Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Die Verluste sind ja bereits eingetreten"

Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz-Gruppe, hat sich dafür ausgesprochen, private Gläubiger an der Stabilisierung Griechenlands zu beteiligen. Investoren müssten die Risiken ihrer Investments langfristig tragen, sagte Heise. Er warnte vor einer Ausdehnung des "Infekts in Griechenland" auf andere Märkte, der weitere Abschreibungen erforderlich mache.

Michael Heise im Gespräch mit Silvia Engels | 22.06.2011
    Silvia Engels: Es hat noch mal geklappt. Der griechische Ministerpräsident Papandreou hat in der Nacht die Vertrauensabstimmung im Parlament über seinen Sparkurs gewonnen. Eine Niederlage hätte das Land rasch in die Staatspleite schlittern lassen können. Umso größer ist die Erleichterung nun an den Finanzmärkten. Der Zinsdruck für griechische Anleihen ließ etwas nach. Doch das Aufatmen kann nur ein Zwischenschritt sein.

    Mit der gewonnenen Vertrauensabstimmung hat die Regierung Papandreou allerdings nur eine von vielen Hürden genommen, es klang gerade schon an. In der kommenden Woche muss die Regierung ein neues Sparprogramm vom Parlament absegnen lassen und von diesem Beschluss hängt ab, ob zwölf Milliarden Euro nach Athen fließen, denn das ist der nächste Teil der internationalen Finanzhilfe für Griechenland und ohne dieses Geld ist das Land im Juli Pleite. Das wäre ein Albtraum für manche Firmen, zum Beispiel auch für die Allianz, denn sie gehört zu den Versicherungen, die noch erhebliche Summen in griechischen Staatspapieren investiert haben: 1,3 Milliarden Euro.

    Der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise, ist nun am Telefon. Guten Tag, Herr Heise!

    Michael Heise: Guten Tag, Frau Engels.

    Engels: Wie erleichtert sind Sie über den Erfolg Papandreous?

    Heise: Ich bin darüber erleichtert und ich habe auch damit gerechnet, nicht weil es das Interesse unseres Konzerns ist, sondern weil es ein Schritt zur Solidarität und zur Stabilisierung des Euro ist. Darum geht es hier. Wenn wir in Griechenland eine staatliche Insolvenz bekommen, ist die Gefahr sehr, sehr groß, dass andere Staaten in eine ähnliche Situation geraten, ähnliche Risikoprämien an den Finanzmärkten zahlen müssen und weitere Insolvenzen anstehen. Das wiederum würde den Euro erheblich destabilisieren und auch den Steuerzahler in ganz Europa in erheblicher Weise in die Pflicht nehmen, und deswegen ist es eine gute Nachricht. Allerdings ist es natürlich, wie Sie schon sagten, nur ein erster Schritt; jetzt geht es dann um die Verabschiedung der Sparprogramme in der nächsten Woche im Parlament, und auch das ist nur ein kleiner Schritt, weil es hier nicht nur um die Verabschiedung von Programmen gehen kann, sondern auch um die wirkliche Umsetzung in der griechischen Politik und in der griechischen Wirtschaft. Daran hat es in letzter Zeit etwas gemangelt. Insofern ein wenig Optimismus bei auch vorsichtiger Einschätzung der Möglichkeiten in Griechenland.

    Engels: Ihr Unternehmen, die Allianz, gehört zu den Firmen, die sich in den letzten Tagen in einer großen Anzeigenkampagne für die Stärkung des Euro noch einmal eingesetzt haben. Andererseits muss man auch sagen, das ist ja keine Kunst, so große Worte zu finden, wenn man selbst bei einem Staatsbankrott Athens Milliardenverluste machen würde, oder?

    Heise: Nein. Die Allianz würde sicherlich keine Milliardenverluste machen. Das ist nicht das Motiv für diesen Aufruf. Das Motiv ist, dass insbesondere auch Herr Diekmann, der Vorstandsvorsitzende der Allianz, die Entwicklung in der Euro-Zone als einen Erfolg einschätzt und auch als ein wichtiges politisches Signal für die Integration der Euro-Zone und Europas in der Zukunft. Wirtschaftlich gesehen war der Euro durchaus ein Erfolg. Er hat Preisstabilität gebracht, hohe Kaufkraft für die Menschen in dieser Euro-Zone, immerhin sind neun Millionen Jobs in dieser Zeit entstanden. Das heißt, wir haben viele Probleme, aber die lassen sich lösen, die liegen teilweise in Fehlentwicklungen in einzelnen Ländern, teilweise auch in der Architektur der Euro-Zone, darüber werden ja die Staatschefs morgen und am Wochenende diskutieren. Die Probleme lassen sich beheben und es ist es allemal wert, diese Anstrengungen zu machen, weil der Euro ein Integrationstreiber in Europa ist und Europa ohne stärkere Integration im Weltmaßstab immer weiter ins Hintertreffen geraten wird.

    Engels: Die Probleme lassen sich beheben, sagen Sie, Herr Heise. Nun wird ja gerade im Hintergrund, aber auch schon relativ klar, über ein neues Hilfspaket für Griechenland verhandelt im Umfang von bis zu 120 Milliarden Euro, und da hat die Bundesregierung ja bekanntlich den Plan, Versicherungen und Banken auch dazu zu bringen, sich freiwillig an der internationalen Griechenlandhilfe zu beteiligen. Wie sehen Sie die Chancen, dass das wirklich klappt?

