Zumutungen endlich wieder Gutes zu tun. Ursula von der Leyen:

    "Es geht aber auch um Fragen der Finanzierung, es geht um Milliardenbeträge, es geht um Fragen, wie kann man die Akzeptanz des Rentensystems aufrechterhalten, aber es muss auch fair den jungen Menschen gegenüber gehen. Da ist die Kuh noch lange nicht vom Eis."

    Bei der Union steht die sogenannte Mütterrente ganz oben auf der Wunschliste. Hier hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel – auf Druck von CSU-Chef Horst Seehofer – schon vor der Bundestagswahl festgelegt:

    "Das ist ein wichtiger Akt der Gerechtigkeit, es ist aber auch ein wichtiges Zeichen gegen Altersarmut, und deshalb werden wir das durchsetzen."

    Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, wird bei der Rente lediglich ein Erziehungsjahr angerechnet. Für Kinder, die später auf die Welt kamen, sind es drei. Eine Ungleichbehandlung, für die es keine vernünftige Begründung gibt, sagt die siebenfache Mutter Ursula von der Leyen:

    "Ich habe zum Beispiel Kinder, die vor '92 geboren sind und nach '92 geboren sind. Und es gibt keinerlei Begründung, warum rententechnisch diese Kinder unterschiedlich ins Gewicht fallen."

    Deshalb will die Union das ändern und für ältere Kinder ein zweites Erziehungsjahr anrechnen. Das würde die Renten der Mütter um 28 Euro monatlich erhöhen. Kostenpunkt insgesamt: rund 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Ursula von der Leyen:

    "Wir haben einen sehr robusten Arbeitsmarkt, deshalb füllen sich die Sozialkassen, das ist ein wichtiger Faktor. Und deshalb gibt es innerhalb der Rentenversicherung den Spielraum, den nächsten Schritt in der Angleichung der Kindererziehungszeiten zu tun."

    Rentenexperten, Arbeitgeber, Gewerkschaften und auch die SPD sehen das anders. Die Aufwertung der Mütterrenten sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und dürfe deshalb nicht den Beitragszahlern aufgehalst werden, sagt Elke Ferner, die Rentenexpertin der SPD:

    "Das Problem ist nur die Finanzierung, die die Union möchte. Die möchte das aus den Beiträgen bezahlen. Das ist aber eine sozialpolitische Leistung, die eigentlich aus Steuermitteln bezahlt werden müsste."

    Rentenkasse hat genug Geld für einige Änderungen
    Den schwarzen Peter hätte dann Finanzminister Wolfgang Schäuble, der im kommenden Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen will. Die Sozialdemokraten dagegen könnten sich freuen: In der Rentenkasse wäre noch genug Geld, um die eigenen Forderungen durchzusetzen. Ganz oben auf der Liste steht eine Forderung, die vor allem den Gewerkschaften gefällt.

    Wer 45 Versicherungsjahre nachweisen kann, soll mit 63 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand gehen dürfen. Profitieren würden die, die lange gearbeitet haben, die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten in den großen Industriebetrieben, die noch eine lückenlose Erwerbsbiografie aufweisen können. Traditionelle SPD-Wähler, die den Sozialdemokraten im Streit über die Rente mit 67 jedoch in Scharen davon rannten. Franz Josef Möllenberg, der scheidende Chef der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten:

    "Abschlagsfrei – auch ein Stück Armutsbekämpfung."

    Alexander Gunkel widerspricht. Die SPD wolle die besser stellen, die ohnehin gut abgesichert seien. Mit dem Kampf gegen Altersarmut habe das nichts zu tun:

    "Wer 45 Jahre aufweist, hat doppelt so hohe Rente wie der Durchschnitt. Dafür gibt es keine vernünftige Begründung."

    Die Mütterrente und der abschlagsfreie Ausstieg mit 63 würden einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten. Pro Jahr. Die Folge: Die Überschüsse in der Rentenkasse wären rasch aufgezehrt. Und die größte Herausforderung - die drohende Altersarmut - noch gar nicht angepackt.

