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Die Stimme des Tangos

Der Tangosänger Carlos Gardel gehört zu den argentinischen Ikonen: In den 20er- und 30er-Jahren Jahren trug er den Tango aus Buenos Aires in die Welt hinaus. Längst ist Gardel zum Mythos geworden, auch durch seinen frühen Tod: Vor 75 Jahren starb Carlos Gardel - vermutlich Mitte 40 - bei einem Flugzeugunglück in Kolumbien.

Von Victoria Eglau | 24.06.2010
    "Liebe Freunde Lateinamerikas, meiner Heimat und meiner Rasse."

    März 1935. In einem New Yorker Studio nimmt der argentinische Tango-Sänger Carlos Gardel eine Werbebotschaft für seine Fans auf:

    "Ich habe gerade zwei Filme abgeschlossen. Jetzt werde ich mich auf Tournee begeben: durch Puerto Rico, Venezuela, Kolumbien, Panama, Kuba und Mexiko. Danach werde ich auch andere spanischsprachige Länder besuchen. Hoffentlich kann ich Sie bald persönlich begrüßen."

    Es ist Carlos Gardels erste Lateinamerika-Tournee, nachdem er mehrfach in Spanien und Frankreich aufgetreten ist und in den USA eine Reihe von Musikfilmen für den spanischsprachigen Markt gedreht hat. Der Sänger ist auf dem Gipfel seines Ruhms. Seine melancholisch-nostalgischen Tangos laufen überall im Radio, und finden, auf Schallplatten gepresst, reißenden Absatz. Kein Argentinier ist damals so berühmt wie Gardel, der als unehelich geborenes Einwandererkind ins Land gekommen war.

    "Carlos Gardel wuchs Ende des 19. Jahrhunderts in Buenos Aires auf, einer Stadt, die viele Immigranten anzog. Seine Kindheit war von Armut geprägt. Die alleinstehende Mutter verdiente ihren Lebensunterhalt mit Bügeln."

    Oscar del Priore, Gardel-Biograf. Das genaue Geburtsdatum des Sängers ist nicht bekannt, und bis heute gibt es Streit darüber, ob er in Frankreich oder Uruguay auf die Welt kam.

    Sein außergewöhnliches Talent ebnet Carlos Gardel den Weg aus dem Elend. Als junger Mann singt er in den Kneipen des Marktviertels Abasto, bei privaten Festen und politischen Versammlungen. Mit seinem Freund José Razzano gründet er 1911 ein erfolgreiches Folklore-Duo. Das bekannte Cabaret Armenonville nimmt sie unter Vertrag, und schließlich treten sie in den großen Theatern von Buenos Aires auf. Nach und nach wendet sich Gardel dem Tango zu, und 1917 nimmt er das Lied "Mi Noche Triste auf: Meine traurige Nacht".

    "Der Tangogesang, der meist von enttäuschter Liebe handelte, war ein neues Genre. Mi Noche Triste von Carlos Gardel war das erste Tangolied. Er ist der Schöpfer des Tangogesangs: des tango canción."

    1925 beginnt Gardel seine Solokarriere. Er und der Tangogesang werden gemeinsam berühmt. Aus der Musik, die ihre Wurzeln in den armen Vorstädten von Buenos Aires hat, wird ein Exportschlager. Und weil der gesungene Tango in Paris und Madrid Erfolge feiert, wird er auch bei Argentiniens Oberschicht salonfähig. Nicht nur mit seiner schmelzenden Stimme, auch mit seinem strahlenden Lächeln erobert Carlos Gardel das Publikum. Zu seinem Erfolg trägt auch sein Fleiß bei: Mehr als fünfhundert Tangolieder nimmt Gardel auf, viele davon hat er selbst komponiert. Biograf Oscar del Priore:

    "Gardel war bereits zu Lebzeiten ein Mythos. Noch nie war ein Argentinier zu solchem Ruhm gelangt und sogar im Kino zu sehen. Gardel triumphierte in US-amerikanischen Filmen, reiste um die Welt und spielte Platten ein. Dafür wurde er in Argentinien bewundert. Mit seinem tragischen Tod auf dem Höhepunkt seiner Karriere schloss sich der Kreis."

    Am 24. Juni 1935, während seiner Lateinamerika-Tournee, legt Carlos Gardel einen Zwischenstopp in der kolumbianischen Stadt Medellín ein. Auf der Landebahn kollidiert sein Flugzeug mit einem anderen. Gardel stirbt in Medellín, wo er bis heute verehrt wird - genau wie in seiner Heimatstadt Buenos Aires. Mariana Medrano vom Carlos-Gardel-Museum:

    "Egal, wo man hinkommt, gibt es ein Foto von Gardel, ein Bild oder ein Lied. Und viele argentinische Künstler haben ihm Musik gewidmet, oder seine Lieder gesungen. Carlos Gardel ist immer noch eine sehr wichtige argentinische Ikone."