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Die Whiskymacher

Auf Islay, der südlichsten Insel der Inneren Hebriden, leben 3400 Menschen und gut 30.000 Schafe auf kaum weniger als 500 Quadratkilometern. Für Glanz und ein wenig Glamour und nicht zuletzt für Arbeitsplätze sorgen einzig die Destillerien der Insel. Sieben legendäre Brennereien gibt es, die jedes Jahr rund 25 Millionen Liter Whisky in die ganze Welt verschicken.

Von Jörn Klare; Redakteur am Mikrofon: Norbert Weber | 05.04.2008
    Von Dünen gesäumte Strände, ferne Hügel, Klippen, Torfmoore, Hinkelsteine, verlassene Siedlungen und Überbleibsel aus der Keltenzeit: Islay, die südlichste Insel der Inneren Hebriden, 40 Kilometer lang, maximal 32 Kilometer breit, ist ein dicht gewebter Teppich aus zahlreichen geografischen und geschichtlichen Kostbarkeiten.

    Geografisch liegt das rund 620 Quadratkilometer große Eiland westlich von Glasgow, hat 3500 Einwohner und etwa neunmal so viele Schafe. Rundherum braust das Meer, der Atlantik - wild und unberechenbar. Die Häuser der kleinen Siedlungen sind nur selten höher als zwei Stockwerke. Wind, Wetter und Geldbeutel erlauben auf Islay keine Extravaganzen.

    Einfach und bescheiden wie die Häuser sind auch die ausgesprochen freundlichen lleachs, die Menschen von Islay. Für Glanz und ein wenig Glamour und nicht zuletzt für Arbeitsplätze, sorgen einzig die Destillerien der Insel. Acht legendäre Brennereien gibt es, die jedes Jahr rund 25 Millionen Liter Malt-Whisky - hergestellt aus gemälzter Gerste, Hefe und Wasser - in die ganze Welt verschicken. Seit Hunderten von Jahren widmen sich die Ileachs mit Leidenschaft, wie sie sagen, ihrem "Lebenswasser".



    Ein Leben im Einklang mit der Natur - James Brown und sein Wasser
    Im Westen von Islay: Eine schmale Straße, geteert, aber alles andere als eben. Links die Küste, der Atlantik, kleine kabbelige Wellen. Rechts sanft ansteigende Hügel. Saftiges grünes Gras, Heidekraut, vereinzelte Felsbrocken, hin und wieder ein einfaches weißgetünchtes Farmhaus.

    Am Steuer des Pick-Up - James Brown. Nein, keine Wiederauferstehung der amerikanischen Soullegende. Dieser James Brown ist Schotte mit breiten Schultern und breitem Grinsen. Die blonden Haare und blauen Augen - ein deutlicher Hinweis darauf, dass hier vor vielen hundert Jahren die Wikinger herrschten. James war 33 Jahre lang Leuchtturmwärter.

    "Jetzt ist alles automatisch. Eigentlich stehen sie nur noch da, weil die Segler sie so gern sehen. Da steckt schließlich eine 200-jährige Geschichte dahinter."

    Das mit den Leuchttürmen war nur ein Nebenjob, einer von vielen. James ist zudem halbprofessioneller Dudelsackspieler, Teilzeitpolizist und Bauarbeiter; vor allem aber ist er Bauer wie sein Vater und sein Großvater. Und jetzt läuft gerade seine Lieblingsmusik

    "Ich bin jetzt 56 und habe das mein ganzes Leben gemacht. Das war viel harte Arbeit. Aber es tut gut. Man nutzt sein Gehirn und seine Muskeln - arbeitet mit Maschinen und Tieren. Von allem ein bisschen, und kein Tag ist wie der andere."

    Ein entgegenkommendes Auto. James winkt. Das tut er bei jedem Fahrzeug, das ihm auf der Insel begegnet. Egal ob er den Fahrer nun kennt oder nicht, denn so ist es auf Islay Sitte oder fast schon Pflicht.

    Mit kniehohen Gummistiefeln im tiefen Matsch: James ist auf einer Art Kontrollgang. Vielleicht geht es ihm aber auch nur um die herrlich frische Luft.

    "Das ist die Quelle. Original von 1825."

    Ein schmaler Steinbottich in einer Senke. Unter dem schweren Deckel: Wasser. James hat ein Glas dabei, nimmt einen Schluck - und strahlt. Dieses Wasser ist etwas Besonderes, nicht nur weil es so herrlich kühl und rein ist.

    "Das geht in die ganze Welt. Dabei ist das einfach nur Quellwasser, kein Schnickschnack. Und doch reist es bis nach Russland, Japan, Amerika, Spanien - sogar nach England."

    James grinst. Er macht gerne Witze über England. Er ist Schotte, das verpflichtet. Und sein Wasser reist nicht aus Neugier. Es reist seit sieben Jahren in den Whiskyflaschen der nahen Brennerei von Bruichladdich.

    "Sie brauchen es, um den Whisky zu verdünnen. Fast ein Viertel jeder Flasche besteht aus diesem zauberhaften Quellwasser."

    Der große Mann, sonst ein eher bescheidener Typ, ist mächtig stolz.

    "Es wird von den zweitältesten Felsen Europas gefiltert. Es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, wo es genau herkommt. Aber die alten Leute hier sagen, dass es von dem großen Hügel dort hinten kommen muss, den sie Dukawuki nennen."

