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Die Veto-Allianz

China hat keine eigentlichen Interessen in Syrien. Dennoch zieht die Volksrepublik mit Russland in der Syrienfrage an einem Strang und lehnt einen Militärschlag ab. Denn dafür unterstützt Moskau Peking in anderen Fragen.

Von Ruth Kirchner | 14.09.2013
    China und Russland ziehen in der Syrienfrage weitgehend an einem Strang. Beim Gipfeltreffen der Shanghaier Kooperationsorganisation im kirgisischen Bishkek wandten sich Präsident Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping erst gestern wieder mit fast wortgleichen Erklärungen an die Öffentlichkeit. Man begrüße den von Syrien beantragten Beitritt zur Chemiewaffenkonvention, sagten sie. In Peking äußerte sich Außenamtssprecher Hong Lei in der täglichen Pressekonferenz ganz ähnlich:
    China hat keine praktischen Interessen in Syrien. Dennoch zieht die Volksrepublik mit Russland in dem Konflikt an einem Strang und lehnt einen Militärschlag ab. Denn dafür unterstützt Moskau den Partner in anderen Fragen.

    "Dies ist eine wichtige Geste und wichtiger Schritt der syrischen Regierung. Wir hoffen, dass alle beteiligten Parteien jetzt die Möglichkeiten ergreifen, die sich aus dem russischen Vorschlag ergeben, dass alle eine diplomatische und politische Lösung des Syrienkonflikts suchen und die Möglichkeiten für Frieden in Syrien und im Nahen Osten schaffen."
    Der entscheidenden Frage wich Hong Lei aus. Ob man Syrien mit Gewalt drohen sollte, wenn es seine Versprechungen nicht umsetzt und seine Chemiewaffen doch nicht - wie von Moskau vorgeschlagen - unter internationale Kontrolle stellt. Genau da aber scheiden sich die Geister. Die USA wollen sich die Möglichkeit eines Militärschlages offenhalten; die Russen genau das ausschließen. Auch China lehnt einen Militärschlag ab:
    "Ein einseitiges militärisches Vorgehen verstößt gegen internationales Recht und gegen die Grundsätze der internationalen Beziehungen. Das würde die Lage in Syrien noch komplizierter machen und für noch mehr Unruhe im Nahen Osten sorgen."
    Für China ist klar: Ein internationales Vorgehen gegen Damaskus kann es nur unter dem Dach der Vereinten Nationen geben. Doch genau dort, im Weltsicherheitsrat, hat die Vetomacht China zusammen mit Russland seit zwei Jahren mehr Druck auf die Regierung Assad verhindert. Auch in den vergangenen Tagen waren es wieder Russland und China, die den französischen Resolutionsentwurf - der Gewalt nicht ausschloss - ablehnten oder zumindest äußerst kühl kommentierten.

    Dabei hat Peking anders als Moskau keine geopolitischen Interessen an Syrien, was die leiseren Töne erklären mag. Peking hat keine Militärstützpunkte im Mittelmeer. Die wirtschaftlichen Beziehungen mit Syrien gehen nicht besonders tief. Das erlaube China eine neutrale Position, sagt Jin Canrong, Experte für internationale Beziehungen an der Volksuniversität Peking.
    "China hat keine praktischen Interessen in Syrien. Wir sind von den Problemen dort völlig losgelöst. Daher ist unsere Position objektiv und völlig klar: Wir sind gegen militärische Aktionen egal von welcher Seite und wir wollen eine politische Lösung."
    Doch wirklich neutral ist China nicht. Für Peking geht es um etwas Grundsätzliches. Wie Moskau lehnt Peking die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ab. Und ist besonders skeptisch, was das Vorgehen der Amerikaner angeht, denen Peking vorwirft, Regierungswechsel immer wieder militärisch erzwingen zu wollen - wie zuletzt in Libyen vor zwei Jahren. Auf der Website des "Wall Street Journal" erläuterte Scott Harold, Asienspezialist bei der amerikanischen Rand Corporation, die chinesische Position so:
    "Sie sind insgesamt skeptisch, was den Einsatz amerikanischer Waffen im Ausland angeht, denn das könnte ja auch irgendwann China selbst betreffen, etwa bei einem Konflikt mit Taiwan, mit Japan oder den Philippinen. Außerdem kommen über 50 Prozent aller chinesischen Ölimporte aus dem Nahen Osten und daher ist man in Peking besorgt über einen möglichen größeren Regionalkonflikt, und es geht auch um die Beziehungen zu Russland, die will Peking nicht beeinträchtigen."
    Bislang läuft diese Zusammenarbeit für beide Seiten gut. China unterstützt Russland in der Syrienfrage. Im Gegenzug steht Moskau zu Peking, wenn es etwa um Nordkorea geht, über dessen Regime die Volksrepublik eine schützende Hand hält. Öffentlich würde China dies Zusammenspiel nie als anti-amerikanische Allianz bezeichnen. Denn die USA sind für China als Handelspartner viel zu wichtig, als dass man es auf eine offene Konfrontation ankommen ließe. Doch sowohl Russland als auch China sind bereit, ihr Gewicht in die Waagschale werfen, um dem internationalen Einfluss der USA etwas entgegenzusetzen. In Sachen Syrien Russland deutlich mehr, China etwas weniger. Und wenn es Moskau und Peking gelingen sollte, nicht nur einen Militärschlag, sondern auch militärische Strafandrohungen gegen Syrien zu verhindern, hätte sich diese Allianz aus ihrer Sicht erneut bewährt.