Donnerstag, 25. April 2024

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"Die Wunderübung"
Neues Theaterstück von Daniel Glattauer

23.01.2015
    Valentin: "Jetzt hör endlich auf, mir zu unterstellen, dass ich etwas nicht mitbekommen habe. Glaubst du, ich bin ein Vollidiot?"
    Auch kein Traumberuf: Paartherapeut. In Daniel Glattauers Komödie bekommt es Eheberater Harald, mit Valentin und Joana zu tun, einem in Macht- und Beziehungskämpfen verstrickten Paar von Anfang 40.
    Joana: "Normalerweise haben wir getrennte Anfahrtswege. Normalerweise gehen wir überhaupt getrennte Wege. Bei getrennten Wegen tun wir uns leicht, darin sind wir geübter, nicht wahr, Valentin?"
    Der Schauplatz des Dramas: ein Neubauzimmer im klassischen Therapeutenbarock, Vollholzmöbel und ein einsamer Gummibaum, an den Wänden Ikea-Kunst, für dringende Fälle gibt's einen Punchingball in poppigem Rot, falls einer der berserkernden Kontrahenten mal die Fäuste sprechen lassen möchte. Joana und Valentin sind ein Dutzendfall, nichts Besonderes für Paartherapeuten Harald, einen knautschigen Vertreter seiner Zunft, stilecht gewandet in braune Cordhose und legeres Gestalttherapeuten-Jackett.
    Erfahrungen als Sozialberater mit eingeflossen
    Joana und Valentin: ein Ehepaar in der Krise. Früher mal rasend verliebt, vor allem in der Kennenlernphase während eines Tauchurlaubs an tropischen Küsten, seit der Ankunft der Kinder allerdings im Stadium fortschreitender Entfremdung befindlich. Sie frustrierte Historikerin, er gestresster Luftfahrt-Ingenieur. Sie temperamentvoll wie der Ätna, er verschlossen wie ein klemmendes Airbusventil, sie übernimmt 99 Prozent der Haushalts- und Familienarbeit, weil er sich raushält.
    "Sofort, nach drei Sekunden, ist jedem klar, wo er selber steht als Zuschauer, und sofort ist die Identifikation da", sagt Regisseur Michael Kreihsl:
    "Das Grundproblem ist die Abnützung: Dass es immer lustiger ist, in der Sehnsucht zu leben, Urlaubsbekanntschaften zu machen, zwei Wochen lang irgendwo auf Hawaii zu sitzen und alles toll zu finden und wahnsinnig verliebt zu sein. Aber die lange Strecke durch die Wüste des Alltags, die gemeinsam zu gehen, das ist, glaube ich, eine Herausforderung, die jeder kennt."
    Daniel Glattauer hat, neben seiner Autorentätigkeit, kürzlich auch eine Ausbildung zum sogenannten "Lebens- und Sozialberater" absolviert. Des Autors Beobachtungen in diversen Einzel- und Gruppensitzungen: Unverkennbar sind sie in das Erstlingsstück des Wieners mit eingeflossen.
    "Ich bin ein Unterhaltungsschriftsteller, es muss bei mir auch lustig zugehen. Wem das gefällt, der wird auf seine Rechnung kommen."
    Valentin: "Ich hab alles mitbekommen, alles. Wer dich mitbekommt, bekommt alles mit.
    Therapeut: "Rollentausch! Rollentausch! Rollentausch!"
    Joana: "Guido konnte wenigstens zuhören."
    Valentin: "Ja, weil ihm nichts anderes übrigblieb. Weil du ihn nicht hast zu Wort kommen lassen. Warum soll's denn da Guido besser gegangen sein als mir?"
    Therapeut: "Rollentausch!"
    Beachtliche Talentprobe
    Daniel Glattauer hat ein flottes Boulevardstück geschrieben, mit witzigen Dialogen, verblüffenden Wendungen und plausibler, wenngleich nicht immer klischeefreier Psychologie. Dass der Abend in den Wiener Kammerspielen nicht so recht zündet, hängt vor allem mit den Darstellern der sich haltlos befetzenden Eheleute zusammen: Aglaia Szyszkowitz und Bernhard Schir, bekannt aus Film und Fernsehen, mögen in "Bella Block" und "Tatort" als Darsteller deutscher oder auch österreichischer Mittelschichtler brillieren, begnadete Bühnenkomödianten sind die beiden nicht. Man mag sich gar nicht vorstellen, was Vollblutkomödianten wie Michael Maertens und Maria Happel aus der saftigen Therapeuten-Burleske gemacht hätten. Jürgen Tarrach als gewitzter Kuscheltherapeut immerhin vermag seine Rolle überzeugend - und auch komisch - auszufüllen.
    Und Daniel Glattauer? Der 54-Jährige hat mit der "Wunderübung" eine beachtliche Talentprobe als Theaterautor abgelegt. Österreichs Antwort auf Neil Simon? Durchaus, es geht in die Richtung.