Freitag, 19. April 2024

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"Die Unterstützung für Online-Durchsuchungen wächst keineswegs"

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries will die Möglichkeiten von Online-Durchsuchungen vor einer Entscheidung erst gründlich prüfen und erörtern. Auch Straftäter hätten ein verfassungsmäßiges Recht auf Privatsphäre, sagte die SPD-Politikerin. In der Gesellschaft wachse zudem der Widerstand. So lehnten beispielsweise die Rechtsanwaltsverbände geheime Online-Durchsuchungen als zu weitgehend ab.

Moderation: Philipp Krohn | 06.09.2007
    Philipp Krohn: Seit gestern ist klar, was der Unterschied zwischen einer abstrakten und einer realen Bedrohung ist. Der Fahndungserfolg der deutschen Sicherheitsbehörden hat einen Terroranschlag verhindert, der wohl die Dimension von denen in Madrid oder London noch übertroffen hätte. Dass deutschstämmige Islamisten unter den Hauptverdächtigen sind, hat den Blick auf die Konvertiten hierzulande gelenkt und während sich die politische Kontroverse über die Online-Durchsuchungen fortsetzt, wird weiter nach Beteiligten an den Planungen gesucht.

    Im Studio hier in Köln begrüße ich jetzt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries von der SPD. Guten Tag Frau Zypries!

    Brigitte Zypries: Guten Tag Herr Krohn!

    Krohn: Frau Zypries, wie bewerten Sie den Einsatz der Polizei und der Sicherheitskräfte?

    Zypries: Es ist ein großartiger Einsatz gewesen und ich habe das gestern ja auch schon sehr gelobt. Es war eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Bundesbehörden und den verschiedenen Landespolizeien und es war vor allen Dingen auch eine gute Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten. Wir haben Informationen von denen bekommen. Wir haben sie hier gut verarbeiten können. Und die Tatsache, dass wir so lange schon diese Täter im Visier hatten, zeigt ja eben auch, Dass es möglich ist, über einen längeren Zeitraum unerkannt und ohne die Öffentlichkeit solche Maßnahmen durchzuführen.

    Krohn: Wie sah die Arbeit mit den ausländischen Diensten konkret aus?

    Zypries: Na ja, es gibt da Informationen von den Staaten und ich habe gestern auch mit dem amerikanischen Justizminister telefoniert und habe mich auch bedankt für Informationen, die wir von den Amerikanern bekommen haben, die uns hier schon weitergeholfen haben.

    Krohn: Wir wissen, dass einige der Tatverdächtigen sich in Terror-Camps in Pakistan aufgehalten haben. Warum ist es nicht möglich, das unter Strafe zu stellen?

    Zypries: Wir prüfen das ja schon seit einiger Zeit, aber es ist eben sehr schwierig, ein Verhalten unter Strafe zu stellen, bei dem keine Tathandlung in irgendeiner Form vorliegt. Ich sage mal es wäre ja auch möglich, dass jemand in einem solchen Camp ist und rauskommt und sagt "nie wieder will ich irgendwas mit denen zu tun haben". Gleichwohl soll ich ihn dann bestrafen?

    Krohn: Aber die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist doch auch unabhängig von Taten strafbar?

    Zypries: Ja. Bei der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist aber doch das Betreiben der ideologischen Ziele dieser Vereinigung und das ideologische Unterfüttern von so etwas der Gegenstand. Wir prüfen wie gesagt, ob wir das vorsehen sollen. Es ist wie gesagt aus rechtstaatlichen Gründen nicht ganz einfach, aber wir sind da dran und ich denke wir werden auch in Kürze einen Vorschlag vorlegen.

    Krohn: Frau Zypries, hat die CDU die Diskussion um die innere Sicherheit gewonnen?

    Zypries: Das kann ich nicht so sehen, denn es geht ja doch bei der inneren Sicherheit nicht pauschal um die Frage wer trumpft hier stärker auf und wer ist schneller an den Mikrofonen, sondern es geht doch sehr darum, dass wir sagen, wir wollen bei unseren Grundsätzen der Gesellschaft bleiben, wir wollen die rechtstaatlichen Standards in Deutschland behalten. Dazu gehört immer eine Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten.

    Krohn: Aber auch die Unterstützung in der Bevölkerung für Maßnahmen wie etwa die Online-Durchsuchung wächst. Was spricht für Sie am stärksten dagegen?