    Heise: Ja, ich glaube, dass ist ein sehr wichtiges Thema. Es ist klar, dass Investoren auch die Risiken ihrer Investments langfristig tragen müssen. Insofern denke ich auch, dass Wege gefunden werden, um eine Beteiligung privater Gläubiger zu finden. Das ist natürlich sozusagen nicht nur auf nationaler Ebene zu vereinbaren, sondern auf europäischer Ebene. Es kann nicht sein, dass nur einzelne Länder hier die privaten Gläubiger beteiligen und das nicht europaweit geschieht. Aber ich glaube, dass die Konsensfindung besser geworden ist in dieser Frage. Es gab ja da unterschiedliche Sichtweisen zwischen Deutschland und Frankreich. Man hat sich aufeinander zubewegt und ich glaube, das ist ein guter Ausgangspunkt, dass in irgendeiner Form - es gibt ja verschiedene technische Vorschläge - auch von privater Seite Hilfe geleistet wird.

    Engels: Herr Heise, Sie sind der Chefvolkswirt der Allianz, nicht der Vorstandssprecher. Aber machen wir es doch mal ganz konkret: Sollte sich Ihrer Meinung nach auch die Allianz dazu verpflichten, griechische Staatspapiere aus dem eigenen Holding so umzutauschen und das in neue griechische Papiere zu wechseln mit einer längeren Laufzeit, also den Griechen mehr Zeit zur Rückzahlung geben, auch wenn das ein Verlust für die Allianz bedeutet?

    Heise: Die Allianz hat bereits sogar noch weitergehende Vorschläge gemacht, wie man auch die privaten Gläubiger an den Kosten beteiligen kann. Es könnte über Laufzeitverlängerung gehen. Ein anderes Modell, das noch weitergehend wäre, wäre eine Art Rückkaufprogramm, dass man die Anleihen, die am Markt gehandelt werden, die griechischen Anleihen, zu diesen enormen Abschlägen, mit denen sie ja notieren, zurückkauft, sie dann umwandelt, im Nominalwert reduziert, dafür aber mit einer gewissen Garantie, Teilgarantie zumindest der europäischen Stabilisierungsfazilität versieht, und insofern eine Schuldenreduktion für Griechenland bewirkt, eine Zinsreduktion, und private Gläubiger zwar nicht mehr das gleiche Nominalvolumen haben, aber dafür ein sichereres Papier. Das ist ein Vorschlag, der von uns unterstützt würde, und daran können Sie schon sehen, dass da eine Bereitschaft zur Beteiligung gegeben ist.

    Engels: Das heißt, die Allianz würde auch gewisse begrenzte Verluste in Kauf nehmen? In welchem Umfang?

    Heise: Die Verluste sind ja bereits eingetreten. Wenn man die Marktpreise anschaut, dann ist die Erwartung der Finanzmärkte, dass in Griechenland eine Restrukturierung kommen wird, sehr, sehr groß. Insofern geht es auch bei dem Vorschlag, den ich gerade machte, nicht darum, nun zusätzliche Verluste zu realisieren, sondern eben zu den jetzigen Marktpreisen diese Papiere umzustrukturieren. Das ist eine verkraftbare, für die Privatwirtschaft verkraftbare Lösung und das würde Griechenland helfen. Wir sind allerdings der Meinung, dass zwei Bedingungen erfüllt sein müssen dafür. Das erste ist die Bedingung der Freiwilligkeit. Wenn man eine Zwangsumschuldung macht, dann wird auch der Steuerzahler mit erheblichen Mitteln wieder ins Boot geholt, weil dann eben die gesamten Kredite auf die Wertpapiere, die bei der EZB sind, zwanghaft umzuschulden sind. Das ist eine Lösung, die große Gefahren für die Stabilität des Euro bringt.

    Und der zweite Punkt ist, dass eben die Reformen in Griechenland fortgesetzt werden müssen. Jedwede Art der Umschuldung führt nicht daran vorbei, dass Griechenland nur mit einem anderen Wirtschaftssystem, mit Reformen, auch mit Konsolidierung auf einen Erfolgskurs kommen kann. Allein die Schuldenstreichung hilft da nicht.

    Engels: Gewisse Verluste müssen also die Banken und auch gegebenenfalls die Allianz in Kauf nehmen. Aber wie steht man mit einer solchen Selbstverpflichtung dann den Aktionären gegenüber, denn denen gegenüber ist man ja verpflichtet, Verluste zu minimieren, also Griechenland dann abzustoßen als Staatsanleihe, wenn der Markt sich ein bisschen erholt hat?

    Heise: Ja. Ich denke, das wäre schon ein Weg, um die Verluste in Gesamteuropa zu minimieren. Wenn wir keine Lösung finden, dann wird eben dieser Infekt in Griechenland oder die Skepsis der Märkte gegenüber Griechenland sich auf andere Märkte noch ausdehnen und dann werden auch für andere Wertpapiere Abschreibungen erforderlich sein. Insofern ist die Kombination aus Solidarität der europäischen Gemeinschaft auch mit einer gewissen Beteiligung privater Gläubiger ein Weg, wie man die Verluste minimieren kann. Und noch mal: Die Wertpapiere, die Griechenland emittiert hat, sind bereits zu einem sehr geringen Wert an den Märkten gehandelt. Die Marktpreise sind bereits sehr niedrig, insofern sind die Verluste auch bereits eingetreten.

    Engels: Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. Wir sprachen mit ihm über Griechenland-Staatspapiere und Perspektiven. Vielen Dank für das Gespräch.

    Heise: Ihnen vielen Dank!