Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Die SPD sucht nicht den Superstar"

Über die K-Frage will die SPD auf ihrem Parteitag, der am Sonntag in Berlin beginnt, nicht entscheiden. Denn mit einem Wahlprogramm könne die SPD mehr Leute gewinnen als mit einer unendlichen Kandidatendebatte, meint die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Andrea Nahles im Gespräch mit Christian Bremkamp | 03.12.2011
    Christian Bremkamp: Am Telefon begrüße ich jetzt Andrea Nahles, die Generalsekretärin der SPD. Guten Morgen, Frau Nahles!

    Andrea Nahles: Guten Morgen, Herr Bremkamp!

    Bremkamp: Ein Parteitag sei keine Castingshow, meint der Fraktionsvorsitzende, was sagt die Generalsekretärin?

    Nahles: Ja, die SPD sucht nicht den Superstar.

    Bremkamp: Weil?

    Nahles: Weil wir mit einem Wahlprogramm, was nächstes Jahr erst mal auf der Tagesordnung steht, wahrscheinlich mehr Leute gewinnen als mit einer unendlichen Kandidatendebatte. Wir haben drei gute Kandidaten, wir müssen gar keine suchen, aber entscheiden tun wir uns erst Ende 2012. Es ist doch nicht sinnvoll, dass man zwei Jahre vor der Bundestagswahl jetzt schon den Wahlkampf einläutet.

    Bremkamp: Aber die Dramaturgie dieses Parteitages lässt doch etwas anderes vermuten. Drei Tage, drei Reden, drei Alphatiere, und dann schaut auch noch Altkanzler Helmut Schmidt vorbei, der sich ja bekanntlich stark für Peer Steinbrück einsetzt.

    Nahles: Ja, aber es ist doch so, dass wir diese Entscheidung auf diesem Parteitag nicht treffen und dass der Fraktionsvorsitzende und der Parteivorsitzende, um mal von zweien der Redner, die Sie erwähnt haben, zu sprechen, reden auf einem Parteitag, ist mehr als normal, und unser ausgewiesenster Finanzexperte das Steuerkonzept vorschlägt. Ist doch gut für die SPD, dass wir kompetente Leute haben, die übrigens auch bei den Umfragen weit vorne liegen. Die sollten wir doch jetzt nicht untern Tisch also irgendwie verstecken, sondern mit diesen Leuten wollen wir natürlich wuchern, das ist doch ganz klar. Und von daher ist das auch nichts Besonderes, aber es wird eben auch noch nicht die Kanzlerkandidatur entschieden.

    Bremkamp: Wer hat denn dann Helmut Schmidt eingeladen?

    Nahles: Alle. Das ist eine große Ehre für uns, dass er das … das ist auch wirklich für ihn eine Besonderheit, er war viele Jahre … seit 98 hat er nicht mehr geredet vor einem SPD-Parteitag, er war 2003 dann noch mal da, aber das ist natürlich für uns eine große Ehre. Und mit Verlaub, wir freuen uns auch drauf.

    Bremkamp: Die Antwort auf die K-Frage, wenn nicht auf diesem Parteitag, dann aber vielleicht doch im Anschluss. Ihr Parteifreund Nils Schmid, Vize-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, macht sich ganz aktuell für eine Vorwahl des Kanzlerkandidaten stark, nach französischem Vorbild. Eine reizvolle Idee?

    Nahles: Ich bezweifle, dass wir das kopieren können, was die französischen Sozialisten – François Hollande ist übrigens auch Gast bei uns am Montag – erfolgreich umgesetzt haben, die hatten ja 3,5 Millionen Menschen, die sich daran beteiligt haben. Nur, es war eine zerstrittene Partei, die auf diesem Weg zu neuer Geschlossenheit gefunden hat. Wir sind geschlossen, wir haben Kandidaten, die geeignet sind, ich glaube nicht, dass wir eine Vorwahl brauchen, ich denke, wir werden uns verständigen auf einen. Ich glaube, auch in Deutschland ist es ein anderes System, wir haben kein Präsidialsystem, sondern am Ende müssen wir als Partei, als sozialdemokratische Partei die Nase vor der CDU haben, darum geht es. Also man kann es wirklich mit Bewunderung sehen, was die Sozialisten in Frankreich gemacht haben, aber ob es wahrscheinlich ist, dass wir das auch machen, das glaube ich eher nicht.

    Bremkamp: Steinmeier, Steinbrück, Gabriel, Schmidt, Schmid und dann auch noch Hollande – wo bleiben eigentlich die Frauen in der SPD?

    Nahles: Hannelore Kraft eröffnet den Parteitag, ich werde die Parteireform einleiten. Ich denke, das ist auch ein sehr wichtiges Thema auf diesem Parteitag. Wir haben uns damit im letzten Jahr intensiv beschäftigt, und selbstverständlich kommen auch andere Frauen zu Wort, wie Manuela Schwesig zum Beispiel. Und wir haben ja auch die Situation, dass wir in den letzten Jahren insbesondere an der Spitze auch mit einer Ministerpräsidentin ganz vorne für die Frauen ein Zeichen gesetzt haben, und deswegen machen Sie sich mal keine Gedanken, die Frauen lassen sich da schon zu Wort kommen.

    Bremkamp: Wann rückt denn beispielsweise Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, in die Riege der möglichen, der potenziellen Kanzlerkandidaten?

