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Die Sucht nach Anerkennung

Macht und Narzissmus erscheinen wie siamesische Zwillinge der modernen Gesellschaft. Ungezügelte Selbstbezogenheit, Karrierebesessenheit und Größenfantasien ebnen der narzisstisch gestörten Persönlichkeit den Weg in die Schaltzentralen der Macht. Doch ab wann verwandelt sich Führungsstärke in Größenwahn und wer ist anfällig dafür? Auf der Suche nach Antworten erforschen Psychologen die Ursachen dieser Persönlichkeitsstörung.

Von Dörte Hinrichs und Hans Rubinich | 01.09.2005
    "Ich habe mal zu meiner Mutter gesagt, ich werde mal groß rauskommen, ich werde mal Moderator und ich könnte mir vorstellen, diesen Thomas Gottschalk-Job mal zu übernehmen, denn das würde mir Spaß machen so die Leute und die Bänke dann zu füllen, um dann mit den Leuten Interviews zu haben. Einfach da so ein bisschen meine Stärken auszunutzen, denn überall wo ich bin, ist es lustig und irgendwie macht es Spaß dann mit Menschen zusammen zu sein."

    "Ich könnte mir auch vorstellen, schon in die Politik zu gehen, da dann schon was zu erreichen, würde mir schon genügen. Im Landtag zu sitzen und dort dann halt auch mit zu politisieren oder dementsprechend schon sagen, dass ich da schon was Größeres werden kann."

    Ich bin ein Mensch, der alles was er macht, exzessiv macht.
    Joschka Fischer

    Macht finde ich attraktiv.
    Helmut Kohl

    Macht ist das stärkste Aphrodisiakum.
    Henry Kissinger.

    Macht fasziniert. Wer sie ausübt, wird oft bewundert oder verteufelt. Macht ist weder gut noch böse. Und für einige ungemein verführerisch.

    "Wenn man beispielsweise an Politiker wie Schröder, oder auch Lafontaine oder auch an Joschka Fischer denkt - also die haben alle eine Freude, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren und insofern zeigen sie eine Form von Narzissmus, die man nicht abwerten sollte."
    So Dr. Hans-Jürgen Wirth, Diplom-Psychologe in Gießen und Privatdozent an der Universität Bremen. Er befasst sich mit der Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik. Mit Menschen, die sich an ihrer Macht berauschen, die eitel sind und nur auf sich bezogen - also narzisstisch sind.

    Sie wollen im Rampenlicht stehen und von jedem gesehen werden. Sie sind schillernde Persönlichkeiten, solange die Scheinwerfer auf sie gerichtet sind. Überspannen sie allerdings den Bogen und sind geblendet von sich selbst, verschließen sie die Augen vor der Wirklichkeit.

    So erkennen einige Politiker zu spät, wie nah sie bereits am Abgrund stehen. Das hat der Fall des ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Uwe Barschel gezeigt.

    Dr. Hans-Jürgen Wirth:
    "Barschel hatte sich in eine ausweglose Situation hinein manövriert, in der er schließlich so in die Enge getrieben war, dass er nur noch einen totalen Gesichtsverlust vor sich sah und dann nur noch den Ausweg sah, sich selbst das Leben zu nehmen."

    Dr. Claas-Hinrich Lammers:
    "Diese Menschen sind in dem Augenblick, wo ihnen von außen keine Bewunderung mehr entgegengebracht wird, keine Beachtung, knicken die im wahrsten Sinne des Wortes wirklich ein und fühlen sich wertlos, minderwertig und haben extrem starke Schamgefühle. Und das ist wohl ein Mechanismus der in der frühen Kindheit und Entwicklung entsteht, dass diese Menschen nicht über ein ausreichendes Selbstbewusstsein verfügen, und das versuchen zu kompensieren, also auszugleichen, indem sie nach außen extrem aggressiv selbstbewusst auftreten,"

    ... konstatiert Dr. Claas-Hinrich Lammers, Privatdozent und Psychiater an der Berliner Charité. Er behandelt unter anderem Personen mit einer narzistischen Persönlichkeitsstörung - wenn diese aufgrund einer Krise eines Tages den Weg in die Therapie finden. Ein gewisser Grad an Narzissmus gehört zu einer stabilen Persönlichkeit, es kommt auf die Ausprägung an, ob es sich um eine krankhafte Form handelt:
    "Das heißt, Sie haben auf der einen Seite jemanden, der etwas selbstbewusst ist, erfolgsorientiert ist, wo man nicht sagen kann, das ist ein Narzisst. Man kann sagen, der hat sehr selbstbewusste Tendenzen und beschäftigt sich wenig mit seinen Mitmenschen sondern eher mit sich selbst."

