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"Die Verantwortung liegt noch immer in Athen"

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger fordert Griechenland auf, seinen Haushalt in Ordnung zu bringen. Athen müsse sich jetzt zunächst selbst helfen und dürfe keine Unterstützung aus Brüssel erwarten, sagte der CDU-Politiker.

Günther Oettinger im Gespräch Jürgen Liminski | 03.03.2010
    Jürgen Liminski: Heute stellt die EU-Kommission ihren Wirtschaftsplan 2020 zur Diskussion. Die Strategie soll die 27 Staaten aus der Krise führen. Mitgehört hat der deutsche Kommissar in der Mannschaft Barroso, Günther Oettinger. Zunächst mal guten Morgen, Herr Oettinger.

    Günther Oettinger: Guten Morgen.

    Liminski: Herr Oettinger, der Plan ist ambitioniert. Halten Sie ihn angesichts der anhaltenden Unwägbarkeiten der Krise für realisierbar, oder werden hier nur anzustrebende Grenzwerte formuliert?

    Oettinger: Ich halte ihn für richtig und wichtig und Europa braucht Ziele für Wirtschaft, Soziales, Kultur, für die Kommission, das Parlament, die Nationalstaaten, um in den nächsten Jahren mitzuhalten mit der Entwicklung der Welt, China, Indien, Brasilien, Japan, die USA. Ich glaube, das Papier ist zum richtigen Zeitpunkt eine richtige Vorgabe, die wir alle benötigen.

    Liminski: Ein Plan wie der jetzige setzt eine Regierung voraus, die ihn umsetzen kann. So wie der Unternehmer die Arbeit organisiert und verantwortet, so braucht es für solch einen Plan auch einen Großunternehmer, eine Regierung. Steckt hinter dem Plan die mittlerweile alte Idee einer europäischen Wirtschaftsregierung?

    Oettinger: Natürlich haben wir zunehmend gemeinsame europäische Aufgaben und dafür sind auch gemeinsame europäische Maßnahmen notwendig. Aber klar ist: Wir sind vom Gedanken der Subsidiarität aufgestellt. Das heißt: erst die Kommune, dann das Land, der Bund, dann Europa. Deswegen baue ich darauf, dass alle gemeinsam dieses Ziel, diese Projekte, diese Maßnahmen akzeptieren und jeder in seiner Verantwortung dafür arbeitet, dass es so kommt. Ziele zu formulieren, ist auch möglich dort, wo keine Zentralregierung regiert, sondern wo dezentrale Parlamente, Regierungen und die Menschen verantwortlich sind.

    Liminski: Bundeskanzlerin Merkel kritisiert in einem Brief an Kommissionspräsident Barroso den Vorschlag, die Einhaltung der neuen Wirtschaftsziele eng mit der Kontrolle des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu verbinden. Das würde die Haushaltsüberwachung unnötig politisieren, sagt die Kanzlerin, sprich einer Wirtschaftsregierung den Weg ebnen. Sehen Sie das auch so?

    Oettinger: Das sehe ich auch so. Das war vor wenigen Tagen noch eine offene Frage. Die haben wir ausgeräumt und wir haben im jetzigen Entwurf, den wir in zwei Stunden verabschieden, zwischen dem Stabilitätsthema, das heißt keine Inflation, strenge Kriterien für die Verschuldung der nächsten Jahre, eine Währung, die nicht durch die Politik beeinflusst wird, einerseits und den Maßnahmen der Politik streng getrennt. Wir werden den Vorgaben von Angela Merkel mit Sicherheit im Papier gerecht.

    Liminski: Ein großes Ziel des Plans betreffend Bildungsfragen. Nun sind bei Bildungsfragen in Deutschland die Länder zuständig, und wie Sie ja noch gut aus Ihrer Ministerpräsidentenzeit wissen, sind die Länder eifersüchtig darauf bedacht, hier keine Zuggeständnisse zu machen. Hier schlägt die föderale Struktur Europas zu Buche. Wie will man die Ziele mit so vielen Akteuren erreichen?

