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Die Tragödie von Kragujevac

Massenerschießungen hinter den Linien in Polen oder offizielle Schau-Erschießungen in Odessa gehörten zum grausamen deutschen Vernichtungsalltag im Zweiten Weltkrieg. Im Oktober 1941 trug sich eine solche Massenerschießung im serbischen Kargujevac auf dem Balkan zu.

Von Blanka Weber | 27.03.2011
    "Ich weiß, dass die Deutschen, die heute in Deutschland leben, nicht deswegen Schuld sind."

    Ivo Viscovic ist Botschafter der Republik Serbien in Berlin. Zur Ausstellungseröffnung kam er nach Weimar.

    "Verantwortung gibt es als ein Moralproblem. Aber wir wissen das auch wegen unserer Situation in Ex-Jugoslawien und Kriegen in 90er-Jahren, dass das Böse in einigen Menschen liegt, die das tun, nicht in ganzen Völkern."

    Das Böse, um das es hier in der aktuellen Ausstellung – auf dem Gelände des ehemaligen KZ Buchenwald geht – das betrifft allein die deutsche Geschichte:

    Es geht um den größten Wehrmachts-Massenmord an der serbischen Zivilbevölkerung am 21. Oktober 1941. Eine Vergeltungsmaßnahme. Für jeden von den Partisanen verwundeten Deutschen wurden 50, für jeden getöteten 100 Serben erschossen. Als Tragödie von Kragujevac ging dieser Tag in die Geschichte ein.

    Was blieb, sind 62 Personen, die die grausamen Massenerschießungen überlebt haben. Insgesamt starben fast 2800 Menschen, darunter Kinder und Jugendliche.

    42 kleine Briefe, Karten, Zettel sind erhalten – heimliche Botschaften an die Hinterbliebenen:

    "Im Wesentlichen sind das Abschiedsworte. Die Geiseln verabschieden sich von ihren Kindern, Vätern, Müttern und Frauen. Es sind also sehr traurige Inhalte."

    Einst wurde die Zahl von 7000 getöteten Serben genannt. Heute weiß man, es waren knapp 2800.

    "Aber, ich sage immer, ist es nicht genug, dass 20 Leute oder 2 Leute getötet wurden. Braucht man erst eine sehr imposante Nummer. Eine Ziffer von einigen tausend Leuten , das so etwas wirklich ist. Für mich ist das immer wirklich, wenn ein Mann getötet ist",

    sagt der Botschafter der heutigen Republik und findet versöhnliche Worte:

    "Das ist Vergangenheit. Das ist hinter uns. Für uns ist wichtig, dass heute Deutsche genug Mut hatten, mit diesem schrecklichen Teil von der eigenen Geschichte zu konfrontieren. Und das respektieren wir auch."

    Der Direktor der heutigen Gedenkstätte in Kragujevac, Vladimir Jaglicic, widerspricht der Legende, dass Deutsche den Ort nach dem Krieg nicht betreten durften. Heute gebe es Kontakt zu vielen Schulklassen. Auch er findet ausschließlich versöhnliche Worte:

    "Ich beobachte die jungen Leute ganz genau und der wichtigste Eindruck, den ich habe, dass man doch spüren kann, wie erschüttert die jungen Besucher sind, wenn sie diese Bilder sehen."

    Zeitdokumente, Fotos, Schriftstücke der Wehrmacht, Briefe und unzählige Porträts derer, die ermordet worden sind, prägen die Ausstellung – derzeit zu sehen auf dem Ettersberg in Weimar – im ehemaligen Kleiderkammer-Gebäude des Konzentrationslagers.

    Einer, der dieses Lager überlebt hat, ist Ivan Ivanji – serbischer Schriftsteller und Diplomat.

    Man könne keine Ratschläge geben, ob und wie an Verbrechen der Vergangenheit erinnert werden soll, das muss jeder selbst entscheiden:

    "Wie interessiert man daran ist, was die Vorfahren, die Großeltern, die Urgroßeltern getan haben oder unterlassen haben, das ist eine sehr persönliche Entscheidung einer Bevölkerung. Ich sage extra Bevölkerung, nicht eines Volkes. Denn Brecht hat gesagt, er wird nicht mehr Volk sagen, sondern lieber Bevölkerung. Das ist eine Entscheidung von vielen Einzelnen."

    Die Ausstellung in Weimar zur Tragödie von Kragujevac ist bis Ende Mai zu sehen.