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Die Welt ist nicht genug (Teil 2)

Fernseh- und Radiosender, Satellitenbauer, die European Space Agency ESA, aber auch Geheim- und Nachrichtendienste: Sie alle setzen auf deutsche Spezialantennentechnik aus Duisburg, eine Technik, mit der man sogar fremde Planeten belauschen kann.

Von Klaus Deuse | 29.06.2012
    "Wir machen hier gerade die 3-D-Entwicklung von einem antennenspezifischen Bauteil. Das ist ein sogenannter Til-Con, das heißt, wir haben eine um die Aximod-Achse veränderlich schwenkbare Antennenachse, plus minus drei Grad in dem Fall."

    Mit ein paar Mausklicks bringt Lars Springer dieses Bauteil auf dem Monitor in eine andere Position, demonstriert in 3-D die Beweglichkeit. Für einen Laien besitzt dieses Bauteil mit einer herkömmlichen Antenne nicht die geringste Ähnlichkeit.

    Bei Vertex in Duisburg baut man allerdings auch keine gewöhnlichen Antennen. Das Projekt, an dem Lars Springer arbeitet, heißt übrigens "Daemos 2" und soll mit einem Satelliten im Weltall kommunizieren:

    "Daemos, aus dem Griechischen: "der Schrecken". Im Prinzip wird da ein zweiter Satellit jetzt ins All geschossen, der eine Katastrophenanalyse macht aus dem Weltall, der agrarwirtschaftlich genutzt werden kann. Kunden können diesen Satelliten nutzen, zum Beispiel Infrastruktur sich genau anzeigen zu lassen. Und diese Antenne, das ist ein Zehnmeterreflektor, wird in Puerto Lano stehen, das ist ungefähr 250 Kilometer südlich von Madrid."

    Vertex liefert bewegliche Spezialantennen in der Größenordnung von sechs bis zu 35 Metern in alle Welt. Antennen, die man als Ohr ins Weltall bezeichnen könnte. Lauschen, sagt Diplomingenieur Klaus Düspohl, sei die eine Eigenschaft:

    "Das ist im Bereich der Astronomie der Fall. Da müssen wir unterscheiden: Die Astronomen wollen lauschen und die anderen Nutzer unserer Antennen, die wollen auch senden. Informationen eben zum Satelliten hochschicken oder zu irgendwelchen Deep-Space-Probes."

    Zu den Kunden von Vertex gehört unter anderem die European Space Agency ESA, die eine 35-Meter-Antenne für Kontrollaufgaben bei Deep-Space-Missionen nutzt. Also für Signale ganz tief ins All. Die Reichweiten dieser Anlagen übersteigen das Vorstellungsvermögen eines durchschnittlichen Erdenbürgers. Antennenspezialist Düspohl versucht es trotzdem:

    "Die Deep-Space-Missionen der ESA, die reichen Lichtjahre wahrscheinlich von der Erde entfernt, sodass immer noch eine Verbindung zur Erde über diese 35-Meter-Antenne hergestellt werden kann."

    Die Kompetenz der Vertex-Antennentechniker ist weltweit gefragt. So lieferte das Unternehmen 25 Antennen im Wert von über 150 Millionen Euro für das größte Radioteleskop-Feld der Welt namens "Alma", das internationale Finanziers auf einem 5.100 Meter hohen Plateau in Chile errichten. Durchmesser jeder Einzelantenne: zwölf Meter. Dabei handelt es sich, wie Klaus Düspohl erläutert, um reine Lauschantennen im 1000-Gigahertz-Bereich:

    "Alma ist ein Array, was am Ende bestehen soll aus 64 Zwölf-Meter-Radioteleskopen. Die Astronomen haben natürlich immer wieder neue Anforderungen spezifiziert, sodass man auf der einen Seite ein closed packing hat, das heißt alle 64 Antennen zu einer großen zusammenschieben kann. Oder diese transportablen Antennen so weit auseinandersetzen kann, dass man damit die Möglichkeit hat, eben ganz gezielt auf einige wenige Sterne die Antennen zu positionieren."