    James zeigt auf einen kleinen, etwa zwei Kilometer entfernten Berg. Das mit dem Wasser ist mittlerweile ein richtig gutes Geschäft. Die Destillerie schätzt und braucht es, um ihren Whisky von der Fass-Stärke mit gut 60 Prozent Alkohol auf 46 Prozent zu verdünnen. Ein paar tausend Liter liefert James jeden Monat. Wie viel er dafür bekommt, will er nicht sagen.

    "Ich mag die Typen von der Brennerei und arbeite gern mit ihnen. Und das Wasser ist ja sowieso da. Die Geschäfte machen zwar Fortschritte aber es läuft immer noch zu deren Vorteil. Ich bin ja nur ein verschlafener Bauer."

    Seine Augen blitzen dabei alles andere als verschlafen. Er gehört jetzt irgendwie auch zur großen Whiskyfamilie von Islay mit ihren acht Destillerien. Das gefällt ihm. Zumal: Mit seinem Bauernhof hatte er in den letzten Jahren nicht so viel Freude.

    "Die Landwirtschaft hat jahrelang in einer Krise gesteckt. Vielleicht dreht sich das jetzt. Nur Landwirtschaf, das reicht nicht. Die Frauen der meisten Bauern hier müssen irgendetwas außer Haus arbeiten."

    Ein großer Schwarm Wildgänse fliegt vorbei. Auch die sind wichtig. Zu seinen Dutzenden Fleischkühen, der Gerste, die er ebenfalls an die Destillerie verkauft, und den diversen Nebenjobs kommen auch noch Zuschüsse für die vielen meist aus Grönland kommenden Vögel, die den Winter über bis in den April hinein Zuflucht auf Islay suchen.

    "Wir bekommen Geld für die Gänse, weil die das ganze junge Gras fressen. Es gibt schon einige Möglichkeiten, nebenher etwas Geld zu verdienen. Aber das ist auch nötig. Nur mit der Landwirtschaft könnte hier keiner überleben."

    James streicht sich die vom Wind verwuschelten Haare aus dem Gesicht. Er muss weiter, die Kühe füttern. Was bedeutet es ihm hier zu leben? Er schaut sich um, die Hügel, das Meer, die vereinzelten Häuschen, stemmt die Hände in die Hüften.

    "Alles"," sagt er, ""einfach alles."

    "Ich denke, es ist ein ausgesprochenes Glück, an diesem Ort hier zu leben. An keiner Tür unseres Hauses gibt es ein Schloss. Wenn wir verreisen, ziehen wir einfach die Tür zu. Sieh dich um! Schöner geht es nicht. Man muss es einfach genießen. Und genau das ist es, was ich tue. Hör einfach nur auf dieses Wasser, wie friedlich es ist, wie ruhig."


    Auch in Ralf Bernhardts und Hans-Georg Würschings Kriminalroman "Wasser, Gerste, Leiche" spielt der schottische Whisky eine zentrale Rolle. Ein Serienmörder, der eigentlich ein Rächer ist, bringt seine Opfer ausgerechnet mit deren Lieblingswhisky zur Strecke. Der wird allerdings auf eher außergewöhnliche Art und Weise verabreicht.

    "Als er dieses Mal zu sich kam, fielen ihm die qualvollen Sekunden vor seiner Ohnmacht nur zu deutlich wieder ein. Nur mühsam konnte er ein erneutes Panikgefühl unterdrücken und sich nach und nach beruhigen. Langsam konnte er sich dann auch auf seine Umgebung und den Rest seines Körpers konzentrieren.

    In seinem linken Handrücken spürte er einen leichten Schmerz und als er in diese Richtung schielte, entdeckte er eine fachmännisch angelegte Braunüle und daran einen Schlauch, der offensichtlich zu einem Gestänge im Halbdunkel führte, an dem eine Infusionsflasche hing. Ich bin in einem Krankenhaus, war sein erster Gedanke. Seine Panik legte sich etwas. Aber warum war es dann hier so dunkel und warum war er gefesselt?

    Inzwischen hatten sich seine Augen ans Schielen gewöhnt und er erkannte, dass es sich nicht um eine normale Infusionsflasche handelte, sondern um eine auf dem Kopf stehende Flasche Whisky, die an dem Gestänge befestigt war. Auf ihrer Öffnung befand sich ein Korken, in den das andere Ende des Schlauchs führte. Das Stück Schlauch bis zur Rollklemme war mit der strohgelben Flüssigkeit des Whiskys gefüllt. Die Klemme war aber offensichtlich geschlossen, denn er konnte nichts tropfen sehen und der Schlauch unterhalb der Klemme war leer.

    Was sollte dieser Blödsinn? Was hatte das zu bedeuten? Seit wann bekam man in einem Krankenhaus Whisky intravenös verabreicht? Da stimmte doch was nicht!

    Beim näheren Betrachten der Whiskyflasche erkannte er das Etikett. Es handelte sich um einen 14jährigen Cask Strength Whisky der Stromness Distillery . Nicht auf die sonst übliche Trinkstärke von ca. 40 Prozent verdünnt sondern als Fassstärke, unverdünnt in die Flasche gebracht. In diesem Fall 59,9 Prozent, wie er noch genau wusste, denn es handelte sich um seinen Lieblingswhisky aus seiner Lieblingsbrennerei! Was hatte das jetzt alles nur zu bedeuten?

    Er sollte noch früh genug Antwort auf seine Frage erhalten. Und sie würde ihm gar nicht gefallen!"

    Vermutlich schon seit Ende des 13. Jahrhunderts wird auf Islay Alkohol aus Getreide destilliert. Das Verfahren war bei den Farmern allgemein beliebt und verbreitet. Die Voraussetzungen waren kein Problem, denn Wasser und dank der fruchtbaren Böden auch Gerste gab es ausreichend. Als Brennstoff diente der im Überfluss vorhandene Torf.

    Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Brennen von Alkohol in Schottland dann offiziell besteuert. Da sich aber niemand daran hielt, wurde das private Destillieren 1707 verboten, außer man erwarb eine staatliche Lizenz. In den folgenden Jahren kam es deswegen immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen. 1833 wurden zwölf offizielle Brennereien auf Islay gezählt, fünf davon existieren heute noch. In dieser Zeit begann auch der Siegeszug der Blends, der Mischung aus Grain- und Malt-Whiskys verschiedener Brennereien, die seither den Markt dominieren.
    Etwa 90 Malt-Destillerien gibt es in ganz Schottland. Acht davon stehen auf Islay. Die Insel hat den Status einer eigenen Herkunftsregion. Rund ein Viertel aller schottischen Malt-Whisky-Exporte stammen von hier. Und die Geschäfte laufen gut, denn die Exportzahlen der schottischen Whisky-Industrie steigen. Insgesamt sind es über eine Milliarde Flaschen im Jahr, was rund ein Viertel aller britischen Lebensmittelausfuhren ausmacht. An erster Stelle der Abnehmer steht Frankreich. Deutschland liegt auf dem zehnten Platz. Besonderes Augenmerk gilt den neuen Märkten in Russland, Indien und in China.


    Die Whiskyproduktion ist ein schwieriges Geschäft - Mark Reynier der Destilleriebesitzer
    Mark Reynier ist auf dem Weg zur Arbeit: von Portnahaven die schmale Landstraße hinauf nach Bruichladdich zu seiner Destillerie. Der uralte Landrover, den Mark - Mitte 40, das schwarz graue Haar etwas wirr im zerknitterten Gesicht - fährt, ist ein Ersatzwagen. Sein eigentliches Auto hat er vor ein paar Tagen hier ins Feld gesetzt. Die Kurve war zu eng. Da ist er geradeaus gefahren. Er brauchte die Hilfe zweier Traktoren, um das Gefährt wieder auf die Straße und in die Werkstatt zu bringen. Mark hatte es eilig wie jetzt auch, wie eigentlich immer. Mark ist Manager.

    Die Irische See, die Weltkriege, die Minen der deutschen Kriegsmarine, die immer noch hier rum schwimmen . Die vielen Geschichten und Anekdoten von und um Islay. Mark kennt die meisten, und er erzählt sie gern. In der Ferne taucht die Brennerei auf. Der Name Bruichladdich steht für ein knappes Dutzend Häuser direkt an der Küste und eben auch für die 1881 erbaute Brennerei: ein zweistöckiger Gebäudekomplex, strahlend weiß gestrichen, vom Meer nur durch die schmale Küstenstraße getrennt. Ein Paar der Produktionsgebäude ein wenig höher, vor allem die ehemalige Mälzerei mit dem für die schottischen Brennereien typischen Pagodendach. Etwas weiter hinten den Hügel rauf: mächtige, dunkle, fensterlose Lagerhäuser.

    "Die Leute hier sind sehr individualistisch","

    sagt Mark, mittlerweile angekommen in der kleinen Halle, in welcher der Whisky vollautomatisch in die typisch dickbauchigen Flaschen von Bruichladdich abgefüllt wird.

    ""Man sagt hier niemandem, was er tun soll. Die sind einfach dickköpfig. Anweisungen? Das ist imperialistisch. 'Nein, wer bist du, dass du mir sagen willst, was ich zu tun habe?'"

    Mark grinst, wirft einen prüfenden Blick auf die neuen, recht bunten Etiketten. Er ist in London aufgewachsen, in einer Familie von angesehenen Weinhändlern. - der Vater Engländer, die Mutter, und das betont Mark gern und oft, Schottin. Vor sieben Jahren kam er mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn nach Islay und ist irgendwie immer noch dabei, sich einzuleben.

    "Du hast es hier mit anderen Leuten zu tun, einer anderen Rasse. Das sind keine Schotten. Das sind Illeachs, Inselbewohner. Die sind einfach anders. Wegen dieser Abgeschiedenheit - geografisch, kulturell -, besonders wegen der See. An den Küsten der Insel liegen 475 Schiffwracks. Das ist ein sehr gefährlicher Ort, der Atlantik eben. Deswegen hat sich das Blut der Leute hier kaum mit anderen vermischt. Es gibt ein starkes gälisches Temperament, das man den Leuten ansieht, diese Leidenschaft. Wenn sie dich hier mögen, tun sie alles für dich, wenn nicht, machen sie dich fertig."

    Mark ist jetzt in seinem kleinen Büro angekommen, das mit dem herrlichem Blick auf die Bucht von Loch Indaal. Auf dem Tisch stehen ein paar Flaschen der neusten Destillate und Abfüllungen. Die Leute hier mögen ihn. Schließlich hat er ihre Brennerei gerettet. Die war jahrelang geschlossen, bis Mark sie mit einer Reihe von Partnern im Jahr von einem amerikanischen Lebensmittelkonzern kaufte. Bei der Wiedereröffnung hielten ihn viele für verrückt. Nicht ganz zu Unrecht: Whiskyproduktion - ist ein schwieriges Geschäft. Wer eine Brennerei eröffnet oder wiedereröffnet, braucht Kapital, Geduld und Nerven. Das, was man brennt - bei Bruichladdich sind es etwa 700 000 Liter im Jahr - kann man allerfrühestens nach drei, besser aber erst nach mindestens zehn Jahren verkaufen. Und wie der Whisky schmecken wird, kann keiner genau sagen. In dem Kaufpreis von Bruichladdich über 7,5 Millionen Britische Pfund - knapp 10 Millionen Euro - waren aber auch 7000 Fässer alten Whiskys in den Lagern enthalten. Und da der Markt boomt, schreiben Mark und seine Leute mit ausgewählten Abfüllungen jetzt schon schwarze Zahlen. 47 Angestellte arbeiten bei Bruichladdich, so viele wie in keiner anderen Brennerei auf der Insel.

    Es klopft - Allen kommt herein. "Oh Allen!"

    Allen kommt herein, bringt ein paar Papiere. Ein Kerl wie ein Baum: 27 Jahre alt und schon Assistent des Betriebsdirektors. Allen ist praktisch in einer der Destillerien von Islay aufgewachsen. Sein Großvater arbeitete dort, sein Vater, sein Onkel und sein Bruder tun es heute noch. Dass Allen einen guten Job in einer guten Brennerei gefunden hat, ist alles andere als selbstverständlich.

    All seine alten Freunde sind weggezogen, sagt er. Keiner aus seiner Abschlussklasse lebt noch auf der Insel. Eine Schande, sei es, dass es nicht genug Jobs gebe. Viele würden gern zurückkommen, aber ohne Arbeit, ohne Wohnmöglichkeit ist das unmöglich.

    Dann geht er wieder. Mark lächelt. Er mag die Illeachs, die Leute von Islay, ihre Dickköpfigkeit, ihren ständigen Kampf um Unabhängigkeit. Schließlich ist er selbst genauso. Bruichladdich ist von einem einzigen, ganz neuen, kleinen Projekt abgesehen die einzige Brennerei auf Islay, die von den Besitzern auf der Insel selbst geführt wird .

    "Die anderen Destillerien werden alle von außerhalb gesteuert, entweder aus Tokio, New York, London, Paris oder Trinidad."

    Mark erhebt sich von seinem Stuhl, will noch etwas sagen, winkt dann aber ab. Er will raus aus dem Büro zu seinem Lieblingsort – dort, wo sein Whisky gemacht wird

    Der Geruch, der aus der gemälzten Gerste gewonnenen Zuckerlösung, liegt in der Luft. Mark liebt diesen Geruch.

    "Diese ganzen Maschinen von 1881 - das ist solide Ingenieursarbeit aus der viktorianischen Zeit: kein Schnickschnack, keine Mikrochips, keine Computersoftware, gute, einfache Wertarbeit. Wir haben alles auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt."

    Er steht zwischen riesigen hölzernen Bottichen mit je knapp 40.000 Liter Fassungsvermögen - die sogenannten washbacks - die zum Teil noch original aus dem Jahr 1881 stammen. Mark lächelt nicht, er strahlt, streichelt fast zärtlich über das alte Kiefernholz.

    "Das ist der wichtigste Ort einer Brennerei. 60 Prozent des Geschmacks entstehen hier. Und zwar durch Gärung: Wir nehmen dieses süße, braune Zuckerwasser aus der Gerste und geben nun Hefe dazu. Die Hefe isst den Zucker und erzeugt Alkohol, Kohlendioxid und Hitze, wobei uns aber vor allem der Alkohol interessiert."

    Zwei bis drei Tage benötigt der Gärungsprozess. Marks Blick - fast ein wenig versonnen.

    "Über 80 verschiedene Geschmacksstoffe entstehen dabei. 80, acht - null! Käse hat sieben! Es ist diese Unmenge von Geschmacksstoffen, die schottischen Whisky zu einem so komplexen Getränk machen. Und man kann diese Stoffe gar nicht genau identifizieren. Man kann nicht sagen, dieser Geschmack kommt von dieser Verbindung, dieser von jener, so einfach ist das nicht. Sie reagieren miteinander, sie überlagern, verstecken, ergänzen sich, das ist extrem unübersichtlich und vielschichtig. Deswegen muss man kein Spitzenwissenschaftler sein, um herauszufinden, dass man das hier sehr sorgfältig und geduldig angehen sollte. Man darf nicht drängeln, nichts erzwingen. Und am Ende hat man dann hier eine Art Bier mit etwa sieben Prozent Alkohol, ideal zum Destillieren, und das passiert dann eine Tür weiter."



    Nicht nur, dass der Mörder in Ralf Bernhardts und Hans-Georg Würschings Kriminalroman "Wasser Gerste Leiche" seine Opfer durch die intravenöse Verabreichung von deren Lieblingswhisky tötet - auch für die Leichen wählt er hochoriginelle Whisky-relevante Ablageplätze.

    "'Da oben, Mensch, die Wash Still, schau nur, unfassbar!', brachte der jetzt immerhin unter wildem Schnaufen heraus.

