Donnerstag, 28. März 2024

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"Die Völkergemeinschaft lässt sich nicht an der Nase herumführen"

Auch Außenminister Guido Westerwelle wird an der Münchener Sicherheitskonferenz teilnehmen, die heute beginnt. Eines der Themen wird der Iran und seine Atompolitik sein. Einen atomar bewaffneten Iran gelte es zu verhindern, erklärte Westerwelle. Anderenfalls würde die Stabilität der Weltgemeinschaft stark beeinträchtigt werden.

Guido Westerwelle im Gespräch mit Sandra Schulz | 05.02.2010
    Sandra Schulz: Am Telefon begrüße ich einen weiteren Teilnehmer der Konferenz: den deutschen Außenminister und FDP-Vorsitzenden. Guten Morgen, Guido Westerwelle.

    Guido Westerwelle: Guten Morgen, Frau Schulz.

    Schulz: Der Atomstreit mit dem Iran ist eines der Themen. Präsident Ahmadinedschad hat Mitte der Woche ja überraschend ein Entgegenkommen signalisiert mit der Bereitschaft, gering angereichertes Uran für den Betrieb in iranischen Kraftwerken im Ausland weiter anreichern zu lassen. Muss der Westen jetzt auf den Iran zugehen?

    Westerwelle: Wenn der Iran wirklich Vorschläge macht und vor allen Dingen auch bei der internationalen Energiebehörde in Wien einbringt, dann werden wir das selbstverständlich auch seriös und solide prüfen, aber bisher sind es nur Worte. Der Iran hat ja in den letzten beiden Jahren mehrfach auch getäuscht und getrickst, er hat auf Zeit gespielt, und wir können natürlich eine atomare Bewaffnung des Irans als Völkergemeinschaft nicht akzeptieren. Deswegen zählen nicht Worte, sondern es zählen nur Taten, und wir fordern auch den Iran auf, zurückzukehren zu Verhandlungen, zur Gesprächsbereitschaft und zur völligen Transparenz.

    Schulz: Und dahinter steckt die Sorge, dass der Iran bald Nuklearwaffen haben könnte? Ist das so?

    Westerwelle: Das ist genau das, was verhindert werden muss. Es ist ja so, dass der Iran die Weltgemeinschaft getäuscht hat. Es hat eben atomare Anreicherungsprogramme gegeben, die leider dann auch in der Lage wären, waffenfähiges Material herzustellen, im Geheimen, im Verborgenen, ohne dass zum Beispiel die Internationale Atomenergiebehörde in Wien, die ja dafür zuständig ist, informiert worden ist, und das ist natürlich etwas, was wir nicht akzeptieren können. Ein atomar bewaffneter Iran, das wäre ja nicht nur eine Bedrohung für die Länder in der Region; es würde auch vor allen Dingen die Weltgemeinschaft erheblich beschäftigen und auch die Stabilität gefährden, denn daraus wird ein atomarer Rüstungswettlauf und das gilt es zu verhindern. Das ist ja auch vereinbart worden in der Völkergemeinschaft. Dementsprechend werden wir natürlich darüber auch in München reden. Sollte der Iran in München neue Vorschläge einbringen, dann werden wir auch darüber reden, aber abermals: es muss natürlich dann auch die Tat folgen. Ein Fernseh-Interview des iranischen Präsidenten, das ist noch keine Verhandlungsinitiative.

    Schulz: Und diese Forderung liegt jetzt ja auch schon ein bisschen länger auf dem Tisch, dass den Worten auch Taten folgen müssen. Wie viel Zeit gibt man dem Iran denn noch?

    Westerwelle: Wir werden unverändert weiter mit unseren Verbündeten auch in den Vereinten Nationen darüber reden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Es gibt ja die sogenannten E3+3-Gespräche, die finden auch unverändert weiter statt, und wenn der Iran nicht einlenkt, wenn der Iran nicht bereit ist zur Transparenz, wenn der Iran sich weigert, weiter sich weigert, auch mit der Staatengemeinschaft zusammenzuarbeiten und auch mit den atomaren Kontrollinstanzen der Welt zusammenzuarbeiten, dann werden wir natürlich auch weitere Maßnahmen in der Völkergemeinschaft beraten, und dazu kann auch die Ausweitung von Sanktionen zählen.

