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"Die Unabhängigkeit der EZB muss gewährleistet sein"

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will die Europäische Zentralbank in Frankfurt künftig auch als Bankenaufsicht einsetzen. Die Unabhängigkeit der EZB sei gefährdet, monieren Kritiker. Wolf Klinz (FDP) ist jedoch zuversichtlich, dass die geldpolitischen Aufgaben der EZB von den Aufsichtsaufgaben getrennt organisiert würden.

Das Gespräch führte Bettina Klein | 12.09.2012
    Bettina Klein: Wir schauen heute Morgen nicht nur nach Karlsruhe, sondern auch nach Straßburg. Dort wird nämlich am Nachmittag EU-Kommissar Michel Barnier die nicht ganz unumstrittenen Pläne für eine europäische Bankenaufsicht vorstellen. Sie erinnern sich: Schon im Zuge der Finanzkrise, dem Missmanagement und der Fast-Pleite diverser Kreditinstitute galt ein solches Instrument als unverzichtbar. Nun, da es um die Konkretisierung geht, zeigen sich umso deutlicher die Meinungsverschiedenheiten zwischen Staaten, aber auch zwischen Ökonomen.
    Über diese Zweifel wollen wir jetzt sprechen mit Wolf Klinz, FDP-Europaabgeordneter, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Guten Morgen!

    Wolf Klinz: Guten Morgen!

    Klein: Herr Klinz, ist die EZB die richtige Behörde für eine Bankenaufsicht?

    Klinz: Das Europäische Parlament hat ja vor zwei Jahren einen Bericht zu dieser Frage gemacht, unter der Leitung des jetzigen spanischen Außenministers Garcia Margallo, und wir sind damals in der Tat zu dem Schluss gekommen, dass es richtig ist, eine europäische Bankenaufsicht in Frankfurt anzusiedeln. Wir haben nicht gesagt, sie sollte unmittelbar Teil der EZB sein, weil es da möglicherweise Interessenskonflikte geben könnte, aber wir haben gesagt, sie soll ganz in der Nähe der EZB angesiedelt werden.

    Klein: Welche Interessenskonflikte genau befürchten Sie?

    Klinz: Wir legen ja gerade als Deutsche sehr großen Wert darauf, dass die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik unabhängig macht, völlig unabhängig von der Politik, und insofern wollen wir sicherstellen, dass jetzt nicht die Übernahme einer neuen Funktion ihre Unabhängigkeit auch nur im geringsten irgendwie reduzieren könnte.

    Klein: Weshalb gehen da Politiker wie EU-Kommissar Barnier etwas sorgloser um mit dieser Frage?

    Klinz: Ich weiß nicht, ob er sorglos damit umgeht, weil, er geht davon aus, dass es der EZB gelingt – und ich glaube, das sollte auch unsere Eingangshypothese jetzt dann sein für die weitere Diskussion -, dass es der EZB gelingt, die neue Aufsicht so organisatorisch anzusiedeln, dass es in der Tat zu keinen unlauteren, sagen wir mal, Kontakten zwischen der eigentlichen geldpolitischen Arbeit und der Aufsicht kommt.

    Klein: Das heißt, die Befürchtungen, die Sie vor zwei Jahren noch geltend gemacht haben, existieren jetzt nicht mehr?

    Klinz: Ich glaube, es gibt verschiedene Möglichkeiten, so eine Aufsicht anzusiedeln. Wir haben ja damals auch vorgeschlagen, eigentlich nicht nur die Bankenaufsicht, sondern auch die Versicherungsaufsicht und die Aufsicht für Wertpapiere und Märkte, also alle drei europäischen Aufsichtsorgane, in der Nähe der EZB anzusiedeln, weil wir gesagt haben, der Austausch von Informationen und von Erfahrungen ist nützlich und vielleicht sogar erforderlich. Darauf konnte man sich damals im Rat nicht verständigen und hat die europäischen Aufsichtsbehörden in London, Frankfurt und Paris angesiedelt. Jetzt gibt es zumindest in einem Teil eine Umsetzung dessen, was wir vorgeschlagen haben. Ich glaube, wenn man organisatorisch, vielleicht sogar rechtlich diese neue europäische Aufsicht ansiedelt, in Frankfurt, bei der EZB, aber eben getrennt von allen übrigen, dann könnte das funktionieren.

    Klein: Das heißt, Ihren Befürchtungen wurde teilweise stattgegeben, und deshalb erklären Sie sich jetzt auch einverstanden mit den Plänen des EU-Kommissars?

    Klinz: Ich glaube, man hat vor allem die Grundidee, die wir damals verfolgt haben, akzeptiert und eingesehen, dass es richtig ist, dass eine Aufsicht in der Nähe der EZB, in der Nähe der Europäischen Zentralbank angesiedelt wird, weil es hier einen wichtigen Austausch von Informationen geben muss, und dass es keinen Sinn hat, einen gemeinsamen vor allem Währungsraum, zu haben, ohne über die dafür nötigen Instrumente zu verfügen. Das hat man eingesehen und insofern korrigiert man den Fehler, den man vor zwei Jahren gemacht hat.

