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"Die zwei müssen sich verstehen"

Merkel und Sarkozy - ihnen wird das Finanz-Schicksal Europas aufgebürdet. Dumm nur, dass sie darüber unterschiedlicher Meinung sind. "Die müssen eine Lösung finden!" warnt Joseph Daul.

14.06.2010
    Gerwald Herter: Wie kaum etwas anderes haben deutsch-französische Initiativen Europa über Jahrzehnte Impulse gegeben. Die gemeinsame Währung, wichtige Vertragsänderungen, oft gingen Deutschland und Frankreich voran, andere folgten. Ausdruck dieser engen Verbundenheit sind auch die deutsch-französischen Gipfeltreffen. Bevor alle Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag miteinander verhandeln, reist der französische Präsident Sarkozy heute nach Berlin. Am späten Nachmittag wird er dort eintreffen. Zu besprechen gibt es genug, denn der deutsch-französische Motor läuft derzeit nicht gerade rund, er stottert – ob es um die europäische Wirtschaftsregierung geht, die Schuldenkrise, die Regulierung der Finanzmärkte. Es gibt höchst unterschiedliche Haltungen in Berlin und Paris.

    Ich bin nun mit dem französischen Europaabgeordneten Joseph Daul verbunden. Er ist Vorsitzender der konservativen EVP-Gruppe im Straßburger Parlament, zu der auch CDU und CSU gehören. Joseph Daul ist Franzose und Elsässer, er kennt die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich auch deshalb besonders gut. Guten Morgen, Herr Daul.

    Joseph Daul: Guten Morgen!

    Herter: Herr Daul, Europa steckt in einer Krise, da kann man nicht drüber hinwegsehen. Haben Deutschland und Frankreich bisher entschlossen genug reagiert, um aus dieser Krise schnell wieder herauszukommen?

    Daul: Ich glaube mal, die erste Krise, das ist die Bankenkrise. Die ist ja von Amerika gekommen. Und die zweite Krise, das ist jetzt die Krise, dass wir zu viel Geld ausgegeben haben und nicht genug hereinkommt. Wir haben keine Effizienz mehr in unserem Budget in unseren Ländern, und das ist jetzt natürlich eine schwierige Sache.

    Herter: Ja, und muss man da sparen, Herr Daul, wie man das in Deutschland sieht, oder lieber doch Geld ausgeben, um die Konjunktur anzukurbeln, wie man das in Frankreich sieht?

    Daul: Zum ersten müssen wir sparen. Ich glaube, wenn wir zu viel Geld ausgegeben haben - wissen Sie, ich bin ein Bauer, und man kann nicht mehr ausgeben als reinkommt. Sonst geht es nicht. Das kann ein Jahr, zwei Jahre gehen, drei Jahre, das ist schon zu lange, dass das in Europa geht, und wenn wir eine Währung haben, die Euro heißt, dann müssen wir eine gesamte Linie finden. Natürlich müssen wir aufpassen – das ist das Problem von Nikolas Sarkozy -, dass wir keine große Deflation und keine Angst in die Bevölkerung reinbringen, und da ist ein bisschen zwischen der Kanzlerin und Nikolas Sarkozy eine Diskussion, sage ich. Aber für mich eine Diskussion ist notwendig, denn die zwei müssen sich verstehen. Sonst geht der Motor von Europa nicht weiter.

    Herter: Ja. – Der CDU-Abgeordnete Elmar Brok hat ja davor gewarnt, dass Europa in der Handlungsunfähigkeit untergehen könnte. Würden Sie das auch so drastisch ausdrücken?

    Daul: Also umgehend! Aber, was wieder passiert ist gestern Abend in Belgien und so, da müssen wir jetzt schon aufpassen, dass wir - - Ich sage jedes Mal, wenn ich in unseren Sitzungssaal in Straßburg wieder reingehe, heute Mittag, Robert Schumann. Ich sage, wenn wir da reingehen, dürfen wir, die EVP, nur europäisch denken. Wenn wir dann rauskommen, haben wir jeder seinen Hut wieder auf in seinem Land, aber da müssen wir die Regeln jetzt noch mehr im französischen Comminatoire abschaffen.

    Herter: Ein Streitpunkt seit Langem ist die europäische Wirtschaftsregierung. Die französische Regierung will solch eine Wirtschaftsregierung, die Bundesregierung setzt auf eine engere Abstimmung. Das ist schwierig, hier einen Kompromiss zu finden, und zwischen Berlin und Paris gibt es da schon sehr lange Meinungsverschiedenheiten.

    Daul: Es ist schwierig, aber ich habe jetzt heute Morgen schon wieder in den Zeitungen gelesen, dass auch Frankreich wird gerade so viel Einsparungen machen wie Deutschland. Also sind wir auf derselben Linie. Wir können nicht mehr Geld ausgeben, wir müssen auf unsere drei Prozent kommen. Ich glaube, das kommt davon her: In dem Moment, wo wir unsere drei Prozent verlassen haben, jetzt sind wir in höheren Schwierigkeiten. Wenn wir bei den drei Prozent geblieben wären, hätten die die Regeln schon lange eingehalten, wären wir in einer besseren Situation. Aber leider ist das jetzt so und wir müssen jetzt zurückkommen auf unsere drei Prozent und dann sind wir einig.

    Herter: Aber Frankreich setzt ein Wachstum an in diesem Jahr von 2,5 Prozent. Viele Ökonomen halten das für unrealistisch. Sie nicht?

    Daul: Ich glaube ja, das ist zu hoch dieses Jahr.

    Herter: Und dann wird die Drei-Prozent-Marke nicht eingehalten werden können?

    Daul: Ja, aber ich glaube – ich war die letzte Woche in Paris, ich war bei dem Premierminister, war bei Nikolas Sarkozy die letzte Woche -, der Grund: Wir müssen das einhalten. Das Einzige, wo die Deutschen und die Franzosen nicht einig sind: Einige sagen, wir müssen das einhalten, aber müssen aufpassen, dass auf der anderen Seite keine Deflation kommt. Das ist das Problem. Die Franzosen sind für ein bisschen mehr Inflation und die Deutschen wollen keine Inflation. Das ist der Hauptpunkt. In den anderen Punkten sind sie ziemlich einig.

    Herter: Auch, dass das Treffen verschoben wurde. Wenn Sie bei dem Präsidenten waren, haben Sie gemerkt, dass er verärgert war darüber?

    Daul: Das war am Montag. Natürlich war er ein bisschen verärgert, aber das hat er auch verstanden. Er wusste am Abend, dass die den ganzen Tag und die Tage vorher oder die Woche vorher gearbeitet haben, und wollten am Abend ihre Lösungen rausbringen.

    Herter: Lässt sich das ausbügeln?

    Daul: Wie meinen Sie?

    Herter: Lässt sich das reparieren?

    Daul: Das muss! Die haben gar keine andere Lösung! – Und wissen Sie, ich sage Ihnen noch: Das sind jetzt eine Frau und ein Mann, die müssen sich miteinander abstimmen, die haben keine andere Lösung und das wissen sie. Das weiß die Kanzlerin und das weiß auch Nikolas Sarkozy und auch der Premierminister Francois Fillon. Ich bin überzeugt, dass die wieder eine Lösung finden. Die müssen eine Lösung finden!

    Herter: Deutschland und Frankreich vor einem schwierigen Gipfel.

    Daul: Deutschland und Frankreich vor allem!

    Herter: Das war der Vorsitzende der konservativen EVP-Gruppe im Europaparlament, der Franzose Joseph Daul. Vielen Dank für das Gespräch.

    Daul: Danke!