    Schulz: Über welchen zeitlichen Horizont sprechen wir da? Wann müssen Sanktionen folgen?

    Westerwelle: Es geht nun nicht darum, die Entscheidungen heute vorwegzunehmen, sondern es geht erst einmal darum, dass die Gespräche ja laufen, und es geht natürlich auch darum zu klären, welche dieser Länder auch bei welchen Maßnahmen mitpartizipieren. Ich habe heute ein längeres Gespräch mit dem russischen Außenminister hier in Berlin verabredet, mit Sergei Lawrow, ich habe ja in den letzten Tagen unter anderem auch China besucht, und wir werden natürlich dann auch mit diesen wichtigen, wichtigen Staaten in der Welt reden, denn kein Staat in der Welt kann ein Interesse daran haben, dass ein so irrationales Regime wie der Iran Atomwaffen in die Hände bekommt.

    Schulz: Aber wenn Sie sich auf keinen Zeitplan festlegen, ist es dann nicht umgekehrt sehr rational, dass der Iran auf Zeit spielt?

    Westerwelle: Ich habe ja nicht gesagt, dass wir keinen Zeitplan haben; ich möchte nur noch nicht die Maßnahmen abschließend hier wiedergeben, denn die werden ja gerade derzeit besprochen. Die E3+3-Gespräche, sie laufen gerade und ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Wochen, also in den nächsten zwei, drei Monaten, insgesamt auch mit den Gesprächen weiterkommen werden. Es wird verhandelt, es wird geredet in der Völkergemeinschaft und der Iran muss wissen, auf Zeit spielen, das wird nicht funktionieren, die Völkergemeinschaft lässt sich nicht an der Nase herumführen, das darf sie auch nicht im Interesse der Sicherheit unserer Welt.

    Schulz: Der Deutschlandfunk im Gespräch mit dem FDP-Chef Guido Westerwelle. Wir wollen noch über die Lage der Liberalen sprechen. Nach dem gerade veröffentlichten ARD-Deutschlandtrend brächen die Liberalen um drei Punkte auf acht Prozent gegenüber dem Vormonat noch einmal ein. Was ist Ihre Analyse? Womit hat die FDP das verdient?

    Westerwelle: Ich glaube, wir wissen alle, dass Umfragen Momentaufnahmen sind, gute wie schlechte. Entscheidend sind die Ergebnisse, ist die richtige Politik, und die Ergebnisse unserer Politik in der Bundesregierung, die stimmen. Wir haben in diesen ersten 100 Tagen der Bundesregierung zum Beispiel wesentlich die Familien entlastet und den Mittelstand gestärkt. Das ist das, was wir vor der Wahl ja auch angekündigt hatten als FDP, und das haben wir bereits jetzt schon in konkrete Taten umgesetzt. Dass es da Gegenwind gibt, damit müssen wir leben, dass vor allen Dingen die Opposition unsere Politik der Mittelstandsstärkung als Klientelpolitik diffamiert. Das halte ich für unangemessen, weil ja Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland immer noch zu allererst im Mittelstand geschaffen werden. Aber wir werden uns natürlich auch gegen diese Kritik zur Wehr setzen, denn entscheidend ist, dass wir in Deutschland einen Politikwechsel bekommen, denn man darf nie vergessen, wer den Karren in dieser Republik ...

    Schulz: Herr Westerwelle, Sie sind ja jetzt an der Regierung.

    Westerwelle: Entschuldigen Sie bitte. Was sagten Sie?

    Schulz: Sie sind ja jetzt an der Regierung. Wann wird sich die FDP denn in ihrer Rolle als Regierungsmitglied auch finden?

