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Die Welten des Islams

Im CaixaForum in Madrid ist die millionenschwere Prestigeausstellung "Los Mundos del Islam", "Die Welten des Islams", zu sehen. Anhand von 180 Objekten aus der Sammlung des Aga Khan zeigt die Schau, wie der Islam über ein Jahrtausend lang die Kulturen der Völker beeinflusste.

Von Beatrix Novy | 22.07.2009
    Eines der Imageprobleme des Islam liegt in seiner Wahrnehmung als undurchlässige Einheit und in der fehlenden Differenzierung von Religion und Kultur. Dass das nicht von ungefähr kommt, ist kein Grund, nicht trotzdem immer so genau wie möglich hinzuschauen.

    Ausgerechnet eine sichtbar millionenschwere Prestigeausstellung im Madrider CaixaForum erweist sich schon im Titel als wichtige Anregung dazu: "Los mundos del Islam" - "Die Welten des Islams". Denn die eine Welt des Islams gibt es nicht. Die enorme räumliche und zeitliche Ausdehnung der Eroberungen durch islamische Herrscher, die Etablierung neuer Dynastien, das Zusammenwachsen mit den überwundenen Kulturen, das alles spiegelt sich in der weiten künstlerischen Vielfalt von 180 Objekten, die der Aga Khan jahrzehntelang gesammelt und für ein noch nicht fertig gebautes Museum in Toronto vorgesehen hat.

    Von Cordoba bis Damaskus, von Bagdad nach Delhi - die Ausstellung wandert die Wege ab, auf denen der Islam über ein Jahrtausend lang die Kulturen der Völker beeinflusste - das Wort Eroberung spart die Ausstellung dezent aus - und neue, amalgamierte hervorbrachte.

    Als die Omayaden-Dynastie Anfang des 8. Jahrhunderts das Mittelmeer überquerte und die westgotische Herrschaft Iberias wegfegte, brachten sie einen Austausch mit dem Orient in Gang. In den kommenden Jahrhunderten brachen Pilger und Gelehrte von Spanien auf nach Mekka und in andere östliche Zentren, zurück brachten sie vergessene Kulturleistungen des griechischen Altertums, Texte und Techniken - das war die Basis von Al-Andalus, der eine Zeit lang blühenden Synthese im Zusammenklang muslimischer, christlicher und jüdischer Wissenseliten.

    Europa und seine Renaissance sind ohne diesen Rückimport seiner eigenen Wurzeln nicht denkbar, dass aber die Kultur von Al-Andalus wiederum nach Nordafrika, nach Marokko, Tunesien, sogar bis Mali ausstrahlte, ist weniger bekannt. Die Kunstfertigkeit des Mudejar-Stils, für den eine floral ziselierte Marmor-Grabstele zeugt, sollte dann später in den christlichen Königszentren Südeuropas fortleben. Nüchtern modern und archaisch zugleich wirkt die kaum noch abbildhafte, ornamental verfremdete Taube aus Bronze, die auf Sizilien gefunden wurde.

    Es blieb auch nicht folgenlos, dass die Dynastie der Omayaden aus Syrien vertrieben wurde und sich ganz nach Al-Andalus zurückziehen musste. Jetzt betonte ihre Kunst den östlichen Einfluss. Sie sollte zeigen, dass man den Machtanspruch auf die alte Heimat nicht aufgab. Florale und kalligrafische Motive zieren die hölzernen Balkenträger aus dem Toledo des 13. Jahrhunderts.

    Andere Dynastien gelangten in Syrien, gleichzeitig in Ägypten, an die Macht. Kairo, gegründet um das Jahr 1000, wurde zu einem neuen Machtzentrum. Das Mesopotamien des zehnten und elften Jahrhunderts bringt allerfeinst ziselierte Goldarbeiten hervor, dazu Miniausgaben des Korans und die berühmten Goldseidenstoffe, um die man sich schon im Europa des Mittelalters riss. Weiter geht es durch die ägyptische Geschichte, der die Herrschaft einer ehemaligen Sklavenkaste, der Mamelucken, eine Aufwertung individueller Herrscherpersonen und damit fantastische Mausoleen bescherte. Den Osten und Europa gleich mit eroberten die im Iran entwickelten zylindrischen, natürlich reichverzierten Apothekervasen. Sehr deutlich wird, dass der im siebenten Jahrhundert eroberte Iran seinen arabischen Bezwingern kulturell mehr zu bieten hatte, als umgekehrt: Glas- und Metallkunst, Wandmalerei, Seidenfertigung. Das islamische Repertoire übernimmt nun auch dekorative Elemente wie Perlenschnüre und Tierdarstellungen.

    Bei der Eroberung Indiens brachte Babur iranische Künstler mit, die wiederum seit dem Mittelalter von chinesischen Einflüssen mitgeprägt waren: Herrliche Miniaturen auf Geschirr und Porzellanen belegen es, ebenso der Drachenbezwinger auf dem wasserkolorierten Bild in Gold- und Silbertinte oder die bukolische Picknickszene von 1530.

    Am Ende steht eine Darstellung des Palastes von Delhi, die durchaus an die eines europäischen Herrscherschlosses erinnert - aber da schreiben wir schon das Jahr 1830. Zu dieser Zeit haben sich Porträts, Landschafts- und Genrebilder eingebürgert. Sie wirken recht vertraut, wenn man davon absieht, dass Frauen fast nie zu sehen sind.