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"Die Revolution fand keinen Widerstand"

Unverhofft wurde der junge bayerische Prinz Otto erster neuzeitlicher König von Griechenland. Bald drei Jahrzehnte später, am 24. Oktober 1862, musste er das Land nach einem Militärputsch wieder verlassen. Doch Otto blieb seinem einstigen Reich bis zum Lebensende verbunden.

Von Georg Gruber | 24.10.2012
    17 Jahre ist Prinz Otto von Wittelsbach alt, als er sich auf die Reise von Bayern über Italien nach Griechenland macht. Anfang Februar 1833 erreicht er die Hafenstadt Nauplia. Die Bevölkerung jubelt ihm zu. An seinen Vater König Ludwig von Bayern schreibt er:

    "Kein Wölkchen zeigte sich. Ungetrübt thronte über uns die ätherische Himmelskuppe, geschmückt mit dem freundlichen, heiteren Blau, Bayerns und Griechenlands Nationalfarbe, als wollte sie ... Bayern und Griechen ermahnen, auch so im Inneren wie Verwandte sich zu lieben und einander zu schätzen."

    Seit dem 15. Jahrhundert hatte Griechenland weitgehend unter der Oberherrschaft des Osmanischen Reiches gestanden. 1821 erhoben sich die Griechen gegen die Türken. Ohne die Hilfe der europäischen Mächte Russland, Frankreich und Großbritannien hätten die Aufständischen in diesem ungleichen Kampf nie bestehen können. Jene drei Mächte schlugen der griechischen Nationalversammlung auch vor, einen europäischen Fürsten zum König zu wählen, der allerdings aus keinem der drei Länder stammen dürfe. So fiel die Wahl auf den noch minderjährigen Otto. Sein Vater, König Ludwig I. von Bayern, ließ ihn gerne ziehen, da er, wie viele andere europäische Intellektuelle und Künstler zu dieser Zeit auch, für die griechische Antike schwärmte. Vom damaligen Glanz war allerdings nicht mehr viel vorhanden. Der Historiker Wolf Seidl:

    "Das Griechenland von 1833 war ausgeplündert, ausgelaugt, ausgeblutet. Recht, Ordnung, Gesetz hatten zu bestehen aufgehört. Ein 'Reich' mit vielleicht 800.000 Einwohnern, dessen Fläche nicht einmal die Hälfte des heutigen griechischen Staatsgebietes umfasste. Ein geschundenes Land, eine zerrissene Nation, die hinnehmen musste, dass ein Großteil ihrer Bevölkerung unter türkischer Herrschaft blieb."

    3500 bayerische Soldaten begleiteten den Prinzen. Bayerische Beamte versuchten, Ordnung in das anarchische Chaos zu bringen, was bleibende Folgen hatte, etwa durch die Gliederung des Landes in Departments nach französischem Vorbild. Auch Universität und Technische Hochschule in Athen stammen aus dieser Zeit. Unter Otto wurde mit der Rekonstruktion der Akropolis begonnen – und mit dem Bierbrauen nach dem Reinheitsgebot. Doch viele Entscheidungen wurden damals von griechischer Seite heftig kritisiert.
    Der spätere Minister Anastasios Polizoides 1837: "Die Auflösung des nationalen Heeres, die Verpflichtung der mittellosen Staatsbeamten, sich kostspielige Uniformen anzuschaffen, die Anstellung von Baiern in allen Dienstzweigen, ... die Verfolgung der Kriegsanführer des Freiheitskrieges, ..., zeugte dies alles nicht von der frechsten Willkür und Antinationalität?"

    Der junge bayerische Herrscher mühte sich redlich, trug die Landestracht und sprach auch schon bald fließend griechisch. Aber er hatte den falschen Glauben, war katholisch und nicht griechisch-orthodox. Und vor allem ging er auf die Forderung nach einer Verfassung nicht ein. 1843 kam es deswegen zu einem ersten Aufstand. Otto gab schließlich nach und willigte zudem ein, dass alle Bayern – Soldaten und Beamte – aus dem Dienst entlassen wurden. Allerdings fehlten ihm außenpolitische Erfolge, noch immer lebten viele Griechen unter türkischer Herrschaft. Im Herbst 1862 begab er sich auf eine Rundreise durch das Land. Seine Widersacher, darunter Teile des Militärs, nutzten die Gunst der Stunde und entfachten einen Aufstand. Die "Allgemeine Zeitung" berichtete:

    "Der Thron wurde umgestoßen, der König für abgesetzt und die Königin der Rechte der Regentschaft für verlustig erklärt. Pöbelhaufen ... schlossen sich den rebellischen Truppen an. Die Revolution fand keinen Widerstand."

    Otto versuchte, per Schiff so schnell wie möglich nach Athen zurückzukehren – ging allerdings, in Piräus angekommen, nicht mehr an Land. Es wäre zu gefährlich gewesen.

    Am 24. Oktober 1862 entschied er sich, Griechenland zu verlassen - zu seiner eigenen Sicherheit an Bord eines englischen Schiffes. Seinem ehemaligen Königreich blieb er, zurück in Bayern, dennoch verbunden. Er trug weiter griechische Tracht, wünschte sich sogar, in griechischer Kleidung bestattet zu werden, und als er 1867 starb, sollen seine letzten Worte gewesen sein:

    "Griechenland, mein liebes Griechenland."


    Das Volksmusikarchiv Oberbayern mit Musik zum Thema König Otto in Griechenland

    Das weltweit einzige "König Otto von Griechenland Museum"