    "Dann haben Sie jemanden auf der Mitte, der zum Beispiel schon sehr aggressiv ist, andere Leute sehr stark herabwürdigt, wenig Empathie, also Mitgefühl für andere Menschen, hat und im Grunde genommen sich ständig in Größenphantasien ergeht, was er im Leben noch alles erreichen könnte. Und auch der ist noch kein Mensch mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung."

    "Am anderen Ende haben Sie jemanden, der schon seit Jahren - ich schildere jetzt mal einen kranken Narzissten - keinen Beruf mehr hat, die allergrößten Ideen hat, wie wichtig er ist, was für bedeutende Gedanken er eigentlich hat, was für bedeutende Projekte er eigentlich machen könnte, der keine Beziehung hat, weil er nicht mehr erträglich ist für seine Umgebung, und der immer wieder schwere depressive Einbrüche hat. Das ganze ist ein Kontinuum, es gibt keine ganz starre Abgrenzung."

    Es ist die grandiose Selbstgewissheit des Ich, von der Narzissten beherrscht werden. Menschen mit einer stark narzisstischen Ausprägung begeben sich erst dann in eine Therapie, wenn bei Ihnen die Fassade der Selbstberauschung zusammenbricht. Diplom-Psychologe Ully Plank:

    "Bei dem Narzissten sieht die Welt so aus: Ich bin der Tollste, ich bin der Beste, ich kann alles und mir gelingt auch alles. Aber irgendwann wird er mit dieser Haltung scheitern, sei es im Beruf, sei es im Privatleben, dass zum Beispiel die Ehefrau sagt, na ja, neben so einem tollen Mann kann ich, will ich nicht mehr existieren, ich habe da keinen Platz und sich dann trennen möchte. Dann kommt das große Erstaunen, dann kommt eine große Krise."

    Oft schwimmen die Betroffenen jahrelang auf der Welle des Erfolgs. Sie sind vom Ehrgeiz getrieben und genießen die Macht ihrer beruflichen Position, die sie nicht zuletzt ihrem Narzissmus zu verdanken haben. Und die dem Narzissmus neue Nahrung gibt.

    Bei den Kollegen und manchmal auch in ihren Beziehungen sind sie nicht selten mehr gefürchtet als geliebt. Was nach außen wie ein Übermaß an Selbstliebe aussieht, ist oft das genaue Gegenteil, wie der Pädagoge und Psychotherapeut Heinz Peter Röhr einräumt:

    Ist ein Mensch in der Fähigkeit, sich selbst zu lieben, extrem gestört, dann führt es in diese so genannte narzisstische Persönlichkeits-Störung. Diese Störung entwickelt sich früh und führt diese Menschen in eine Isolation. Sie spalten ihre Gefühle ab. Sie fühlen sich kalt. Sie fühlen sich neidisch. Und so weiche Gefühle können sie kaum entwickeln.

    "Narzissmus. Das innere Gefängnis" heißt der Titel seines Buches, in dem sich Röhr auch mit der Entstehungsgeschichte, den Ursachen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung auseinandersetzt. In ihrer frühen Entwicklung haben die Betroffenen oft zu wenig wirkliche Liebe erfahren. Sie versuchen dann, dieses Defizit auf unterschiedliche Weise auszugleichen, ohne von ihrem Drama erlöst zu werden. Dieses Drama wirklich zu fühlen versuchen sie unbewusst oder bewusst zu vermeiden, so lange ihr Narzissmus befriedigt wird. Es ist der Dämon der Macht, der diesen fördert, und von dem so viele Menschen getrieben sind, wie Friedrich Nietzsche 1881 erkannte:

    Der Dämon der Macht - Nicht die Notdurft, nicht die Begierde - nein, die Liebe zur Macht ist der Dämon der Menschen. Man gebe ihnen alles: Gesundheit, Nahrung, Wohnung, Unterhaltung - sie sind und bleiben unglücklich und grillig: Denn der Dämon wartet und wartet und will befriedigt sein. Man nehme ihnen alles und befriedigen diesen: So sind sie beinahe glücklich - so glücklich, als eben Menschen und Dämonen sein können.