    Graham, jetzt selbst durch den Anblick von Percys angstgeweiteten Augen schon um einiges unruhiger als noch vor wenigen Minuten, hatte nun zumindest einen Anhaltspunkt. Er lies Percy wieder los und schaute auf die Wash Still No 2, in der gerade die erste Destillation der neuen Charge des Getränkes durchgeführt wurde, dass sich, nach dreijähriger Lagerung in Eichenfässern, dann endlich Whisky nennen durfte. 12.000 Liter der 'Sour Beer' oder auch 'Wash' genannten Flüssigkeit waren heute morgen, nach dem Ende des Fermentationsprozesses in den Wash Backs, über den Sammelbehälter, dem Wash Charger, in diese Brennblase gepumpt worden.

    'Also, was denn nun?', fragte Graham mittlerweile etwas ungehalten. 'Was soll denn damit sein? Ich seh' nichts!' 'Da, am Glas, sieh doch hin!', jammerte Percy schon fast Mitleid erregend. Ungefähr auf halber Höhe der Wash Still oder auch Low Wines Still genannt, war ein ovales Schauglas eingelassen. Es dient dazu, den Status des Brennvorgangs zu überwachen.

    Graham starrte also auf dieses Fenster, sah aber zunächst außer ein paar Schaumflocken nichts Ungewöhnliches und sagte das auch zu Percy. Aber der zeigte nur weiter auf das Fenster und stammelte: 'Da oben schwimmt er!'

    Als sich Graham von Percy wieder weg drehte und zur Wash Still sah, konnte er auch weiterhin nichts sehen, doch dann, nach einem kurzen Augenblick, war plötzlich ein Gesicht hinter dem Schauglas zu erkennen.
    Graham fuhr der Schock in alle Glieder, während sich Percy neben ihm über seine Schuhe erbrach."

    Isaly kann nur mit Hilfe einer Autofähre oder über einen kleinen Flughafen erreicht werden. In den acht Destillerien der Insel sind schätzungsweise nur rund 100 Menschen ganz konkret mit der Whiskyproduktion beschäftigt. Eine weitaus größere Zahl aber profitiert indirekt vom "Lebenswasser". Dazu zählen zuerst die Mitarbeiter der Besucher- und Informationszentren der einzelnen Brennereien, die zuliefernden Handwerksbetriebe, die wachsende Zahl von Landwirten, die neuerdings wieder Gerste direkt für einige der Brennereien anbaut und die zahlreichen Privatanbieter von Unterkünften und kleinen Hotels für die Whisky-Touristen aus aller Welt.

    Doch nach wie vor ist das Leben der Menschen auf Islay hart, sind die Möglichkeiten einen Beruf auszuüben begrenzt. Das mag auch der Grund dafür sein, dass viele Inselbewohner immer wieder aufs Festland abwanderten. Noch Anfang des 19. Jahrhundert lebten rund 15.000 Menschen auf Islay, heute sind es nur noch weniger als ein Viertel so viele.

    Und die, die zurückgeblieben sind, versuchen mit Jobs und Nebenjobs irgendwie über die Runden zu kommen - so wie der frühere Fischer Ruaraidh Macintyre.


    Schottland hat eine besondere Trinkkultur - Der Fischer, der jetzt Whisky macht
    Eigentlich ist es sehr einfach, sagt Ruaraidh Macintyre und hantiert mit einer Korbfalle von der Größe eines mittelgroßen Koffers, mittendrin ein kleiner Käfig für den Köder - toter Fisch.

    "Wenn dann die Krabbe oder der Hummer auf dem Seeboden angekrochen kommen, riechen sie den Köder und kriechen hier rein. Und dann kommen sie nicht mehr raus."

    Ruaraidh, rothaarig und rotbärtig, ist 46 Jahre alt, schlank, etwa 1,75 Meter groß.

    "Von der Falle am Grund führt ein Seil zu einer Boje an der Wasseroberfläche. Am nächsten Tag ruderst du also wieder raus, ziehst das Ding hoch, und manchmal ist die Falle leer und manchmal ist was drin."

    Er überprüft die Vertäuung seines Ruderboots am kleinen Kai der felsigen Bucht von Ardbeg. Auch dieser Name steht wie so oft auf Islay sowohl für eine kleine Siedlung als auch für eine traditionsreiche Whiskybrennerei.

    "Früher war ich hauptberuflich Fischer. Wir gingen aber nicht auf Hummer, sondern Muscheln - allerdings in einem viel größeren Boot. Davon konnte man eigentlich gut leben. Dann wurden es aber immer mehr Boote und immer weniger Muscheln. Die Preise stiegen - für das Benzin, die Ausrüstung, aber für unsere Muscheln bekamen wir nicht mehr Geld. Irgendwann hat sich das dann nicht mehr gelohnt."

    Im Hintergrund laden ein paar kräftige Männer leere Eichenfässer von einem Lkw. Ruaraidh richtet sich auf, streckt seinen Rücken

    "Als sie dann die Brennerei hier wiedereröffneten, suchten sie Leute, die für sie arbeiten. Weil es allgemein wenig Jobs gab, habe ich es auch versucht. Große Hoffnungen hatte ich nicht, aber sie haben mich genommen. Mit der Fischerei war dann Schluss. Wenn ich aber davon hätte leben können, wäre ich wohl dabei geblieben. Aber es hat einfach nicht genug gebracht, und ich hatte drei kleine Kinder. Ich musste aufgeben."

    Ein Blick auf die Uhr: Das Ende der offiziellen Pause naht. Seit 20 Jahren arbeitet Ruaraidh nun schon in der Brennerei . Seine Kinder sind längst aufs Festland gezogen, weil es für sie auf Islay keine Arbeit gab. Der Vater versteht und bedauert das. Er selbst würde die Insel nicht verlassen - auf gar keinen Fall.