    "Ich bin Maler und Lackiererin. Habe einige Jahre als Geselle gearbeitet. Und wie das so ist durch Familie- und Kinderfalle, habe ich mir dann einen Job suchen müssen, mit zwei, drei Stunden. Und so bin ich in die Gebäudereinigung gekommen. Seit 30 Jahren bin ich in der Gebäudereinigung."

    Christa Rein ist 55 Jahre alt, sie lebt in einer kleinen Wohnung in Braunschweig, am Rande der Innenstadt gemeinsam mit Robby, ihrem Hund, einem schwarzen Neufundländer. Zwei Kinder hat sie großgezogen. Und gearbeitet:

    "Ich habe schnell wieder angefangen zu arbeiten. Weil ich immer schon an meine Rente gedacht habe. Weil wenn du mal alt bist, was ist denn dann. Ich habe kaum Ausfallzeiten, bisschen für die Kinder und ein paar Monate zum Neuorientieren. Im Prinzip habe ich durchgehend gearbeitet. Seit ich aus der Schule raus bin."

    Sorgen vor Altersarmut bei Geringverdienern
    Oft hat sie zwei oder drei Jobs gleichzeitig, denn Vollzeitstellen sind selten in der Gebäudereinigung. Morgens um fünf geht sie aus dem Haus, putzt Bürohäuser und Privatwohnungen, Kinos und Gemeindezentren. Und kehrt meist erst spät abends wieder heim. Eine anstrengende Arbeit, bei einem Stundenlohn von neun Euro springen 1000 Euro netto pro Monat für sie raus. Nicht üppig, aber Christa Rein kommt klar. Sorgen macht sie sich nur, wenn sie an ihre Rente denkt:

    "Ich werde in zehn Jahren 780 Euro Rente bekommen. Wenn ich weiter Vollzeit arbeite, in der Gebäudereinigung. Also kann ich mir jetzt schon ausrechnen, dass ich innerhalb der Grundsicherung mich bewege."

    So wie Christa Rein geht es vielen Beschäftigten. Über sieben Millionen Menschen arbeiten für einen Stundenlohn von weniger als 9,54 Euro, hat das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg berechnet. Zu wenig, um sorgenfrei dem Ruhestand entgegenzusehen. Denn im Rentensystem gilt der Grundsatz: Wer in der aktiven Zeit wenig in die Rentenkasse einzahlt, bekommt am Ende auch eine schmale Rente heraus. Die Existenzberechtigung des Rentensystems steht auf dem Spiel, warnt Rudolf Dressler, einst der sozialpolitische Vordenker der SPD:

    "Wenn wir ein Rentensystem haben, in das man für 40-jährige Arbeit Zwangsbeiträge einzahlt, und dann nach 40 Jahren weniger Rente erhält als derjenige, der nicht gearbeitet hat, dann hat dieses System seine Daseinsberechtigung verloren."

    Auch die noch amtierende Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zeigt sich alarmiert. Sie will die Renten von langjährig versicherten Geringverdienern aufstocken, auf bis zu 850 Euro. Lebensleistungsrente nennt sie das. Eine Idee, die die Christdemokratin schon in der vergangenen Legislaturperiode umsetzen wollte. Doch sie scheiterte am Widerstand der FDP und am fehlenden Rückhalt in der eigenen Partei. Jetzt stehen die Chancen besser. Die SPD will mitziehen, und auch die Union scheint sich einig. Generalsekretär Hermann Gröhe:

    "Ich halte es für richtig, die Legitimation des Rentenversicherungssystems dadurch zu erhalten, dass Menschen, die Jahrzehnte eingezahlt haben, eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhalten. Das gehört zur Legitimation des Rentensystems dazu. Und es ist richtig, dass wir uns das vornehmen."