    Klein: Das heißt, rechtlich ist das sozusagen alles schon für Sie abgesichert, was da heute vorgestellt werden wird, oder gibt es aus Ihrer Sicht Nachbesserungsbedarf?

    Klinz: Nein. Wir kennen ja die Details noch nicht. Insofern kann ich nicht sagen, das ist alles abgesichert. Wir würden natürlich gerne hören – und ich weiß gar nicht, ob das Michel Barnier, der zuständige Kommissar, alleine machen kann -, ob es nicht die EZB sein wird, die uns dann vorstellen will, wie sie organisatorisch die neue Aufsicht ansiedeln möchte und wie sie auf diese Weise sicherstellt, dass es tatsächlich nicht zu irgendwelchen Interessenskonflikten kommt. Denn eins ist sicher: Die Unabhängigkeit der EZB muss gewährleistet sein und es muss vor allem gewährleistet sein, dass wenn es irgendwann einmal einen Fehler gibt – und seien wir doch realistisch: Irgendwann wird auch diese neue europäische Aufsicht einen Fehler machen -, dass damit nicht die Glaubwürdigkeit der ganzen Institution Europäische Zentralbank in Misskredit kommt. Das wäre ja ein ganz großes Debakel und das muss auf jeden Fall verhindert werden. Also: Wir kennen noch keine Details, wir wissen weder, wie es organisatorisch oder rechtlich gehen soll, und wir wissen auch noch nicht im Einzelnen, was jetzt konkret diese neue europäische Aufsicht für Kompetenzen haben soll. Da gibt es ja zwei große Streitpunkte, zumindest aus deutscher Sicht. Erstens: Sollen die Mittel, die verfügbar sind in schon existierenden Restrukturierungs- und Abwicklungsfonds in den einzelnen Mitgliedsstaaten, sollen die tatsächlich grenzüberschreitend europäisch eingesetzt werden können und dürfen? Und zweitens, noch wichtiger: Was passiert mit den Anlagensicherungsfonds, die es ja auch in vielen Ländern schon gibt? In Deutschland gibt es das ja schon seit Jahren und Jahrzehnten. Diese Fonds dienen dem Schutz der heimischen Anleger und Sie können sich vorstellen, dass natürlich die Mitarbeiter und auch Mitglieder und die betroffenen Kunden des deutschen Bankensystems, einschließlich des Sparkassen- und genossenschaftlichen Bankensektors, überhaupt kein Interesse daran haben, dass ihre Schutzgelder sozusagen grenzüberschreitend zum Schutz von Anlegern oder auch Instituten in anderen Ländern eingesetzt werden.

    Klein: Genau! Die Sparkassen und Volksbanken laufen ja genau dagegen im Augenblick auch Sturm. – Ich möchte gerne noch mal nachfragen: Wir diskutieren ja schon seit einigen Wochen jetzt verstärkt über die Glaubwürdigkeit, die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Wenn ich Sie richtig verstehe, dann rechnen Sie damit, dass diese EZB sich nun auch selbst die Regularien geben wird, also sich möglicherweise da auch selber überwacht. Haben Sie genug Einfluss darauf als Europaparlamentarier, oder ist der eigentlich gleich null?

    Klinz: Bisher ist die Europäische Zentralbank eine der wenigen Institutionen, die wirklich regelmäßig den Gedankenaustausch mit dem Europäischen Parlament suchen und die auch bereit sind, ihr Tun und Handeln vor den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, dem zuständigen Wirtschafts- und Währungsausschuss, zu erläutern und zu verteidigen. Der englische Begriff "Accountability" wird von den Führungsmitgliedern der EZB sehr ernst genommen. Der Vorgänger Jean-Claude Trichet und jetzt auch Mario Draghi, beide nehmen das ernst und kommen regelmäßig, und ich gehe fest davon aus, dass der neue Vorsitzende dieses Aufsichtsgremiums nun das in genauso gleicher Weise machen wird, und ich kann jetzt noch nicht sagen, ich habe da Sorge; ich weiß nicht, wie es konkret ablaufen soll. Aber ich gehe fest davon aus, dass wir als Abgeordnete und als Vertreter der Mitgliedsstaaten und ihrer Bevölkerung hier die Chance haben, tatsächlich Handeln und Tun in regelmäßigen Abständen zu überwachen und uns erläutern zu lassen.

    Klein: ... , sagt und hofft vermutlich auch der FDP-Europaabgeordnete Wolf Klinz, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, über die Pläne zur europäischen Bankenaufsicht, die zunächst einmal heute Nachmittag von EU-Kommissar Michel Barnier vorgestellt werden. Herr Klinz, danke für das Gespräch!

    Klinz: Danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.