Freitag, 29. März 2024

Archiv


"Die Sicherheit steht an oberster Stelle"

Der Journalist Jörg Biesler hält den Siegerentwurf für das neue Historische Archiv in Köln für gelungen. Das eigentliche Archiv sei in einem inneren Kubus von Werkstätten, Lesesälen und Büros getrennt. Das erhöhe die Sicherheit - darauf habe man in Köln großen Wert gelegt.

Jörg Biesler im Gespräch mit Dina Netz | 20.06.2011
    Dina Netz: Am 3. März 2009 tat sich in Köln die Erde auf, verschluckte ein großes vierstöckiges Gebäude und riss einige angrenzende mit. Eine Szene wie aus einem Horrorfilm wurde Wirklichkeit. Zwei Menschen starben und der Inhalt des Gebäudes wurde verschüttet; der war leider das Gedächtnis der Stadt, das Historische Archiv Kölns. Fast 30 Regalkilometer Schriftgut stürzten in die Grube, Urkunden, Nachlässe, Sammlungen. Sofort setzte die Klärung der Schuldfrage ein, denn na so was: Unter dem Historischen Stadtarchiv wird eine U-Bahn gebaut. Die Klärung der Verantwortlichkeit scheint aber genauso lange zu dauern wie die Restaurierung der geborgenen Archivalien. Nicht ganz so lange hat es gedauert, einen Wettbewerb für einen Neubau an einem anderen Standort auszuloben, der bis 2015 fertig sein soll. Gestern hat die Jury den Siegerentwurf aus 40 eingereichten vorgestellt; das Büro Waechter & Waechter Architekten aus Darmstadt wird ihn bauen, 86 Millionen Euro soll er kosten. - Jörg Biesler, wie wird das neue Historische Archiv aussehen?

    Jörg Biesler: Es werden zwei Gebäudeteile sein. Es gibt einen Riegel, der das Grundstück ganz umschließt - es sind ungefähr 150 Meter Länge und 40 Meter Breite -, vierstöckig, und im Inneren dann, zwischen zwei Innenhöfe gestellt, der große Kubus, in dem die Archivbestände aufbewahrt werden. Das heißt, man hat eine funktionale Trennung. Der innere Kubus ist sieben Stockwerke hoch, außen herum vier Stockwerke, die kann man also auch erkennen, das sieht man. Der Kubus ist komplett geschlossen und die Riegelbebauung darum herum, wo die Lesesäle drin sind, wo die Büros drin sind, wo die Werkstätten drin sind, der ist eben durch Fenster geöffnet, und beide haben aber von außen – das sieht also etwas edel aus – so einen bronzefarbenen Metallton.

    Netz: Warum genau hat sich die Jury für diesen Entwurf von Wächter & Wächter entschieden?

    Biesler: Es gab viele verschiedene Anforderungen natürlich bei so einem Archivbau. Die Sicherheit steht an oberster Stelle. Man behauptet, in Köln das sicherste Archiv Europas jetzt zu bauen. Warum man nicht gleich das sicherste der Welt baut, ist mir nicht ganz klar. Aber es soll natürlich sehr sicher sein, damit so etwas sich nicht wiederholt, dass die Archivbestände da in Gefahr geraten. Deswegen dieser innere abgeschlossene Riegel. Und man braucht aber natürlich auch angenehme Benutzungsräume, man braucht Licht, und deswegen diese Randbebauung darum herum, wo die Lesesäle drin sind. Carlo Weber, der Jury-Vorsitzende, hat mir erklärt, warum es jetzt gerade dieser Entwurf geworden ist.

    O-Ton Carlo Weber: Man muss einen finden, der möglichst alles gut macht, und es ist ein Klassiker. Es ist ja ein tiefes Gebäude mit Innenhöfen, ist ein Klassiker, weil es sehr gute Arbeitsbereiche bietet. Die dunklen Innenflure gibt es nur da, wo es unbedingt nötig ist. Man kann immer wieder ins Freie gucken. Und es ist als Zweites ein Klassiker, dass der Archivblock das Gebäude zu einem Archivbau erklärt.

    Biesler: Also ein Kompromiss aus vielen Dingen, die da eine Rolle spielten. Energieeffizienz spielt dann auch noch eine Rolle, eben die Sicherheit, die gute Benutzbarkeit und das Aussehen natürlich nach außen auch. Die Architekten haben selber gesagt, wir stellen sozusagen in die Mitte ein Schatzkästlein, und das hat der Jury offenbar auch sehr gut gefallen.

    Netz: Die Jury hat nicht nur gesagt, das sicherste Archiv Europas werde entstehen, sondern auch das modernste. Trifft das denn zu?

    Biesler: Es ist sicherlich ein moderner Bau. Es ist ein Bau, der sich gut benutzen lassen wird, der den Nutzern alles bietet, was sie brauchen. Wir haben auch alle Werkstätten, die wir brauchen. Sie haben ja gerade schon gesagt, die Restaurierung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, mit 30 Jahren rechnet man insgesamt, denn eigentlich jedes Archivstück aus diesem Archiv ist irgendwie beschädigt worden: zerrissen, gedrückt, verwässert, es gibt die verschiedensten Schadenbilder, und deswegen braucht man auch eine ganze Reihe von Werkstätten.
    Diesen Entwurf wiederum hat man vorgezogen anderen Entwürfen, die vielleicht auch attraktiv gewesen wären, wie zum Beispiel dem von Gottfried Böhme – ein Kölner Architekt, Urgestein sozusagen, über 90-jährig mittlerweile -, aber der hat die Werkstätten über die Archivräume gesetzt, und da hat man zum Beispiel die Gefahr gesehen, dass dann vielleicht doch Wasser aus diesen Werkstätten irgendwann ins Archiv durchläuft, wenn es mal ein Unglück gibt. Hier ist jetzt beides ganz voneinander getrennt, und das ist im Grunde das modernste und aktuellste und sicherste, was man machen kann, und darauf hat man sehr viel Wert gelegt.

    Netz: Das klingt nach einer recht pragmatischen Entscheidung. Hätten Sie denn einen anderen Entwurf favorisiert?

    Biesler: Es ist eine pragmatische Entscheidung, ich halte sie trotzdem für eine gute. Es gibt einen attraktiven Entwurf, der auch mit dem zweiten Preis bedacht wurde, nämlich von dem Berliner Architekten Nieto Sobejano Arquite. Das ist aber wirklich ein Solitär, ein geschwungenes Gebäude mit einer ganz reizvollen Fassade, die so hölzern aussieht, mit rund eingeschnittenen Innenhöfen, die auch die Arbeitsbereiche dann bergen sollten. Das sieht sehr schön aus, aber zurecht hat die Jury gesagt, wir möchten ganz gerne, dass man die Trennung dieser Bereiche auch ablesen kann außen am Gebäude - das konnte man dort nicht -, und zum anderen, wir wollen auch eine mögliche Erweiterbarkeit. Das ist bei einem solchen Solitär, der so geschwungen ist, natürlich nur sehr schwierig möglich, da noch ein Gebäude danebenzustellen, das dann irgendwie damit korrespondiert. Hier hat man eine Kompromisslösung, aber eine sehr gute, sehr solide.

    Netz: Findet Jörg Biesler, der den Entwurf für das neue Historische Archiv der Stadt Köln begutachtete.
    Bücher liegen unter der eingestürzten Hauswand des Historischen Kölner Stadtarchivs.
    Bücher liegen unter der eingestürzten Hauswand des Historischen Kölner Stadtarchivs. (AP)