    Westerwelle: Ach das haben wir. Dass es natürlich in den ersten 100 Tagen nicht gelingen kann, all das, was in elf Jahren falsch gelaufen ist, zu korrigieren, das versteht sich von selbst. Nehmen Sie die Gesundheitspolitik; in der Gesundheitspolitik sehen wir jetzt das Ergebnis der letzten Jahre: Gesundheitsfonds und Zusatzbeiträge, all das, was jetzt derzeit auch kontrovers diskutiert wird, ist ja keine Erfindung der jetzigen Regierung oder der FDP, sondern das hat der neue Gesundheitsminister Philipp Rösler ja vorgefunden, das ist das Produkt der letzten Legislaturperiode und der Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt. Und dass Philipp Rösler sich ans Werk macht, das jetzt abzuräumen und vor allen Dingen auch das Gesundheitssystem wieder generationsfest zu machen, dafür zu sorgen, dass ältere Menschen eben nicht durchs Rost fallen, das begrüße ich und das braucht natürlich auch Mut und Ausdauer und da muss man sich auch dem Gegenwind stellen, aber wir werden das bestehen.

    Schulz: Und wie hilfreich war es da, dass der Gesundheitsminister Rösler mit seinem Rücktritt kokettiert hat in der Talkshow Beckmann, als er davon sprach, dass wenn er das nicht werde durchsetzen können, dann wolle ihn als Gesundheitsminister niemand mehr? Wie hilfreich war das?

    Westerwelle: Das hat er nicht. Philipp Rösler hat, wie es sich gehört für einen Minister neu im Amt, sein großes persönliches Engagement zum Ausdruck gebracht, und so soll es ja auch sein, dass wenn jemand ein so schweres Amt übernimmt, wie das des Gesundheitsministers, dass er sich da auch dieser Aufgabe mit Haut und Haaren verschreibt. Aber er muss auch eine Chance haben und absolut unfair ist es, wenn dann von einigen, die selbst die Probleme mit ihrer Gesundheitspolitik in den letzten Jahren ja zu verantworten haben, jetzt in den ersten 100 Tagen das Ergebnis ihrer verfehlten Politik dem Gesundheitsminister als Kritik vor die Füße werfen.

    Schulz: Finden Sie dann die parteiinternen Debatten in der FDP fairer, zum Beispiel, dass der FDP-Chef Kubicki den Vorstoß von Andreas Pinkwart, dem FDP-Chef in Nordrhein-Westfalen, als blanke Panik bezeichnet hat? Finden Sie das fairer?

    Westerwelle: Ich will über die Sache etwas sagen. Sehen Sie, es ist ja so, dass wir den Mittelstand stärken, und dazu zählt natürlich auch die Tourismuswirtschaft. Da ist manches hineingeheimnist worden. Was dabei vergessen wurde ist, dass alle Nachbarländer um Deutschland herum mit einer einzigen Ausnahme längst den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für das Übernachtungsgewerbe haben. 22 von 27 Mitgliedern der Europäischen Union haben das so beschlossen.

    Schulz: Darüber haben wir ja auch schon ausführlich berichtet. Fanden Sie das fair?

    Westerwelle: Frau Schulz, kann ich den Gedanken bitte freundlicherweise noch zu Ende machen?

    Schulz: Wenn es schnell geht.

    Westerwelle: Das war eine Wettbewerbsverzerrung, die wir nicht akzeptieren können. Da geht es um Hunderttausende von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und dementsprechend haben wir das auch angepackt. Das stand in unserem Wahlprogramm, übrigens in den Wahlprogrammen auch der anderen Parteien, zum Beispiel der Linkspartei. Statt dass wir dafür kritisiert werden, sollten ...

    Schulz: Herr Westerwelle, an dieser Stelle muss ich Sie leider aus Zeitgründen unterbrechen. Es tut mir sehr leid. – Guido Westerwelle, der FDP-Vorsitzende und Außenminister, heute Morgen in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk.