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Die russische Datscha (2/5)
Dolce Vita im Grünen

Früher bauten die Menschen auf ihrer Datscha Obst und Gemüse zur Selbstversorgung an. Inzwischen nutzen viele Russen, die Jobs und gute Einkommen haben, ihre Datscha zur Erholung und Entspannung. Aber der Alltag dort ist auch für die russische Mittelschicht nicht immer leicht.

Von Gesine Dornblüth | 30.07.2019
Lilija, Aleksandr und Vasilisa beim Essen vor ihrer Datscha in Taganrog nahe der ukrainischen Grenze
Lilija, Aleksandr und Vasilisa (v.l.n.r.) vor ihrer Datscha nahe der ukrainischen Grenze (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
Datscha-Führung. Lilija und ihre Tochter Vasilisa zeigen das Badezimmer, die Einbauküche und das Kaminzimmer.
"Für Leute wie uns ist die Datscha tatsächlich ein Ort zum Ausruhen. Zum Vergnügen."
Bis auf Obstbäume und Rasen ist der Garten planiert
Sie zeigen stolz ein zweites Blockhaus mit Schlafräumen und Banja, der russischen Sauna. Ein drittes dient als Schuppen. Für Grün ist nicht viel Platz. Bis auf ein paar Obstbäume und etwas Rasen ist der Garten planiert, wie auch die Auffahrt für die beiden Autos der Familie.
Dieser Beitrag gehört zur Reportagereihe "Russische Datscha - Ein paar Quadratmeter Glück".
Lilija bietet einen Milchshake an. Vasilisa läuft in die Küche. Ihre Mutter blickt ihr kopfschüttelnd hinterher:
"Ich bin den ganzen Tag mit ihr zugange. In der Stadt haben wir ein sehr stressiges Leben. Ich arbeite, und außerdem muss ich das Kind ständig irgendwo hin fahren, ihr Papa ist zu beschäftigt. Hier auf der Datscha ruhen wir uns aus."
Lilija ist Anwältin, ihr Mann ist Unternehmer. Seine Firma liefert Speiseeis aus. Beide sind Ende vierzig. In der nächstgrößeren Stadt, in Taganrog, haben sie eine kleine Wohnung. Das Grundstück im Grünen haben sie vor drei Jahren gekauft. Das Leben der russischen Mittelschicht. Sie verbringen so viel Zeit hier wie möglich.
"Du kommst an und bist in einem kleinen Paradies"
Ein Auto fährt vor. Vasilisa stürmt hinaus, um ihren Vater zu begrüßen. Aleksandr kommt von der Arbeit. Auf dem Weg hat er eingekauft. Nackensteaks. Gleich wird gegrillt. "Ich habe als Student in einer Schaschlik-Bude gejobbt. Die Armenier dort haben mir gezeigt, wie man Kebab und Schaschlik macht, wir haben da auch Leber und Fisch gegrillt."
Vasilisa serviert jetzt die Milchshakes. Sie sind kühl und süß.
"Wir haben vor drei Jahren all unsere Ersparnisse für diese Datscha ausgegeben. Es war unser Traum. Wir haben immer viel Besuch, hier ist viel Platz. Nicht wahr?"
Ihr Mann nickt. "Jeder Mensch muss zwischendurch mal raus. Aber ich kann wegen der Arbeit im Sommer nicht weg, da ist unser Hauptgeschäft. Bis hier sind es nur 15 Kilometer, aber die Luft ist bereits anders als in der Stadt, die Landschaft ist eine andere. Du kommst an und bist sofort in einem kleinen Paradies. Du legst dich auf die Liege und schon fühlst du dich wie im Kurzurlaub in einem kleinen Ferienort."
Das Kriegsgebiet im Donbass ist 50 Kilometer entfernt
Kurz darauf steht Aleksandr am Grill. Er hat sich umgezogen, trägt Boxershorts, T-Shirt, Sandalen. Datscha-Outfit. Die Rauchschwaden verfangen sich in den Obstbäumen. Fett tropft in die Glut.
"Den Grill habe ich in Dnepropetrowsk gekauft. In der Ukraine 2013. Wir hatten dort Geschäftspartner, Eisfabrikanten. Sie haben uns damals eingeladen und großartig bewirtet. Jetzt hat die Politik uns leider auseinandergebracht. Wir sehen uns trotzdem noch, auf Messen in Moskau."
Datscha-Garderobe: Aleksandr in Shirt und Shorts am Grill
Datscha-Garderobe: Aleksandr in Shirt und Shorts am Grill (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
Aleksandr geht zum Auto, stellt das Radio an. Taganrog liegt dicht an der Grenze zur Ukraine. Bis zum Kriegsgebiet im Donbass sind es nur 50 Kilometer. Manchmal hätten sie die Explosionen sogar auf der Datscha gehört, erzählt Aleksandr. Inzwischen bekämen sie davon kaum noch etwas mit.
"Das Leben hier ist eigentlich stabil. Wenn die Sanktionen nicht wären, wäre es wunderbar. Wegen der Sanktionen sind die Preise gestiegen. Früher haben die Eishersteller in Russland Kirschen aus Polen verarbeitet. Wegen der Importverbote müssen wir die Produkte über andere Länder einführen, das macht sie teuer. Und deshalb verwenden viele gar keine natürlichen Früchte mehr, sondern nehmen Konfitüren aus dem Iran, die sind billiger. Wenn das nicht wäre, wäre alles gut."
Rubelverfall macht Auslandsreisen teuer
Das Fleisch färbt sich dunkel. Alexander legt Pilze dazu.
Vasilisa und ihre Mutter decken draußen den Tisch. Im Radio beginnt eine Tourismus-Sendung. Durch den Rubelverfall sind Auslandsreisen für Russen teuer geworden. Da ist der Kurzurlaub auf der eigenen Datscha eine preiswerte Alternative.
"Nehmt Fleisch, solange es heiß ist!"
Lilija gießt Getränke ein: Saft für Vasilisa, Wodka für ihren Mann, Wein für die Frauen.
Lilija: "Auf die Bekanntschaft. Und auf unser russisches Gutsherrenleben!"
Alexander: "Auf dass alles gut wird. Das einfachste Essen ist doch das beste."