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"Die USA müssen an dieser Aufklärung mitwirken"

Falls Edward Snowden nur einer Vernehmung in Deutschland zustimmt, müsse er eben hier befragt werden, sagt der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich. Mit den USA sollte es nun offene Gespräche geben. Der Zeitpunkt dafür sei gut, weil auch dort das Interesse an einer Aufklärung steige.

Rolf Mützenich im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 04.11.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Sowohl in Berlin als auch in Washington ist hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. Das erklärte Ziel: die Praxis der Spionage unter Verbündeten zu beenden. Zu diesem Zweck sind die Präsidenten von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz in die USA gereist. Sie wollen mit ihren amerikanischen Amtskollegen ein sogenanntes No-Spy-Abkommen vorbereiten. In Deutschland wird derweil heftig darüber gestritten, ob man dem früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden nicht die Gelegenheit geben müsste, in Deutschland zur Aufklärung der Affäre beizutragen.

    Innenminister Hans-Peter Friedrich zeigt sich plötzlich an der Befragung von Edward Snowden interessiert. Unionspolitiker wie Hans-Peter Uhl und Elmar Brok sagen, es ist aber praktikabler, wenn Snowden in Russland befragt wird. Aber – und diese Frage ging an den SPD-Außenexperten Rolf Mützenich – in Russland wird Snowden nicht sprechen. Das hat er angedeutet.

    Rolf Mützenich: Nun, das ist richtig. Deswegen sollten wir in den Parteien, in den Fraktionen in den nächsten Tagen beraten, wie wir das Interesse von Snowden, gegenüber einem Untersuchungsausschuss auch aussagen zu können, wie wir das gewährleisten. Ob dann hier in Deutschland, oder letztlich an einem anderen Ort, müssen wir sehen. Es gibt unterschiedliche Informationen. Sein Rechtsvertreter in Russland erklärt ja, wenn Herr Snowden nach Deutschland oder an einen anderen Ort kommen würde, wäre ihm der Aufenthalt versagt. Das sind alles Dinge, die, wie ich finde, in den nächsten Tagen beraten werden müssen, und wenn der Bundesinnenminister hier seine Hilfe anbietet, glaube ich, sind wir auf dem richtigen Weg.

    Heckmann: Wir müssen beraten, aber wie ist denn Ihre Meinung, wenn Edward Snowden sagt, nein, in Moskau werde ich nicht offen sprechen können, ich kann nur offen reden, wenn ich in Deutschland bin?

    Mützenich: Dann müssen wir mit Snowden, aber letztlich auch mit seinem Rechtsanwalt und auch den anderen, die ihn in Russland betreuen, darüber reden, wo können wir es am besten machen, und wenn es dann hier in Deutschland am besten funktioniert, muss man sich letztlich auch auf diesen Ort verständigen können.

    Heckmann: Die Linke fordert ja jetzt, ein Asyl zu erzwingen für Edward Snowden, durch eine Entscheidung des Bundestages. In der Tat ist es doch angezeigt, einem Mann wie Edward Snowden Asyl zu gewähren, oder zumindest sicheren Aufenthalt in Deutschland.

    Mützenich: Das gibt das Asylrecht letztlich her, wenn es im deutschen Interesse ist. Aber ich denke, wir müssen jetzt in den nächsten Tagen auch noch mal zwischen den Bundestagsparteien beraten, wie wir hier insbesondere an weitere neue Informationen kommen, die er ja auch beim Besuch von Herrn Ströbele angekündigt hat. Das werden wir letztlich sehen, ob es durch einen Beschluss des Deutschen Bundestages herbeigeführt werden kann, oder dass die Bundesregierung in den nächsten Tagen über den Bundesinnenminister hier klare Äußerungen macht. Das werden wir sehen.

    Heckmann: Sie haben sich gerade dafür ausgesprochen, Herr Mützenich, dass wir notfalls Edward Snowden dann nach Deutschland holen und die Befragung hier stattfinden lassen. Insgesamt ist die SPD aber durchaus zurückhaltend. Thomas Oppermann zum Beispiel, der hat gesagt, eine Befragung kann nur dann stattfinden, wenn das die Beziehungen zu den USA nicht ruiniere, und er ergänzte gestern im ZDF, man steuere auf einen heftigen Konflikt mit den USA zu, und er sei sich …

    O-Ton Thomas Oppermann: "… nicht sicher, ob wir stark genug sind, diesen Konflikt bis in die letzte Konsequenz auszuhalten. Und deshalb würde ich sagen, wir brauchen eine humanitäre Lösung, an der ganz Europa teilnimmt. Wir brauchen eine Abstimmung mit den europäischen Partnern. Wenn wir selber nicht stark genug sind, dann müssen wir uns Bündnispartner suchen."

    Heckmann: Deutschland sei also nicht stark genug, einen solchen Konflikt durchzustehen, sagte Thomas Oppermann. Treten wir zu leisetreterisch gegenüber Washington auf?