    "Niemals. Ich bin auf Islay geboren und aufgewachsen. Es fängt schon mal damit an, dass ich keine Städte mag. Ich liebe Frieden, Ruhe, Beschaulichkeit. Es gibt hier einfach nicht so viele Leute. Dieses s genannte Rattenrennen auf dem Festland in den großen Städte, das ist nichts für mich. Selbst wenn ich hier keine Arbeit hätte, würde ich die Insel nicht verlassen."

    Ruaraidh sagt das mit entspannter Selbstverständlichkeit. Überhaupt scheint Stress für ihn ein Fremdwort zu sein. Mit den Hummerfallen, ein gutes Dutzend insgesamt, ist er jetzt fertig. Was macht er eigentlich mit dem Fang? Er kratzt sich am Nacken, druckst ein wenig herum.

    "Es ist ja nur ein Hobby. Ein paar Fallen darfst du hier schon haben, wenn du nur für deinen eigenen Bedarf fängst. Klar, man kann die Hummer auch verkaufen, aber da gibt es strenge Regeln und man braucht eine Lizenz von der Regierung - und die ist sehr, sehr teuer. Ehrlich gesagt, sollte man das wohl ganz sein lassen. Könnte gut sein, dass das illegal ist. Aber ich denke, so ein paar Hummer für den eigenen Verzehr, das sollte schon gehen."

    Ruaraidh grinst - halb verlegen, halb schelmisch. Er möchte das Thema wechseln. Gut, dass die Pause nun zu Ende ist. Also zurück zur eigentlichen Arbeit. Von der Wasserlinie sind das gut 30 Meter über den Hof.

    Der Lkw ist so gut wie entladen. Die Fässer stapeln sich an einer der weiß gestrichenen Hauswände. Ruaraidh steht nun neben den mächtigen, knapp vier Meter hohen, kupfernen Brennblasen.

    "''Hier wird der Whisky gemacht","

    sagt er. Die bierartige Maische aus den Gärbottichen, den washbacks, zum Sieden gebracht. Der Alkohol verdampft schneller als Wasser, setzt sich an den Kupferwänden der Brennblase ab, wird aufgefangen, durch Kühlung wieder verflüssigt und läuft dann durch den Spirit Safe - einen von der Zollbehörde verschlossenen Glaskasten - wo die Qualität des Alkohols von Ruaraidh, dem Brennmeister, kontrolliert wird.

    Trinkt er selbst gern Whisky? Er schaut zu Boden.

    "Nein"," sagt er, "so gut wie nie."

    "Im Grunde versuche ich gerade damit aufzuhören. Hin und wieder überkommt es mich aber. Ich bin dafür bekannt, dass ich manchmal bis zum Exzess trinke und dann verdammt hart drauf bin. Danach geht es mir tagelang dreckig."

    Mit dem Aufhören ist es schwierig. Grundsätzlich und besonders hier.

    "Schottland hat eine besondere Trinkkultur. Das gehört hier stärker als anderswo zum Leben dazu. Vor allem auf Islay, wo wir die ganzen Brennereien haben."

    Auf Islay hat das Trinken nicht nur Tradition, es wurde sogar quasi offiziell gefördert. Ruaraidh erzählt das - ganz nüchtern.

    "Früher trank man hier ganz normal während der Arbeit: drei Whisky am Tag. Und wenn die Männer dann Feierabend hatten, ging es direkt in den Pub, wo es dann noch zwei oder drei Bier oben drauf gab. Und so ging es jeden Tag, ein Leben lang. Wer dann irgendwann mit der Arbeit in der Brennerei aufhörte, war Alkoholiker."

    Seine Augen fixieren den durch den Spirit-Safe laufenden Alkohol. Erst Anfang der 80er Jahre beendeten die Brennereien diese besonders intensive Unterstützung der Trinkkultur beziehungsweise des Alkoholismus. In den Pubs der Insel trinken die Einheimischen fast ausschließlich die billigeren Blends. Single Malt ist schlichtweg zu teuer. Ruaraidhs Entschluss, mit dem Trinken aufzuhören, wird von seiner Familie unterstützt, von seinen Freunden aber äußerst misstrauisch beäugt.

    "Jemand, der hier nicht trinkt, ist die absolute Ausnahme. Und wenn du mal getrunken hast und dann eine Einladung ablehnst, wirst du fast gezwungen mitzumachen. Das ist so ein Macho-Ding. Sie gucken dich dann an, als ob du Hörner hättest, wenn du da nicht mitmachen willst."


    Ganz am Ende von "Wasser Gerste Leiche" wird der Mörder endlich in einer dramatischen Szene gestellt. Es ist der Sohn eines berühmten Whisky-Blenders, der bei einer Whisky-Probe mit Kunden zu viel trinkt und anschließend mit dem Auto schwer verunglückt. Der Sohn macht die Whiskyfans dafür verantwortlich und rächt sich deshalb an ihnen, indem er sie durch Whisky-Infusionen umbringt. Der entscheidende Tipp, der schließlich zur Festnahme des Mörders führt, kam - wie sollte es bei einem Whisky-Krimi anders sein - von einem Brennerei-Manager.

    "'Halt! Stehen bleiben! Polizei!', riefen Alan und Brian wie aus einem Mund. ( ... )

    Sie rannten hinter dem Täter her, was das Zeug hielt.