    Nahles: Fragen Sie doch mal Hannelore Kraft, ob sie das überhaupt will. Die hat doch, glaube ich, mit Nordrhein-Westfalen schon einiges zu tun, und trotzdem, ich würde sie auch wirklich in die Topriege unserer Spitzenleute einreihen.

    Bremkamp: Frau Nahles, lassen wir die K-Frage mal K-Frage sein, im Raum stehen Forderungen der Parteilinken, die ebenfalls ein Garant für Spannungen sein dürften: Anhebung des Spitzensteuersatzes, Einführung einer Vermögenssteuer, Festschreibung des Rentenniveaus. Probt ein Teil der Partei hier die Rolle rückwärts – Sie haben ja eben noch von Geschlossenheit gesprochen?

    Nahles: Also klar, es gibt Diskussionen, und klar, einige wollen über das hinausgehen, was die Parteiführung und der Parteivorstand vorgeschlagen haben, es sind aber durchaus wichtige Anliegen. Beispielsweise bei der Rente, da unterstelle ich zum Beispiel Ottmar Schreiner, dass es ihm wirklich um die Sache geht. Er will Armut, Altersarmut vermeiden. Das will ich auch. Die Frage, die wir zu diskutieren haben, ist, wie macht man das, und ich glaube, das ist eine ehrenwerte Debatte für eine sozialdemokratische Partei. Allerdings bin ich der Auffassung, dass das, was er vorschlägt, so nicht geht, trotzdem, das Anliegen teile ich, und deswegen schlagen wir auch an der Stelle vor, dass wir uns noch ein halbes Jahr Zeit geben, um eben einen Konsens zu finden. Bei der Steuer bin ich der Meinung, dass wir ein in sich schlüssiges Steuerkonzept haben, 49 Prozent, Vermögenssteuer wieder einführen und Finanztransaktionssteuer, auch übrigens ein sehr wichtiger Punkt, der gerne vergessen wird. Wir wollen auch das Ehegattensplitting in eine Individualbesteuerung für Mann und Frau umswitchen, das bedeutet, dass wir das natürlich mit einiger Zeit machen, also nicht einfach von heute auf morgen, aber das ist auch ein sehr wichtiger Punkt. Und das ist in sich schlüssig, und dafür wird auch Andrea Nahles, andere in der Parteiführung kämpfen, und da habe ich auch gutes Gefühl, dass wir das am Ende mehrheitlich bestätigt bekommen.

    Bremkamp: Zurück zu Steuer: Sind solche Forderungen denn überhaupt vertretbar in Zeiten von Euro und Schuldenkrise? Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist da schon in Aufruhr, warnt, diese Steuerpläne stellen eine dramatische Steuererhöhung zulasten von Wachstum und Arbeitsplätzen dar.

    Nahles: Da muss ich wirklich an mich halten. Wir haben eine Situation, wo wir Riesenschulden machen mussten, 26 Milliarden Neuverschuldung, weil eben auch diejenigen, die eigentlich Verursacher dieser ganzen Krise sind, die Banken, Hilfe brauchten und jetzt wieder große Boni auszahlen. Ich denke, dass die Stärkeren, die, die wirklich auch Vermögen haben, die wirklich hohe Einkommen haben, auch stärker belastet werden müssen, wenn es darum geht, diese Krisenfolgen zu bewältigen. Und das ist gerecht. Und alles andere ist, ehrlich gesagt, aus meiner Sicht überhaupt nicht auf der Tagesordnung. Steuersenkungen, wie es die jetzige Bundesregierung vorschlägt, halte ich für unverantwortlich.

    Bremkamp: Aber worauf müssen sich die Wähler jetzt einstellen, nach diesem Parteitag? Drängt es die Partei, die SPD, doch wieder ein bisschen mehr in Richtung links?

    Nahles: Wir schärfen unser soziales Profil, wir haben da auch, wo es nötig war, Korrekturen gemacht, aber wir stehen vor allem dafür, dass wir unser Land mit Maß und Mittel wirklich auch regieren können, dass wir solide Vorschläge machen, dass wir die Haushaltskonsolidierung als Priorität eins haben, aber auch Investitionen in Bildung und mehr Mittel für die Kommunen. Das ist in sich ein geschlossenes, ein schlüssiges Konzept. Und ich glaube nicht, dass wir einseitig da links uns aufstellen, sondern dass wir wieder ankommen bei den Alltagssorgen der Menschen. Da hatten die uns auch ein klares Signal gegeben, dass wir uns zu weit entfernt hatten, 2009 mit 23 Prozent.

    Bremkamp: Und dann hoffen, auch in den Umfragen wieder etwas aufzusteigen, etwas mehr als 25 Prozent zu bekommen?

    Nahles: Na ja, wir liegen jetzt schon deutlich über 25 Prozent, wir haben jetzt um die 30 Prozent in den letzten Monaten immer wieder gelegen in den Umfragen. Das reicht noch nicht, aber wenn man das vergleicht mit der Situation vor zwei Jahren, bin ich sehr zufrieden. Aber ausruhen gilt nicht, wir müssen noch ordentlich in die Hände spucken.

    Bremkamp: Die SPD läuft sich warm für ihre morgen beginnende Bundesparteitag. Im Gespräch war das Andrea Nahles, die Generalsekretärin der Partei. Frau Nahles, ich danke Ihnen!

    Nahles: Ja, danke auch!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.