    Wichtige Symptome der narzisstischen Störung sind heute oft unvermeidlich in der westlichen Welt, um die Karriereleiter hochzuklettern oder auch nur den Arbeitsplatz zu erhalten.

    Wirth:
    "Der amerikanische Psychoanalytiker Christopher Lasch hat vom Zeitalter des Narzissmus gesprochen, und es gibt eine ganze Reihe von Autoren, die eben eine Zunahme narzisstischer Störungen in der modernen Gesellschaft postulieren. Es geht in unserer Gesellschaft mehr darum, wie man sich behaupten kann, wie man sich durchsetzt, wie man sich darstellt."

    Doch überall dort, wo Menschen Machtpositionen inne haben, besteht auch die potentielle Gefahr, dass sie diese ganz ungehindert ausüben im Dienste ganz privater narzisstischer Bedürfnisse.

    Lammers:
    "Das heißt, solange ich Macht über andere ausüben kann, habe ich ein gewisses Bedeutungserleben, das heißt, dass ich wichtig bin. Ich kann die anderen auch in Schach halten, das heißt ich muss mich nicht der Kritik und dem prüfenden Blick der anderen aussetzen. Und gleichzeitig hat Macht auch so etwas Aggressives, das heißt es ist eine extrem gute Form, um sich von anderen Menschen abzugrenzen, die sich gewissermaßen vom Leib zu halten. Das Problem bei Narzissten mit der Macht ist bloß, dass sie dazu neigen ihre Macht zu missbrauchen."

    Das zeigen in ihrer extremsten Form die mit ungeheuren Machtmitteln ausgestatteten Despoten der Geschichte: von Cäsar über Napoleon bis hin zu Hitler. Macht und Narzissmus sind wie siamesische Zwillinge, schreibt Hans-Jürgen Wirth in seinem Buch "Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik".

    Wirth:
    "Im Grunde ist jeder Mensch darauf angewiesen, dass er von anderen seinen Wert zurückgespiegelt bekommt. Das ist also auch gar nichts Pathologisches. Auch Narzissmus ist nichts Pathologisches, sondern wir alle haben ein Selbstwertgefühl und müssen es ständig behaupten, und wieder neu gewinnen, aufbauen. Und dazu ist auch die Reaktion und die Anerkennung, die wir von anderen bekommen, sehr wichtig. Nun kann dieser Prozess aber entgleiten und man kann seine Macht, seinen Einfluss benutzen, um andere aufgrund der Macht zu veranlassen oder gar zu zwingen Anerkennung zu zollen. Und insofern hängen Macht und Narzissmus sehr eng zusammen."
    Die Popkultur, der Leistungssport, die Medienszene und besonders die Politik sind ideale Bühnen für die Befriedigung narzisstischer Bedürfnisse. Aus der Suche nach Anerkennung, die in eine machtvolle Position mündet, kann dann leicht eine Sucht nach Anerkennung werden:

    Wirth:
    "Helmut Kohl wäre ein Beispiel dafür, dass der sein Selbstwertgefühl sehr stark mit Macht verknüpft hat. Und er hatte dann insbesondere das Problem, die Macht loszulassen. Und hat entgegen den Ratschlägen seiner Parteifreunde noch ein letztes Mal kandidiert, obwohl eigentlich für alle abzusehen war, dass er die Wahl nicht mehr würde gewinnen können. Und hier war also das eigene narzisstische Bestreben an der Macht zu bleiben größer als die politische Einsicht abzutreten."

    "Die Gefahr ist, dass Narzissten als Berater nur Ja-Sager und Bewunderer und Speichellecker um sich herum scharen. Und dann fehlt ihnen eben die kritische Resonanz, die jeder braucht, der in so einer herausgehobenen Position ist."

    Röhr:
    "Diese Menschen können Erfolge nicht integrieren. Die werden nicht satt. Es ist auch so, wenn sie auch positiv etwas erarbeitet haben, so, als würde das durchfallen. So wie durch ein Sieb. Und so bleiben sie ewig hungrig, ewig voller Groll und voller Selbsthass und haben nur eine Möglichkeit durch die Zufuhr von erneuter Anerkennung das erarbeiten zu wollen."