    Knapp vier Milliarden Euro wird die Lebensleistungsrente der CDU pro Jahr kosten, schätzen Experten, die Solidarrente der SPD dürfte noch deutlich teurer werden. Bewirken werden beide Ansätze wenig, fürchtet der Rentenexperte Alexander Gunkel:

    "Denn die Pläne richten sich ausschließlich an die, die lange Beitragszeiten in der Rentenversicherung haben. Und das ist nicht das klassische Klientel, das Gefahr läuft, altersarm zu werden. Die meisten, die altersarm werden, haben nur kurz in die Rentenkasse eingezahlt und würden daher gar nicht die Voraussetzung erfüllen."

    Erwerbsminderungsrentner besser absichern?
    Weniger wäre mehr, sagt Gunkel, auch um die künftigen Generationen nicht zu stark zu belasten. Statt das Geld mit der Gießkanne zu verteilen, müssen wir uns auf die konzentrieren, die am stärksten gefährdet sind, mahnt auch Rentenpräsident Herbert Rische: zum Beispiel jene, die sich Jahrzehnte lang abgerackert haben und dann aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Beruf aussteigen müssen, was mit schmerzhaften Abschlägen bei der Rente verbunden ist. Hier müssen wir ansetzen, fordert auch Peter Weiß, der Rentenexperte der CDU:

    "Wer heute Erwerbsminderungsrente beantragt, der hat eine ungleich größere Gefahr, dass diese Rente ihm nicht zum Leben ausreicht. Und deshalb glaube ich, muss die oberste Priorität lauten, die Erwerbsminderungsrentner besser abzusichern."

    Hier immerhin sind sich Union und SPD im Grundsatz einig. Und weitere ausgabenträchtige Forderungen stehen noch auf der Agenda. Die Anpassung der Ost-Renten an das West-Niveau zum Beispiel. Der linke SPD-Flügel würde auch gern durchsetzen, dass die Renten in Zukunft wieder stärker steigen. Die rot-grüne Bundesregierung hatte einst einige Bremsfaktoren eingeführt, um die Kosten im Zaum zu halten. Die Folge: Das Rentenniveau sinkt. Das müssen wir korrigieren, sagt die Sozialdemokratin Elke Ferner:

    "Das ist nicht ganz billig. Aber wir haben auch gesagt, wir können uns das Finanzierungskonzept vorstellen, dass der DGB entwickelt hat. Also die Beiträge nicht zu senken, sondern sie moderat früher als notwendig anzuheben."

    Andrea Nahles, die Verhandlungsführerin der Sozialdemokraten, tritt dagegen inzwischen spürbar auf die Bremse. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch finanzierbar, heißt nun die Marschroute:

    "Das alles muss jetzt auch solide durchgerechnet werden. Ich will Ihnen klar sagen, wir sehen uns da in der Verantwortung einmal Lösungen zu finden, die wirklich Rentenlücken auch schließen, aber auch in der Verpflichtung, mit Beitrags- und Steuermitteln verantwortlich umzugehen."

    Ähnlich vage äußert sich auch Ursula von der Leyen, die Verhandlungsführerin der CDU-CSU. Aber immerhin: Die Chemie scheint zu stimmen zwischen den beiden Verhandlungsführerinnen. Ursula von der Leyen:

    "Die Chemie, die stimmt, das Essen ist momentan etwas dürftig. Wir haben jetzt alle Suppenvarianten durch."

    Erstaunlich geräuschlos haben die beiden Frauen die Verhandlungen bislang geführt, öffentlich begegnen sie sich respektvoll und locker, beinahe vertraut. Nicht die schlechteste Voraussetzung, um auf vermintem Gelände den richtigen Weg zu finden. Schließlich sollen die beiden Unterhändlerinnen nebenbei ja auch noch den flächendeckenden Mindestlohn einführen und die Zukunft von Zeitarbeit und Werkverträgen klären – und in der Rentenpolitik ein zukunftsfähiges Ergebnis vorlegen. Davon allerdings sind sie noch ein gutes Stück entfernt. Ursula von der Leyen:

    "Und insofern können wir heute Abend nur sagen, dass wir stundenlang verhandelt haben, menschlich ausgesprochen angenehm. Aber die Nuss ist noch lange nicht geknackt."