    Aber eben doch nicht schnell genug, denn der Täter rannte genau so schnell wie sie. In nur geringer Entfernung sahen sie das kleine Waldstück, aus dem der Täter gekommen war und in dem sie ihn bei der momentanen Dunkelheit höchstwahrscheinlich aus den Augen verlieren würden. Das durfte unter keinen Umständen geschehen!

    Alan und Brian sahen sich beim Rennen an und verstanden sich auch ohne Worte. Beide blieben gleichzeitig stehen und Alan rief nur 'Mahoney, stoppen sie ihn!'

    Mahoney glitt nahezu übergangslos aus vollem Lauf in eine kniende Position. Das Wasser auf der Wiese bildete eine kleine Bugwelle, als er schlitternd zum Stillstand kam. Während dieses tausendfach geübten Bewegungsablaufs hatte er sein Scharfschützengewehr bereits vom Rücken nach vorne in eine Zielhaltung bewegt. Er drückte den Schaft der optimal ausbalancierten Heckler & Koch PSG-1 an die Schulter, peilte den weglaufenden Täter durch das lichtstarke Zielfernrohr an, atmete einmal tief durch und die Welt blieb für einen Sekundenbruchteil stehen.

    Mahoneys Zeigefinger überwand den knapp eineinhalb Kilo schweren Widerstand des Abzugs, die Patrone, Kaliber 7,62 x 51, verließ den Lauf und überbrückte die zirka 50 Meter zwischen der Waffe und dem Flüchtigen in Millisekunden und traf. Der Mörder brach wie vom Blitz getroffen zusammen. Dann erst drang der ohrenbetäubende Knall an die Ohren der Beamten. Alan und Brian rannten wieder los über die kurze Distanz bis zu dem jämmerlich winselnden Robert Boyd, beide mit ihren mittlerweile gezogenen Dienstwaffen im Anschlag. Aber es bestand offensichtlich keine Gefahr. Der Täter schien unbewaffnet und hielt sich weiterhin vor Schmerzen schreiend seine rechte Schulter. Dort hatte die Kugel aus Mahoneys Waffe saubere Arbeit geleistet, das rechte Schulterblatt glatt durchschlagen und beim Austreten das Schlüsselbein zertrümmert.

    'Guter Schuss', sagte Alan anerkennend zu Mahoney, der kurz hinter ihnen eintraf."

    In den Lagerhäusern von Islay lagern weit über 100.000 Whisky-Fässer aus Eichholz mit jeweils 200 bis 500 Liter Fassungsvermögen. Die Standorte liegen fast alle direkt an der Küste, was man den Whiskys angeblich auch anmerken und schmecken kann. Im letzten Jahr erzielte eine Flasche Whisky, die 1851 in der Brennerei von Bowmore, Islays Hauptstadt, abgefüllt wurde, auf einer Auktion den Weltrekordpreis von 29.400 Britischen Pfund, umgerechnet 38.500 Euro. Es muss ein besonders edler Tropfen gewesen sein. Einer, der weiß, wie man guten Whisky herstellt, wie man ihn am besten brennt, lagert und in welchen Zusammenstellungen abfüllt, ist Jim McEwan, der Whiskymeister von Bruichladdich.


    Für Islay ist der Whisky alles - Der Whiskymeister von Bruichladdich
    In einem der alten Lagerhäuser von Bruichladdich: ein paar hundert Quadratmeter Lehmboden, keine Fenster, leicht modriger Geruch. Das Licht einiger funzeliger Glühbirnen fällt auf lange, doppelstöckiger Reihen von Eichenfässern. Einige hundert sind es sicherlich, vielleicht auch tausend.

    Mittendrin eine Gruppe Engländer in Jeans und Regenjacken, alle um die 40, Freunde, die vor einigen Jahren privat ein paar Fässer gekauft haben und jetzt überprüfen wollen, wie es um ihren Whisky steht. Ihre Laune ist bestens.

    Von der "Whisky-Kathedrale", wie sie das Lagerhaus nennen,- sind sie schlichtweg beeindruckt. Sie dürfen beziehungsweise müssen selbst entscheiden, wann ihr Whisky reif ist, das heißt, wann er in Flaschen abgefüllt werden soll. Ob nun sechs, acht oder zehn Jahre. Bei aller Vorfreude: Die Entscheidung fällt schwer.

    In einer anderen Ecke des Lagerhauses arbeitet Jim McEwan. Jim ist schlank, sein graues Haar kurz gelockt, der Gang des knapp 60-Jährigen wegen seiner zwei künstlichen Hüften ein wenig ungelenk. Jim ist Produktionsdirektor und somit der Whiskymeister von Bruichladdich. Ein vielfach ausgezeichneter und in der gesamten schottischen Whiskyindustrie geschätzter Blender - wörtlich übersetzt "Mischer". Einer, der weiß wie der Whisky am besten gebrannt, am besten gelagert und in welchen Zusammenstellungen er am besten abgefüllt wird.

    "Der salzige Regen hat die Fässer erwischt und jetzt drohen die Eisenringe durchzurosten, was das Fass zum Platzen bringen würde, erklärt er seinen drei konzentriert lauschenden Mitarbeitern.