    Mützenich: Nun, das glaube ich nicht. Aber was Herr Oppermann eben angedeutet hat, ist, dass auch andere europäische Staaten ein großes Interesse daran haben, mehr zu erfahren, was offensichtlich Herr Snowden oder möglicherweise sogar andere Informanten letztlich haben. Ich finde, wir müssen uns mit den anderen europäischen Regierungen, mit den anderen europäischen Parlamenten abstimmen. Aber es gibt mittlerweile auch in den USA ein wachsendes Interesse daran, die Ausmaße, die durch die NSA und möglicherweise auch Abhöraktionen in den USA selbst entstanden sind, an Aufklärung zu kommen, und diese Chance sollten wir nutzen.

    Heckmann: Und die USA müssen im Zweifel dann hinnehmen, dass Deutschland einem Mann wie Edward Snowden eine neue Heimat gibt, auch wenn das die amerikanische Regierung verärgert? Das gehört dann zur Augenhöhe dazu?

    Mützenich: Nun, ich finde, das müssen wir jetzt auch mit den USA diskutieren, was ein legitimes Aufklärungsinteresse ist.

    Heckmann: Die USA sagen ja, das kommt nicht infrage!

    Mützenich: Nun, das müssen wir einfach mal sehen, weil ich glaube, auch im Kongress die Frage gewachsen ist, was ist alles dem NSA erlaubt gewesen, in welche schwierigen Situationen haben wir auch Partner hineingebracht. Dass wir natürlich weiterhin ein großes Interesse daran haben, mit den USA insbesondere in internationalen Konfliktpunkten wie im Nahen und Mittleren Osten, aber auch den Beziehungen zu Russland weiter konstruktiv zusammenzuarbeiten, das liegt doch ganz offensichtlich auf der Hand. Aber ich finde schon, dass wir in den nächsten Tagen innerhalb des Deutschen Bundestages mit der Bundesregierung diese Fragen konstruktiv werden erörtern können.

    Heckmann: Wie wichtig ist denn der Hinweis gewesen von Thomas Oppermann, dass diese transatlantischen Verhältnisse nicht beschädigt werden dürfen?

    Mützenich: Das ist vollkommen richtig. Aber wir wissen auf der anderen Seite, das ist natürlich keine Einbahnstraße. Die USA müssen an dieser Aufklärung mitwirken, muss uns auch versichern, dass nicht mehr dieses Ausmaß des Abschöpfens insbesondere der Bevölkerung stattfindet. Ich finde schon, die Frage eines Datenschutzübereinkommens zwischen den USA und der Europäischen Union, aber insbesondere auch, wie hier Spionage betrieben worden ist, auch gegenüber Unternehmen, das muss auf die Tagesordnung und das muss beraten werden.

    Heckmann: Welche Konsequenzen könnte es denn, Herr Mützenich, schlimmstenfalls haben, wenn Deutschland sagt, okay, wir holen Edward Snowden nach Deutschland, die USA halten ihren Auslieferungsanspruch aufrecht und Deutschland sagt, kommt nicht infrage, wir liefern den Mann nicht aus?

    Mützenich: Nun, ich glaube, das müssen wir genau in den nächsten Tagen zwischen den Bundestagsparteien beraten, was die rechtlichen Möglichkeiten, was aber auf der anderen Seite auch das Verhältnis zu den USA bedeutet. Ich finde schon, es gibt Chancen, entweder Edward Snowden in Russland letztlich durch einen möglicherweise Untersuchungsausschuss über seine Informationen zu befragen, oder es letztlich an einem anderen Ort tun zu können.

    Heckmann: Glauben Sie denn, dass die Gefahr besteht, dass die amerikanische Seite dann die Konsequenz ziehen würde, wenn eine Befragung in Deutschland stattfindet und sicheres Geleit zugesichert wird, ein sicherer Aufenthalt, dass dann die amerikanischen Geheimdienste sagen, okay, dann ist Deutschland kein Bündnispartner mehr und wir tauschen keine Informationen mehr aus, auch keine Informationen über drohende Terroranschläge zum Beispiel?

    Mützenich: Ich finde, das müssen offene Gespräche mit den USA sein. Ich habe den Eindruck, dass auch in den USA letztlich die Situation im Kongress gewachsen ist, dass gegenüber den Vorkommnissen, die wir in den letzten Monaten immer wieder stärker auch von Snowden gehört haben, hier ein wachsendes Interesse auch im Kongress ist, an Aufklärung mitzuwirken, und da müssen wir sehen, ob wir das möglicherweise auch mit den USA in den Gesprächen in den nächsten Tagen werden erörtern können.

    Heckmann: Und was ist, wenn Washington bei seiner Position bleibt?

    Mützenich: Nun, Washington ist nicht Washington als solches, nur allein das Weiße Haus. Wie gesagt, im Kongress gibt es mehr und mehr Abgeordnete, die auch gegenüber den Aktivitäten, die der Geheimdienst auch möglicherweise in den USA getan hat, voranzugehen. Und wenn wir das in einer gemeinsamen Partnerschaft erörtern können – und daran haben wir Interesse -, sollten wir das tun.

    Heckmann: Der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich war das hier im Deutschlandfunk. Herr Mützenich, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Mützenich: Vielen Dank, Herr Heckmann.


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