Samstag, 20. April 2024

Archiv


Die vielen offenen Baustellen der Energiewende

Bei der Energiewende hakt es an vielen Stellen: Die energetische Gebäudesanierung stockt, weil die steuerliche Förderung zunächst scheiterte. Die Strompreise steigen spürbar weiter. Viele Unternehmen bleiben dennoch von der Umlage für die erneuerbaren Energien befreit.

Von Dieter Nürnberger | 28.12.2012
    Die Energiewende muss viele Punkte vereinen. Es geht um Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit, es geht um Klimaschutz und die Rahmenbedingungen des künftigen Strommarktes. Doch knapp zwei Jahre nach dem Ausrufen der Energiewende scheint die Unzufriedenheit groß - kritisiert werden vor allem die steigenden Stromkosten. Verbraucher klagen darüber ebenso wie die Industrie, obwohl viele energieintensive Betriebe von der EEG-Umlage weitgehend befreit sind. Hans-Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, will, dass dies auch so bleibt, eventuell sogar ausgeweitet wird. Denn vor allem der Mittelstand leide unter den hohen Kosten.

    "Die Belastungen, wie die steigende EEG-Umlage, fallen für diese Unternehmen besonders ins Gewicht. Gleichzeitig stehen auch viele von ihnen mit hoch spezialisierten Produkten im globalen Wettbewerb."

    Doch kritisieren vor allem Verbraucher- und Umweltschützer, dass einige der von der EEG-Umlage befreiten Unternehmen - wie regionale Verkehrsbetriebe oder auch Zeitungsverlage - eigentlich gar nicht im internationalen Wettbewerb stünden. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) will die Ausnahmeregelungen 2013 überprüfen, Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ist jedoch dagegen.

    Ob das Erneuerbare-Energien-Gesetz grundsätzlich reformiert wird, ist ebenfalls noch nicht ausgemacht. Knapp ein Viertel des Stroms kommt inzwischen von den Erneuerbaren, das ist mehr als noch vor Jahren gedacht. Soll der Ausbau so weitergehen? Katharina Reiche, parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, will umsteuern.

    "Wir können in Zukunft nicht mehr nur auf die Quantität sehen, wir müssen auf die Qualität achten. Es gibt Technologien, die sind über einen großen Zeitraum zu üppig gefördert worden. Also müssen wir in Zukunft darauf achten, dass der, der einspeist, sich um das Gesamtsystem Gedanken macht. Auch um Stabilität und Bedarf."

    Reiche meint vor allem die kostenintensive Förderung der Solarwirtschaft. Die Fördersätze wurden schon in den vergangenen Jahren zurückgefahren, doch macht vor allem Konkurrenz aus Asien den deutschen Herstellern zu schaffen. Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, warnt deshalb vor dem Abwürgen einer Zukunftsbranche.

    "So etwas kann man schnell verspielen, wenn man eben falsche Signale aussendet – und hier vorzeitig ausbremst."

    2013 ist auch ein Bundestagswahljahr. Jürgen Resch glaubt deshalb, dass es noch nicht zu einer grundlegenden Änderung des EEG kommen wird.

    "Wir werden wahrscheinlich erst 2014 eine Überarbeitung haben. Es muss überarbeitet und angepasst werden. Die Märkte müssen zusammengeführt werden, die wir im Moment noch nebeneinander haben."

    Zusammenführen – das gilt vor allem für den Ausbau der Stromnetze. Ein Gerüst für die Energiewende, die Einbindung des Stroms aus erneuerbaren Energien, wurde von der Bundesnetzagentur 2012 vorgelegt. 2013 muss es deshalb ins Detail gehen. Vor allem die Bundesländer müssten sich besser abstimmen, sagt Staatssekretärin Katharina Reiche (CDU).

    "Wir können uns nicht 16 Einzelwenden und Einzelziele leisten. Wenn man die in den Bundesländern addiert, dann kommt man auf sehr viel mehr, als der Bund je an Ausbauzielen der erneuerbaren Energien geplant hat."

    Und ein anderes wichtiges Thema der Energiewende – das Stromsparen oder der Ausbau der Energieeffizienz – ist auch noch eine Baustelle. Experten gehen davon aus, dass mittelfristig zwischen 20 und 30 Prozent durch effizientere Techniken eingespart werden können. Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe:

    "Eine wichtige Maßnahme ist hier allein das Kontrollieren seitens des Staates – ob etwa der Stromverbrauch des Kühlschranks oder der Spritverbrauch des Neuwagens tatsächlich korrekt ist. Wir stellen derzeit beispielsweise bei Neuwagen Abweichungen von 40 Prozent und mehr fest. Das kann so nicht bleiben."

    Somit stehen 2013 wichtige Maßnahmen zum Gelingen der Energiewende auf der Tagesordnung. Doch darf davon ausgegangen werden, dass dies auch noch 2014 gilt.