    "Deswegen müssen wir diesen Whisky in ein anders Fass umfüllen. Wenn wir ihn verlieren wäre das eine Katastrophe. Das Salz hier auf Islay ist ein Problem. Andererseits ist es auch gut, weil es ins Holz eindringt und so auch den Whisky erreicht. Wegen der Vanille und den Gerbstoffen in der Eiche entsteht dabei ein herrliches Zitronenaroma."

    Weil es in Schottland kaum Eichen gibt und weil frisches Holz den Whisky zu stark beeinflussen würde, werden zum Teil gebrauchte Sherryfässer, vor allem aber bereits benutze amerikanische Bourbon-Fässer verwendet.

    "Jede Brennerei ist auf diese Bourbon-Fässer angewiesen. In Amerika werden davon pro Jahr rund 600.000 Stück produziert. Schottland braucht aber eine Million. Das heißt, es gibt nicht genug. Und was machen die Schotten da? Sie nutzen die Fässer einmal, zweimal, dreimal, viermal. Aber ein Fass ist eigentlich maximal 50 Jahre zu gebrauchen. Also kann man es zwei- maximal dreimal füllen. Einige machen das aber fünfmal! Und wenn der Whisky dann aus so einem völlig erschöpften Fass kommt, hat er keine Farbe. Und dann fügen die einfach künstlichen Farbstoff hinzu."

    Für Jim - da lässt sein Gesichtsausdruck keinen Zweifel - ist das mit den künstlichen Farbstoffen eine Schande, eine Sünde oder noch irgendetwas viel Schlimmeres. Dann lieber mehr Geld für neue Fässer ausgeben. Für Jim ist das eine Frage der Ehre.

    "Ich bin gelernter Fassbinder und habe die Dinger selbst gebaut. Als ich 15 Jahre alt war, begann ich eine sechsjährige Ausbildung in einer Böttcherei. Darauf bin ich sehr stolz. Schon als kleiner Junge hing ich in einer Brennerei rum. Ich lebte in Bowmore - der Hauptstadt von Islay - direkt neben der Destillerie dort. Hin und wieder habe ich für ein paar Tage die Schule geschwänzt und in der Brennerei für ein Taschengeld die Böden gewischt. Wenn ich dann abends nach Hause kam, war meine Mutter fürchterlich wütend. 'Komm her', befahl sie, schnupperte an mir, bemerkte den Alkohol, den Schweiß - dann verpasste sie mir eine saftige Ohrfeige und schickte mich ins Bett."

    Die kräftigen Lagerarbeiter überprüfen nach Jims Anweisungen die Fässer.

    Die Familie war arm. Nach einigen Jahren als Fassbinder machte Jim nach einer speziellen Ausbildung Karriere als Blender. Er wurde zum Aushängeschild der Destillerie von Bowmore für die er Jahre lang um die ganze Welt reiste. Am liebsten aber arbeitet er da, wo alles anfing - bei den Fässern im Lagerhaus.

    "Etwas 2,5 Tage pro Woche bin ich hier. Ich muss meine Nase in den Whisky stecken, auswählen und überprüfen. Wir haben 28.000 Fässer, die ich alle kennen muss. Ich muss wissen, wann sie fertig sind oder ob sie noch Zeit brauchen, ob sie dabei Hilfe benötigen oder nicht. Wenn die von der Abfüllung sagen: Wir brauchen 50 Fässer von dem zwölf Jahre alten, dann kann ich nicht ins Lager gehen und sagen, nehmt diese 50 und bringt sie rüber. Man muss jedes einzelne Fass überprüfen, um sicher zu sein, dass es perfekt ist."

    Jim winkt seinen Assistenten herbei, der in ein paar Jahren in seine Fußstapfen treten soll. Ein kräftiger junger Mann aus einer Whiskybrennerfamilie, den Jim schon in der Fußballmannschaft von Bowmore trainierte. Er erklärt ein paar Details ein paar Feinheiten aus bald 45 Jahren Whisky-Erfahrung. Dann werden wieder neue Fässer überprüft und umgelagert.

    "Für Islay ist der Whisky alles. Da haben wir großes, großes Glück. Ohne die Brennereien würden hier vielleicht noch 500 Menschen leben. Ich weiß wirklich nicht, warum Gott uns den Whisky gab? Tat er es, weil er uns diese Engländer als schlechte Nachbarn gegeben hatte und er es uns deswegen ein wenig leichter machen wollte?"

    Jim hat Humor. Besonders wenn es um Engländer geht. Sein Job ist stressig genug.

    "Das Whiskygeschäft ist ein Kriegsschauplatz. Es gibt jede Menge Konkurrenz. Die haben größere Lager, die haben mehr Geld. Die haben von allem mehr. Aber wir haben mehr Qualität. Da können wir mithalten. Das ist der Schlüssel."

    Bruichladdich hat in den letzten Jahren viele Auszeichnungen vor allem für seine Innovationen bekommen. Jim zeigt auf seinen größten Stolz, ein 250 Liter-Fass. Unser Baby, sagt er. Der erste Whisky, den sie hier nach der Wiedereröffnung vor sechs Jahren gebrannt haben.

    Im dem Fass wurde vorher spanischer Sherry gelagert, was starken Einfluss auf den Whisky hat. Die Augen der Männer sind voller Erwartung und Vorfreude. Dann probiert er und ist begeistert.

    "Es ist gut, Gutes zu trinken. Das Leben ist zu kurz für schlechten
    Alkohol."


    Literatur: Ralf Bernhardt und Hans-Georg Würsching: Wasser Gerste Leiche
    Cluaran Verlag 2007