    Ein Phänomen, das Männer insofern stärker betrifft als Frauen, da sie häufiger in Machtpositionen sind. Die männliche Sozialisation ist da oft ein Wegbereiter für narzisstische Tendenzen, so der Psychiater Claas-Hinrich Lammers:
    "Für Männer ist es viel mehr in der Erziehung begründet, dass die nach außen aggressiv, selbstbewusst auftreten. Das ist häufig in der Erziehung schon angelegt, dass diese Verhaltensweisen gefördert werden. Bei Frauen hat man häufig dieses Phänomen, dass die ihren Ärger oder Wut nach innen richten. Frauen neigen dazu, dieses mangelnde Selbstwertgefühl eher gegen sich selbst zu richten, also diese Aggression, und dann entwickelt sich eher die sogenannte Borderline-Störung. Wo die Frauen wirklich unter extremen Selbsthass leiden."

    Mangelndes Selbstwertgefühl kann sich in ganz unterschiedlichem Verhalten ausdrücken. Auch können Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung manchmal weit auseinander liegen. Ein Klient in verhaltenstherapeutischer Behandlung, der als Filialleiter eines Discountgeschäftes arbeitet, glaubt zum Beispiel eines Tages in die Fußstapfen von Thomas Gottschalk zu treten.

    "Vielleicht komme ich irgendwann mal groß raus. Ich glaube die Gesellschaft und die Umwelt nimmt mich noch nicht so recht wahr."

    Der Held sein, der Superstar, der durch die Lüfte fliegt, der kein Abenteuer scheut, dazu neigen Menschen mit narzisstischen Störungen. Sie lieben das Spektakuläre, das Ungewöhnliche. Vor nichts scheinen sie zurückzuschrecken, wie der Psychotherapeut Ully Plank zu berichten weiß.

    "Vielleicht noch eine kleine Anekdote, die nicht mir selbst passiert ist, sondern einer Kollegin, die mir berichtete, dass ein Narzisst zum ersten Gespräch mit dem Hubschrauber kam. Und das ist hier für die ländliche Gegend doch sehr erstaunlich und zwar landete er vor der Stadt auf einer Wiese und kam dann in die Stadt gelaufen, kam zur Therapiestunde, hat brav erzählt, dass er mit dem Hubschrauber da ist, fand das klasse, wollte da natürlich mit beeindrucken. So im Gespräch kam dann heraus, dass er keinen Führerschein hatte, der wurde ihm entzogen wegen Alkohol im Straßenverkehr.

    Der Hubschrauber mit dem Flugbenzin war geliehen von einem reichen Freund von ihm. Also Narzissten haben immer wieder auch eine Nische, haben Freunde, haben Personen, die ihnen weiterhelfen, die ihnen aushelfen. "

    Das kennt auch der Psychologe Heinz-Peter Röhr, der in der Fachklinik Fredeburg für Suchtmittelabhängige mit narzisstisch gestörten Patienten arbeitet. Er kennt ihre Abstürze und blickt hinter die Fassade der Selbstberauschung.

    "Diese Menschen sind schon früh daran interessiert zu glänzen. Etwas ganz Besonderes zu sein, sich selbst darzustellen. Sie sind eventuell arrogant, sie sind kalt, sie kümmern sich nicht um die Gefühle anderer Menschen, sondern sind sehr darauf fixiert, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen."

    Der Grundstein für die narzisstische Störung wird oft schon in der frühen Kindheit gelegt.

    Röhr:
    "Mir fallen da ganz viele Patienten ein, die in der Therapie erarbeiten konnten, dass sie Marionetten waren, dass sie funktionieren mussten wie kleine Roboter, wobei sie den Erwartungen der Eltern perfekt entsprechen mussten. Und für sich selbst wenig Spielraum hatten. So entwickelten sie ein so genanntes "Falsches Selbst": Und wer sie genau beobachtet, diese Menschen, der erkennt, dass sie merkwürdig unecht wirken. Und sich nach außen anders darstellen, als sie sich in Wirklichkeit innerlich fühlen."

    Auch der Psychotherapeut Ully Plank sieht in der Kindheit Ursachen für narzisstische Störungen.

