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Die Rückkehr des Growians-Prinzips

Techonolgie.- Bislang war es quasi Konsens, dass drei Rotorblätter an Windrädern die effizienteste Ausnutzung garantieren. Nun aber geraten zweiblättrige Windräder wieder mehr ins Interesse der Wissenschaftler - insbesondere auf hoher See.

Von Sönke Gäthke | 02.10.2012
    Eigentlich war sie ja schon gelöst – die Frage, wie viele Rotorblätter ein Windrad haben soll. Drei. Denn drei Rotorblätter nutzen den Wind besser aus als zwei oder vier, sind leiser und laufen gleichmäßiger – was das Getriebe schont und angenehmer fürs Auge ist. Und trotzdem greifen Ingenieure die Frage offenbar wieder auf, so Stefan Barth, Geschäftsführer von Forwind, dem gemeinsamen Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg, Hannover und Bremen.

    "Man sieht aber immer mehr Konzepte für – gerade für den Bereich Offshore-Windenergieanlagen auf See, dass man sich dort doch mehr Hersteller oder Ingenieurbüros Gedanken machen, wie konstruiert man eine Zwei-Rad Anlage."

    Lange Zeit haben Ingenieure in Deutschland genau das versucht:

    "1957 wurde eine Windturbine mit einem Flügelraddurchmesser von 34 Metern und einer Leistung von 100 Kilowatt in Betrieb genommen."

    "Aeolus, mit 3000 Kilowatt eines der größten Windkraftwerke der Welt überhaupt, steht in einem Exemplar seit August 1983 auf der Insel Gotland."

    "...und diese Schar von aufgeregten Wind-Kriegern werden überragt von einem Riesen an Gestalt, dem man auch einen hühnenhaften Namen gegeben hat: Growian."

    "Mit 150 Metern bis zur gewaltigen Rotorspitze hat Growian fast die Höhe des Kölner Domes."
    Growian – die Große Windanlage, dürfte heute noch am bekanntesten sein – als einer der größten Flops der Windradentwicklung:

    "Growian wurde von seinen Erbauern mittlerweile aufgegeben und wird noch in diesem Frühjahr abgebaut."

    Dass das so kam, lag zum guten Teil am Rotor. Dessen zwei riesige Flügel hatten die Mechanik besonders belastet. Sie quittierte das mit Rissen und Ausfällen; 1988 war dann Schluss.

    "Zehn Millionen hätte das Forschungsministerium in die Reparatur der Nabe im Rotor des Growian investieren müssen. Doch es hatte sich längst gezeigt, dass das Konzept falsch gewesen war."

    Dass es auch anders geht, zeigte das gemeinsam mit Schwedischen Unternehmen entwickelte Projekt Aeolus Zwei: Ein Windrad mit zwei Blättern, mit drei Megawatt Leistung ganz ähnlich groß wie Growian, lieferte von 1993 bis 2008 in der Nähe von Bremerhaven Strom. Jetzt greifen Ingenieure in Europa dieses Konzept wieder auf, um Offshore-Windräder zu konstruieren. Nicht, weil die Windräder mehr Strom liefern können als die Dreiblättrigen. Sondern, so Stefan Barth:

    "Es wird unter Umständen billiger in der Konstruktion, also man spart sich natürlich erst mal die Kosten für ein Rotorblatt, das hat Konsequenzen natürlich für die Lager, dass sind also andere mechanische Anforderungen, das muss man kompensieren – ob das dann günstiger ist, das hängt dann je von der Konstruktion ab."

    Aber selbst wenn die Konstruktion an Land teurer würde als ein konventionelles Windrad, so hoffen die Unternehmen, dass es billiger wird, Zweiflügelige Windräder im Meer aufzustellen.

    "Ich kann eine Zwei-Blatt Anlage an Land schon ein Stück vormontieren und dann gestapelt auf einem Schiff oder einem Transportvessel auf See bringen und dort leichter installieren als ich das mit einer Dreiblattanlage kann. Dort muss ich dann entweder auf See drei Rotorblätter anschrauben, brauch' dafür entsprechende Wetterfenster, in denen das geht, oder ich montiere an Land oder im Hafen einen Rotorstern, und das ist eben logistisch aufwendiger, weil – man kann sich vorstellen, ein 120 Meter Durchmesser Rotorstern, das ist schon ein sperriges Gebilde."

    Lärm und die unschöne Optik dieses Konzepts fielen nicht so ins Gewicht – auf dem offenen Meer wohnt eben niemand. Und weil sie einfacher zu transportieren sind, könnten Zweiblatt-Anlagen auch noch in einer anderen Nische eingesetzt werden: Auf den Kuppen der Mittelgebirge in Deutschland.