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Die Zahlen der Großen

In diesen Tagen veröffentlichen die Statistikbehörden der einzelnen Euroländer die neuen Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt, also zur Wirtschaftsentwicklung im vierten Quartal 2011 und damit auch für das Gesamtjahr. Gestern kamen unter anderem die Zahlen aus Portugal und Griechenland auf den Tisch, morgen legt Spanien nach. Heute aber wurde das Bruttoinlandsprodukt der drei größten Wirtschaftsnationen in der Eurozone veröffentlicht - nämlich Italien, Frankreich und Deutschland.

Von Michael Braun | 15.02.2012
    Viel hatten die Volkswirte vom vierten Quartal 2011 nicht erwartet: Die Staatsschuldenkrise schien ungebändigt, viele suchten nach sicheren Häfen für ihr Geld: kein gutes Klima zumindest für den Konsum. Nun ist die gesamtwirtschaftliche Leistung im Jahresschlussquartal in Deutschland um 0,2 Prozent gesunken, weniger als erwartet. Simon Junker, Konjunkturexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin zu Gründen:

    "Es hat eben daran gelegen, dass tatsächlich der private Konsum etwas zurückhaltend war. Die Investitionen haben das so ein bisschen ausgeglichen: Lag voraussichtlich eher am Bau. Da hatten wir natürlich die Flucht in sichere oder vermeintlich sichere Anlageformen wie den Immobiliensektor. Da wird eben sehr viel gerade nachgefragt. Aber der Export, und das war das, was man erwartet hatte, hat aber deutlich gedämpft."

    Auch im Euroraum ist die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal 2011 gesunken, und zwar um 0,3 Prozent, also etwas mehr als in Deutschland. Es hat - neben Griechenland und Portugal - vor allem an Italien gelegen. Dort sank die Wirtschaftsleistung gegenüber dem dritten Quartal um kräftige um 0,7 Prozent. In Frankreich dagegen stieg sie um 0,2 Prozent - ein Umstand, den Analysten auch der Wirtschaftspolitik im Präsidentschaftswahlkampf zuordnen, was keineswegs lobend klingt. Hendrik Lodde von der DZ Bank:

    "Frankreich müsste eigentlich strukturelle Reformen durchführen. Sie bauen im Moment eigentlich komplett auf inländische Nachfrage. Da ist man zwar konjunkturell unabhängiger. Auf der anderen Seite fördert dies ein starkes Leistungsbilanzdefizit, dass der Export nicht stabilisiert wird."

    Volkswirte rechnen insgesamt damit, dass - wenn überhaupt - die Wirtschaftsleistung auch im ersten Quartal nur leicht weiter sinke. Die Rezession dürfte leicht und milde ausfallen, das gelte für die15 Staaten der Währungsunion, auch für Deutschland. Ralph Solveen, Volkswirt bei der Commerzbank:

    "Wir gehen davon aus, dass Weltwirtschaft halbwegs ordentlich laufen wird. Sie wird nicht ganz so stark expandieren wie in den letzten Jahren. Aber wir werden gerade in Asien und in vielen anderen Emerging Markets weiterhin recht kräftiges Wachstum. Auch in den USA hat sich die Konjunktur zumindest gefangen und auch dort sollte die Tendenz eher nach oben zeigen. Und dann gilt für Deutschland auch: Die Inlandsnachfrage wird sich etwas verbessern. Großes Fragezeichen bleibt eben die Staatsschuldenkrise."

    Bei der Prognose für 2012 setzen die Beobachter also auch auf die Binnennachfrage. Als uneingeschränkte Einladung zu höheren Löhnen in den laufenden Tarifverhandlungen wollen sie das aber nicht verstanden wissen. Die Unternehmen in Deutschland könnten durchaus höhere Abschlüsse vertragen. Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit dürfe darunter aber nicht leiden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin geht für 2012 von einem Wachstum von 0,6 Prozent aus.