    "Beim Narzissten ist es oft so, dass er auf die Welt kommt und durch irgendeine Fähigkeit, dass er besonders hübsch aussieht, dass er irgendeine Fähigkeit hat, schön zu singen, schön zu malen, gut schauspielern zu können, eine besonders starke Ausprägung und Fähigkeit bekommen hat, für die er eigentlich nichts tun muss. Und dieses "ich muss nichts tun", auch im Hinblick auf die Verwöhnung durch die Eltern oder Großeltern ist eine Gefahr für die Weiterentwicklung, dieses "ich muss nichts tun" und wir alle müssen etwas tun und auch uns einbringen. Und der Narzisst hat so die Erfahrung gemacht sehr früh, ich muss dafür nichts tun."

    Geht ein Narzisst eine Beziehung ein, so spielt er auch dort die dominante Rolle.

    Plank:
    "Das zeigt so ein bisschen, dass der Narzisst gewohnt ist, sein Gegenüber, seine Frau, seine Person neben sich zu vereinnahmen. Bei der abhängigen Persönlichkeitsstörung passt das, geht eine Weile gut, bis es zu Krisen kommt und die unscheinbare Pfauendame irgendwann feststellt, in diesem Windschatten kann ich und will ich nicht immer leben, ich habe auch eine eigene Persönlichkeit und möchte auch nach meinen Wünschen und Bedürfnissen die Beziehung gestalten. Dann wird es schwierig, dann kommt die Krise und dann sehe ich vielleicht den Narzissten hier in meiner Praxis."

    "Das erinnert", schreibt der Psychologe Fritz Riemann, "an die Fabel vom Pfau, der ein einfache Henne heiraten will; auf dem Standesamt drückt die standesbeamtete Krähe ihr Erstaunen darüber aus, dass ein so prächtiger Pfau die unscheinbare Henne ehelichen wolle, worauf er gravitätisch nur sagt: "Ich und meine Frau lieben mich bis zum Wahnsinn!"

    Solange der eine Partner die private Führungsrolle des anderen akzeptiert, kann diese Konstellation oft jahrelang stabil sein.

    Narzisstische Menschen sind nicht nur von sich überzeugt. Sondern sie glauben fest daran, dass andere Menschen sie auch überzeugend finden.

    "Meine Stärke ist, dass ich andere Leute begeistern kann, ich bin so ein bisschen ein Haudruff-Mensch, ich habe sehr viel um mich rum gescharrt, wir machen sehr viel Party immer und haben dann auch immer wieder Spaß."

    "Meine Stärken sind, dass ich zuviel auf Leute eingehe und vielleicht zu wenig Nein sagen kann."

    So zwei Klienten aus der Praxis des Psychotherapeuten Ully Plank. Die beiden Beispiele zeigen: selbst wenn narzisstische Menschen von ihren Schwächen sprechen, meinen sie oft ihre Stärken.

    Sie sind Meister im Schönreden und verstehen es glänzend, anderen Menschen etwas vorzumachen. Selbst wenn ihre eigene Lage bedrohlich erscheint.

    "Ich kenn das gar nicht anders, Schulden zu haben oder irgendwelche finanziellen Schwierigkeiten zu haben durch meine Familie. Und auf uns kam dann die Situation zu, dass alles, was wir mit Geld angefasst haben, kaputtgegangen ist, immer irgendwie schief gegangen ist, also da habe ich ein Händchen dafür."

    Schuld haben meistens nur die anderen. Wer ihnen ihren Hochmut vorwirft oder wer ihre falschen Spiele zu entlarven versucht, der beißt bei ihnen auf Granit. Sie wirken dann kalt und unnahbar. Was der andere nicht weiß: sie sind dann tief verletzt.

    Röhr:
    "Man muss wissen, dass sie extrem kränkbar sind. Narzisstisch gestörte Menschen haben unglaublich sensible Antennen dafür, wenn sie gekränkt werden. Sie fühlen sich so, als würde man ihnen ein Messer im Bauch herumdrehen."

    Diese Erfahrung mit Patienten hat der Berliner Psychiater Claas-Hinrich Lammers auch gemacht.

    "Man weiß ja, dass Narzissten sehr empfindlich auf Kritik reagieren. Wenn man dann genau nachfragt: Stellen Sie sich mal vor, als der Sie kritisiert hat, was war das Allererste, was bei Ihnen passiert ist? Dann kommen die häufig und sagen: Wissen Sie, das erste war, dass ich dachte, jetzt bricht alles zusammen, ich hatte so ein Gefühl von: ich bin überhaupt nichts wert - was natürlich in krassem Widerspruch zu deren Erscheinungsbild steht."