    Oettinger: In der Tat ist beim Thema Schule und Bildung von dem Institut vor Ort, der Schule, der Kommune über das Land auch der Bund zuständig, aber indem wir uns im Papier verpflichten, dass Europa die Bildungsregion werden muss, die für Forschung und Weiterbildung zuständige Einheit werden muss, machen wir klar, was gilt, und die Unterzeichner, sprich die Bundesstaaten, machen deutlich, denn wir haben ja die zehn Prozent vereinbart in Deutschland, zehn Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts gelten für Forschung und Bildung, und damit werden wir alle in den nächsten Jahren unsere Anstrengungen, unsere Mittel finanziell wie auch ideell steigern.

    Liminski: Eine weitere Schwierigkeit bei der Umsetzung des Plans ist die Krise selbst, Stichwort Griechenland. Bevor die Helenen sich an diese Ziele machen, müssen sie erst mal den Kopf über Wasser halten. Muss Europa Rettungsringe in die Ägäis werfen, oder glauben Sie, dass die Griechen sich alleine ans Ufer retten können?

    Oettinger: Die Reihenfolge ist klar. In der Europäischen Währungsunion beim Thema Euro gelten zunächst einmal die Aufgaben der Nationalstaaten. Deswegen muss Griechenland jetzt seine Hausaufgaben machen, und zwar wie angekündigt und versprochen: Ausgaben senken, Einnahmen steigern und die Haushaltsmasse erhöhen. Und dann werden wir sehen. Was am Ende kommt, ist offen, aber im Augenblick ist nicht Deutschland gefragt, sondern Griechenland.

    Liminski: Der griechische Premier spricht aber schon von einem drohenden Staatsbankrott. Ist das Teil des Pokerns um europäische Gelder?

    Oettinger: Ja, eindeutig ja. Aber Griechenland muss wissen, es muss jetzt sich selbst helfen und nicht Hilfe von Brüssel erwarten.

    Liminski: Denkt man denn in Brüssel an Szenarien zur Rettung von Griechenland und anderen Wackelkandidaten? Wird das am grünen Tisch mal so durchgespielt?

    Oettinger: Nachgedacht wird viel. Sie wissen ganz genau, was die kriegen können, was sie sich zumuten können, was sie an Mehreinnahmen schaffen können durch Steuererhöhungen, was sie an Ausgaben senken können, und ich glaube, die Verantwortung liegt noch immer in Athen. Die Regierung muss erst einmal die Balance zwischen Ausgaben und Einnahmen herstellen, dann kann man über einiges reden.

    Liminski: Herr Oettinger, zur Wirtschaftsentwicklung Europas gehört notwendigerweise auch die Energieversorgung. Zwei Deutsche, der ehemalige Kanzler Schröder und der ehemalige Außenminister Fischer, betreiben als Lobbyisten zwei Großprojekte in Sachen Energie. Haben Sie Kontakt mit den beiden?

    Oettinger: Wir haben in Baden-Württemberg, in Deutschland und Europa dringend notwendig die bessere Infrastruktur zu Nachbarländern Frankreich, Osteuropa, der Norden, der Süden, um die Abhängigkeit zu optimieren, und dazugehört auch Nord-Stream, eine Gasleitung, die unsere bisherigen Gaszufuhren ergänzt, und Nabucco und Desertec für Gas und Strom. Und da Gerhard Schröder und Joschka Fischer dafür mit verantwortlich sind, habe ich Kontakt zu ihnen, schätze ihren Rat, bleibe unabhängig, und ich bin sicher, dass diese Projekte in den nächsten Wochen entschieden werden.

    Liminski: Die EU-Wirtschaftsstrategie 2020. Einschätzungen waren das von Energiekommissar Günther Oettinger hier im Deutschlandfunk. Besten Dank für das Gespräch, Herr Oettinger.

    Oettinger: Gerne auch. Guten Tag!