    Die Finanziers von "Alma" kommen aus Europa, den USA und Japan und haben mit der Anlage sprichwörtlich Großes im Sinn. "Alma" soll kalte Gaswolken, unentdeckte Planeten und somit uralte Strukturen des Weltalls sichtbar machen. Und zwar über 13 Milliarden Lichtjahre hinweg. Rund 70 Mitarbeiter sind bei Vertex am Standort Duisburg mit der Entwicklung und Konstruktion von Spezialantennen beschäftigt.

    Den Jahresumsatz beziffert Klaus Düspohl auf circa 30 Millionen Euro. An Aufträgen mangelt es nicht. Hochleistungsantennen benötigen schließlich nicht nur Astronomen, sondern auch die deutschen Fernsehsender für ihre Kommunikationssatelliten,

    "um da ihre Programme hoch zu schicken. Und aber auch, um hier dann auch die einzuspeisen in die terrestrischen Netzwerke."

    Zum Kreis verlässlicher Auftraggeber gehören außerdem ausgesprochen illustre Stammkunden. Und zwar Geheim- und Nachrichtendienste aus West- und Osteuropa. Denn neben Radioteleskopen baut Vertex auch Bodenstationen für die Satellitenkommunikation sowie Antennen für militärische Zwecke und Abhöranlagen:

    "Wir haben Kunden aus dem nachrichtendienstlichen Bereich. Wir bezeichnen diese Anlagen als Monoring-Stationen. Und da ist bei sehr vielen Regierungen natürlich das Interesse groß, unabhängig von irgendwelchen anderen Informationsquellen, eigenständige Anlagen zu betreiben, was uns sehr freut."

    Mehr will und kann Klaus Düspohl nicht verraten. Außer dass es im nachrichtendienstlichen Bereich um den Empfang von geostationären Satelliten in 36000 Kilometer Höhe geht. Damit ist dieses Kapitel beim Rundgang beendet. Vor der Auslieferung findet für jede Antenne in der Integrationshalle eine Art Endkontrolle statt. Und zwar, wie es in der Technikersprache heißt, in einer Anti-Correct-Chamber. Diese Kammer mit den Ausmaßen eines großen Containers gleicht in ihrem Inneren einer Blue Box. Alles in sattem Blau:

    "Da sehen Sie ja hier die ganzen Zacken, das heißt also, dort werden die elektromagnetischen Wellen nicht reflektiert und es wird also mithilfe eines kleinen Senders noch mal überprüft, ob die hochfrequenztechnischen Eigenschaften dieses Feed-Systems tatsächlich den geplanten Werten entsprechen."

    Wenn alles übereinstimmt, dann hat Wochen zuvor auch Monika Tursik ganze Arbeit geleistet. Die gelernte Radio- und Fernsehtechnikerin bestückt nämlich das Innenleben der Antennen:

    "Ich bin hier für den Bereich Integration zuständig und verkabel die Geräte intern in den Racks mit den verschiedensten Steckern und Kabeln. Da haben wir zum Beispiel ein ACU, DTR, DTU, die werden halt untereinander verkabelt mit SUB-D-Steckern, SO4 Kabel usw."

    Das hört sich nicht nur kompliziert an. Je nach Anlagentyp benötigt Monika Tursik bis zur Fertigstellung knapp vier Wochen. Eine Aufgabe, die ein hohes Maß an Geschicklichkeit erfordert. Und Geduld. Die wird sie auch weiter brauchen, denn für Anlagen von Vertex, sagt Klaus Düspohl, gibt es eine große Nachfrage:

    "Ja, wir sehen den Trend dahingehend, dass Endkunden einen Satelliten kaufen und auch gleichzeitig ein Bodensegment mitbestellen. Das heißt: Es kommen die Satellitenbauer für uns als Kunden mehr und mehr infrage. Und da sind wir momentan dabei, diesen Bereich ein bisschen auszubauen. Wir sind momentan sehr aktiv in Russland."

    Aber nicht nur dort, sondern auf dem ganzen Globus.