    So sehr sie also nach außen schillernd, unbeschwert auftreten, so sehr leiden sie auch unter ihrer Rolle. Auch wenn sie sich das kaum oder gar nicht eingestehen wollen.

    "Ich vermisse dann schon so die Schulter, an der ich mich mal ausweinen könnte, aber das sind so Sachen, die gehen dann immer ganz schnell wieder weg."

    "Ich habe fast keine Leute mehr zum Sprechen und ich weiß eigentlich gar nicht, wenn ich hierher komme, was ich zuerst erzählen soll, weil mir reicht fast die Stunde gar nicht."

    Gute Freunde und wirklich nahe Partner fehlen den narzisstisch gestörten Menschen häufig. Eine Tatsache, die sie gerne verdrängen, so der Pädagoge und Psychotherapeut Heinz-Peter Röhr:

    "Alkohol füllt diese innere Leere, füllt diese Unzufriedenheit auf und gerade Kokain ist so eine Droge, die perfekt auf Narzissmus antwortet, die also diese Lücke perfekt füllt."

    Und so ist klar, dass sehr viele dieser Menschen suchtkrank werden. Wenn sie so an Bedeutung verlieren, zum Beispiel die Arbeit verlieren oder durch Alter die Arbeit aufgeben müssen und damit ein narzisstisches Betätigungsfeld ausfällt oder fehlt, dann wird aus dem latenten Alkoholismus, der vorher da war, eventuell ein manifester Alkoholismus.

    In die Praxis von Heinz-Peter Röhr, der in einer Suchtklinik arbeitet, kommen vorwiegend Patienten, die aus ihrer Alltagswelt geflüchtet sind. Und die dann zu Drogen gegriffen haben. Ihre Selbstliebe hat sie im schillernden Glanz erscheinen lassen. Doch nur sie selbst wissen, wie einsam sie dabei geblieben sind.

    "Das tiefere Bedürfnis ist im Grunde genommen sich geliebt fühlen zu können. Nur das geht über Anerkennung nicht, es geht nicht durch Macht. Man kann Anerkennung erarbeiten, aber nicht Liebe. Liebe ist immer ein Geschenk. Und diese Menschen haben Angst vor Abhängigkeit. Sie können sich auf nahe Beziehungen nicht einlassen. Weil sie dann in dieses Gefühl zurückrutschen, so abhängig und klein sich zu fühlen. So bedürftig, so etwas darf es nicht geben. Und gerade dieses dahinter liegende Bedürfnis, die Liebesfähigkeit herzustellen, wäre das Eigentliche, was passieren muss in der Therapie."

    Unter welchen Bedingungen welche Menschen eine narzisstische Störung entwickeln und mit welcher Art von Psychotherapie ihnen geholfen werden kann, darüber gibt es bislang kaum wissenschaftliche Erkenntnisse. Das räumt auch der Berliner Privatdozent und Psychiater Claas-Hinrich Lammers ein:

    "Es ist so, dass über Narzissmus als Persönlichkeitseigenschaft, so wie: eher selbstunsicher, oder eher anhänglich oder eher sozial, gibt es doch eine große Anzahl von Studien. Über Persönlichkeitsstörung im Rahmen des Narzissmus, also wirklich über kranke Menschen, die leiden, die auch Probleme in der Arbeit, in der Familie haben, gibt es im Grunde genommen so gut wie keine Studie."

    In ihre Seele lassen sich Menschen mit einer narzisstischen Störung nicht wirklich hineinschauen. Wer ahnt schon, wie sehr sie auch leiden, ja teilweise suizidgefährdet sind. Ganz im Gegenteil. Ihr Glamour, ihr Glanz wird bewundert. Wer denkt da schon an die Abgründe.

    Plank:
    "Es ist die Brillanz, es ist die Grandiosität, es ist ein bisschen so der Charme auch, die Wortgewandtheit, die Faszination, die ausstrahlt und wo man sich wünscht, ja ich möchte auch so sein. Viele Schauspieler sind ja auch in diesem Bereich zu finden, haben ja da auch ihre Qualitäten und die schaut man sich ja auch gerne an und wünscht sich: Ein bisschen möchte ich ja auch so sein wie er oder wie sie!"