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"Die Zahlen müssen ganz konkret auf den Tisch"

Die Wähler hätten das Recht, auf Euro und Cent zu erfahren, welche Nebeneinkünfte Politiker haben, sagt Michael Roth, Generalsekretär der Hessen-SPD. Im Fall Steinbrück hätten viele bei Union und FDP "den Mund voll genommen". Nun verlangten sie doch wieder Ausnahmen.

Michael Roth imd Gespräch mit Mario Dobovisek | 16.10.2012
    Mario Dobovisek: Am Telefon begrüße ich den Bundestagsabgeordneten und Generalsekretär der Hessen-SPD, Michael Roth.

    Michael Roth: Ich grüße Sie, hallo!

    Dobovisek: Auf Euro und Cent, das klingt ja zunächst einmal plakativ und schlüssig – aber was heißt das genau?

    Roth: Ich freue mich erst mal sehr, dass meine Fraktion die Initiative ergriffen hat. Ich engagiere mich schon seit Jahren für mehr Transparenz bei Bundestagsabgeordneten bezogen auf ihre Einkünfte oder Nebeneinkünfte. Ja, die Überschrift ist genau das, was die Bürgerinnen und Bürger zu Recht von ihren Abgeordneten erwarten. Wenn Sie denn neben ihrem Hauptberuf, dem Bundestagsmandat, weitere Tätigkeiten übernehmen, dann müssen die Wählerinnen und Wähler das Recht haben, genau in Kenntnis gesetzt zu werden, welche Nebeneinkünfte haben sie, wer ist der Arbeitgeber, wer ist der Auftraggeber, und die Zahlen müssen ganz konkret auf den Tisch. Das war ja bislang das Problem bei den bisherigen Regelungen, die ja einen großen Kompromiss zwischen den Verweigerern und Bekehrern und denen, die große, weitreichende Rechte gefordert haben, und mit diesem Stufenmodell, was ja derzeit die Rechtslage ausmacht – und an diese Rechtslage hat sich auch Peer Steinbrück 100 Prozent gehalten –, gab es zu Recht viele Klagen, und wir haben jetzt die Chance, Veränderungen vorzunehmen.

    Dobovisek: Wie detailliert, Herr Roth, wollen Sie denn diese Veränderungen vornehmen? Wie detailliert soll das zum Beispiel auf der Homepage eines Bundestagsabgeordneten wie Ihnen erscheinen?

    Roth: Bei mir können Sie jetzt schon auf Heller und Cent beziehungsweise auf Euro und Cent genau einsehen, was ich nebenbei verdiene beziehungsweise was ich nicht nebenbei verdiene. Ich habe meine Steuererklärung, wie einige andere Bundestagsabgeordnete auch, ins Internet gestellt, aber hier wird, wenn denn der SPD-Vorschlag eine Mehrheit im Deutschen Bundestag erhält, klar geregelt, was die Bundestagsabgeordneten zu veröffentlichen haben. Und es geht dabei um jeden Auftrag – auf Euro und Cent genau –, es geht darum, wer den Auftrag erteilt hat – es geht also quasi um den Chef beziehungsweise um den Arbeitgeber –, und insofern ist das ein großer Schritt nach vorne. Es müssen Name, Sitz des Arbeits- und des Auftraggebers angegeben werden, beziehungsweise des Vertragspartners.

    Dobovisek: Das ist ja ein Schritt, Herr Roth, den die Koalition auch gerne mitgeht, so hören wir heute aus verschiedenen Meldungen. Allerdings fordert die Koalition auch Ausnahmen. Wie weit würden Sie denn Ausnahmen zulassen?

    Roth: Na ja, es zeigt sich nur, dass da bei Schwarz-gelb viele Heuchler und Pharisäer sitzen, die jetzt erst in den vergangenen Monaten und Wochen, vor allem, als es um Peer Steinbrück ging, den Mund sehr voll genommen haben und jetzt gleich wieder Mauern hochziehen wollen nach dem Motto: Wir haben das alles ja so nicht gemeint. Ich würde meine Fraktion…

    Dobovisek: Aber Fakt ist auch, dass der Peer Steinbrück der bestverdienende Politiker im Deutschen Bundestag ist.

    Roth: Darum geht es doch überhaupt nicht, es geht doch darum, dass die Bürgerinnen und Bürger das wissen, denn im Rahmen der derzeit geltenden Rechtslage hat er vollumfänglich Auskunft gegeben. Aber das sage ich eben auch, die bisherigen Regelungen, die ja vor allem zustande kommen, weil wir uns auf nichts weiter Reichendes verständigen konnten, das ist an Schwarz-gelb gescheitert, geben halt Anlass zur Spekulation. Und ich würde jeden …

    Dobovisek: Nun lese ich heute allerdings auch, Herr Roth, dass die Bagatellgrenze, die sogenannte, von derzeit 1000 auf 10.000 hochgeschraubt werden soll, und dass die SPD dabei sich kompromissbereit zeige. Ja, so viel verdienen einige Ihrer Wähler gerade mal netto im Jahr.

    Roth: Also das ist ein Angebot an die anderen Fraktionen, die derzeit blockieren, und die außer lauwarmen Worten noch nichts Konkretes zugesagt haben. Ich wäre auch hier, was die Verhandlungen anbelangt, sehr grundsätzlich und sehr streng. Wir wollen ja mehr Transparenz ermöglichen, und wenn Sie die 10.000 Euro im Jahr ansprechen, steht im Beschluss des geschäftsführenden Fraktionsvorstandes der SPD ja auch drin, dass hier keine Stückelungen vorgenommen werden dürfen und dass auch die Einkünfte aus verschiedenen Quellen genannt werden müssen. Also eine Umgehung der Untergrenze, die darf es selbstverständlich nicht geben. Aber das ist für uns ein Kompromissangebot. Wenn es nach mir und vielen meiner Kolleginnen und Kollegen ginge, wären wir bei der pauschalen Untergrenze sehr restriktiv.

    Dobovisek: Wenn Sie sagen, grundsätzlich und streng diskutieren, dann könnte man doch eigentlich meinen, Reden, Vorträge und Grußworte gehörten zum Alltagsgeschäft eines Mandatsträgers dazu. Warum sollte ein Politiker also überhaupt ein so üppiges Honorar erhalten, dass er es angeben muss?

    Roth: Also die allermeisten meiner Kolleginnen und Kollegen, so auch ich, reden fortwährend auf Wunsch von Vereinen und Organisationen und Verbänden und erhalten dafür keinen einzigen Euro, das ist Teil des Mandates. Aber es gibt sicherlich auch einige wenige Abgeordnete, die einfach in bestimmten Bereichen der Wirtschaft als so begehrt angesehen werden, dass sie für ihre Reden, die sie dort halten, für den Aufwand, den sie dort betreiben, einen entsprechenden Betrag zur Verfügung gestellt bekommen. Und …

    Dobovisek: Ist das gut?

    Roth: Das ist legal, und wenn man den Herrschaften nicht nach dem Mund redet, ist das sicherlich auch legitim, genau so wie Journalisten und Wissenschaftler Reden halten und dafür gelegentlich oder regelmäßig bezahlt werden, ist es eine Option auch für Abgeordnete. Ich persönlich würde damit restriktiv umgehen, aber ich kann das auch gut sagen, weil der Kreis derjenigen, die solche Entlohnung erhalten, doch sehr, sehr, sehr beschränkt und klein ist.

    Dobovisek: Der Bundestagsabgeordnete und Generalsekretär der Hessen-SPD Michael Roth. Vielen Dank für das Gespräch!

    Roth: Ich danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.