    Zypries: Um ehrlich zu sein nehme ich gerade das Gegenteil wahr. Die Unterstützung für die Online-Durchsuchung wächst keineswegs, sondern große Verbände wie zum Beispiel der BITKOM, der Verband der Informationstechnik in Deutschland, die Rechtsanwaltsverbände und andere mehr nehmen Stellung gegen die Online-Durchsuchung, kritisieren sie als zu weit gehend. Von daher sehe ich diese Diskussion relativ gelassen und freue mich allenfalls darüber, dass eben auch Menschen vor scheinbar einfachen Lösungen noch warnen.

    Krohn: Warum muss die Privatsphäre von Menschen wie Fritz G. geschützt werden?

    Zypries: Es sind die Grundsätze unseres Verfassungsstaates, die das Bundesverfassungsgericht auch mehrfach betont hat, Dass natürlich auch Straftäter ein Recht auf eine Privatsphäre haben.

    Krohn: Die Experten der Sicherheitsbehörden verlangen die Online-Durchsuchung. Ist das für Sie kein Argument?

    Zypries: Natürlich ist es das erste, dass Sicherheitsbehörden deutlich machen müssen, wofür sie bestimmte Maßnahmen brauchen, und bei dieser Diskussion sind wir ja. Wir sind dabei, uns damit auseinanderzusetzen, und wir sind dabei, die ganzen technischen Fragen zu klären. Ich habe immer gesagt, es gibt keine Vorfestlegung, sondern das wird ergebnisoffen geprüft und da sind wir dran.

    Krohn: Wann wollen Sie diese ergebnisoffenen Gespräche genau führen?

    Zypries: Wir sind da schon seit einiger Zeit dran und haben auch jetzt gerade in der letzten Woche wieder ein Gespräch mit Experten gehabt. Das heißt mit anderen Worten da wird kontinuierlich dran gearbeitet. Aber das ist ja kein triviales Thema.

    Krohn: Bremst die SPD?

    Zypries: Ich kann das nicht erkennen, sondern im Gegenteil: wir haben immer gesagt, wir stehen jederzeit für Gespräche bereit. Es war eher das Bundesinnenministerium, das eine Zeit lang nicht für Gespräche zur Verfügung stand.

    Krohn: Wo ziehen Sie die Grenze bei dieser Diskussion um Online-Durchsuchungen?

    Zypries: Das kann ich Ihnen jetzt noch gar nicht sagen, weil die Voraussetzungen, die technischen Voraussetzungen, die wir klären müssen, noch nicht alle geklärt sind. Für meine Begriffe gibt es da eine klare Reihenfolge. Wir müssen zunächst mal sehen, was ist eigentlich technisch möglich und was passiert da technisch und inwieweit greife ich eigentlich in das, was jeder Mensch heute quasi als seinen Schreibtisch ansieht mit viel Privatsphäre, ein und wie kann ich das dann schützen. Die rechtlichen Fragen sind dann anschließend zu klären, denn wenn ich bestimmte technische Vorrichtungen machen kann, dann brauche ich mich rechtlich nicht mehr darum zu kümmern, falls Sie mir da folgen können.

    Krohn: Kann ich. - Warum sollte man diese Verhandlungen außerhalb der Verhandlungen um das BKA-Gesetz führen?

    Zypries: Das muss man nicht notwendig. Ich hatte es nur angeraten, Dass der Kollege Schäuble, wenn es ihm eilig ist mit dem BKA-Gesetz, das BKA-Gesetz zuförderst mal ins Verfahren bringen soll und wir parallel weiter über die Online-Durchsuchung beraten, denn ein Gesetzgebungsverfahren in Deutschland ist ja bekanntlich sehr aufwendig. Wenn das Kabinett beschlossen hat, geht das Gesetz erst mal in den Bundesrat und wird dort sechs Wochen später erst im ersten Durchgang beraten. Die Zuleitung zum Kabinett dauert auch zwei bis drei Wochen. Das heißt mit anderen Worten man hat schon mal zwei Monate, in denen man weiter über die Online-Durchsuchung beraten kann, während der Rest auf seinem formalistischen Gang ist. Ich habe immer nur gesagt, wenn ich es zu tun gehabt hätte, ich hätte die Zeit genutzt.

    Krohn: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bei uns im Deutschlandfunkstudio. Vielen Dank für das Gespräch!