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"Die Schweizer Politik müsste sich mehr um ihre Banken kümmern"

Tausende Deutsche sollen Geld am deutschen Fiskus vorbei bei der Schweizer Crédit Suisse angelegt haben. Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuergewerkschaft nennt das Geschäftsmodell der Bank "Beihilfe zur Steuerhinterziehung" - und fordert das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses.

Das Gespräch führte Jürgen Liminski | 12.07.2012
    Friedbert Meurer: Die Schweizer Bank Crédit Suisse machte vor Jahren deutschen Sparern und anderen ein verlockendes Angebot: Sie könnten ihr Geld bei der Bank anlegen und das ganze wird als eine Versicherung deklariert. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, um Steuern zu hinterziehen? So sehen das jedenfalls die Steuerbehörden in Deutschland, und wieder haben sie zum Ärger der Schweiz eine Daten-CD aufgekauft. Mit den Datensätzen darauf sollen insgesamt 4000 Deutsche der Steuerhinterziehung überführt werden können. Mein Kollege Jürgen Liminski fragte gestern Abend den Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, was an dem Angebot der Crédit Suisse seiner Meinung nach unmoralisch war.

    Thomas Eigenthaler: Die Crédit Suisse hat natürlich hier einen systemischen Beitrag geleistet für diese Lockvogelangebote: Sie hat die Kunden angelockt mit einem Angebot, das Steuerhinterziehung begünstigt, und ich lege noch eins drauf, das auch die Geldwäsche fördert. Weil, wenn man Schwarzgeld in einen Lebensversicherungsvertrag verpackt und dazu eigens eine Gesellschaft gründet, die ihren Sitz auf den Bermudas hat, dann ist das nicht mehr nur moralisch, sondern das ist nach meinem Verständnis Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

    Jürgen Liminski: Warum läuft so etwas über eine ausländische Bank? Könnten deutsche Banken nicht auch solche Angebote unterbreiten? Die sind ja sonst ganz findig mit speziellen und komplizierten Angeboten.

    Eigenthaler: Theoretisch kann man das natürlich auch in Deutschland machen. Es ist natürlich nicht illegal, ein Konto in der Schweiz in Deutschland anzulegen. Aber entscheidend ist doch, ob ich mich dem Fiskus hinterher offenbare, und bitteschön dem deutschen Fiskus; und das ist das eigentliche Problem. Die Dinge müssen dem deutschen Fiskus deklariert werden, es handelt sich in aller Regel um Schwarzgelder, und das ist das Grundproblem. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, und das sollte auch die Crédit Suisse wissen.

    Liminski: Es geht um mehrere Milliarden Euro, die da im Bermuda-Dreieck vor dem Fiskus verschwunden sind. Wie viel kann der deutsche Fiskus davon noch nachträglich besteuern?

    Eigenthaler: Wir gehen zum Beispiel, allein was die Schweiz anlangt, von etwa 150 Milliarden unversteuertem deutschem Geld aus, und das wird auch in Zukunft nicht abnehmen. Bundesfinanzminister Schäuble hat ja große Hoffnungen bezüglich eines Steuerabkommens. Aber die Steuerhinterziehung wird auch nach dem Abkommen weiter abgedeckt in der Anonymität. Das darf nicht sein und von daher gehen wir davon aus, dass wir Steuerhinterziehung nach wie vor intensiv bekämpfen müssen – zum Beispiel auch durch den Ankauf von Steuerdaten.

    Liminski: Sie sprechen das deutsch-schweizerische Abkommen an, das ja noch nicht in trockenen Tüchern ist. Würden durch ein solches Abkommen solche Machenschaften verhindert?

    Eigenthaler: Ein ganz klares Nein! Das wird zwar der Öffentlichkeit immer suggeriert, als würde nach dem Abkommen die Welt in einem rosigen Licht erscheinen. Das ist aber nicht der Fall. Die Vergangenheitsfälle werden moderat besteuert, in völliger Anonymität belassen und straffrei gehalten. Das ist die Kritik an der Vergangenheit. Und für die Zukunft ist zwar eine Abgeltungssteuer auf Zinserträge im Gespräch, aber das Verbringen von Schwarzgeld in die Schweiz wird durch dieses Abkommen nicht gestoppt. Im Gegenteil: Die Anonymität und das Schweizer Bankgeheimnis werden verlängert auch in die weite Zukunft hinein. Das ist unsere Kritik und deshalb sage ich wie vor zwölf Monaten bereits, lieber kein Abkommen als dieses.

    Liminski: Eine gesamteuropäische Bankenaufsicht könnte vielleicht aufpassen und solche Machenschaften verhindern. Aber da taucht natürlich die Frage nach den Steueroasen auf: Schweiz, Liechtenstein, Andorra. Kann man solche Schlupflöcher wirklich stopfen?

    Eigenthaler: Ich glaube nicht, dass eine gesamteuropäische Bankenaufsicht da etwas ändern kann. Wie gesagt, man kann solche Verträge schließen. Entscheidend ist doch, wie man sich dem Fiskus gegenüber verhält, und da kann eine Bankenaufsicht nichts bewirken. Das ist Aufgabe der Steuerbehörden, der Finanzbehörden, der Steuerfahndung. Was wir brauchen ist ein europäisches Informationssystem, und da weigert sich die Schweiz natürlich beharrlich, ihr Steuergeheimnis aufzubrechen. Das ist also ein Geschäftsmodell, das bereits über viele Jahrzehnte währt, wo die Schweiz auch gut gelebt hat damit, und deshalb ist dort niemand bereit, das Steuergeheimnis aufzubrechen. Das wäre aber der einzige Weg, um aus dem Dilemma herauszukommen.

    Liminski: Herr Eigenthaler, Sie haben eingangs gesagt, die Crédit Suisse hat einen systemischen Beitrag geleistet durch ihre Lockvogelangebote. Sollte man nicht auch diesen Weg gehen können, nämlich die Banken stärker in die Pflicht zu nehmen?

    Eigenthaler: Natürlich! Ich verstehe ohnehin die Schweizer Politik nicht, dass man die Banken nicht dort mehr an die Kandare nimmt. Das Geschäftsgebaren insbesondere der Crédit Suisse wirft ein derart schlechtes Licht auf die Schweiz, auf ihre Bevölkerung, die das beileibe nicht verdient haben. Ich finde, die Schweizer Politik müsste sich mehr um ihre Banken kümmern. Das Ansehen der Schweiz in Deutschland und auch in Europa wird auf das schwerste beschädigt.

    Meurer: Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuergewerkschaft zu den Vorwürfen gegen die Schweizer Bank Crédit Suisse. Die Fragen stellte Jürgen Liminski.

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