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Diesel aus dem Druckkessel

Erdöl entsteht, wenn in tiefen Gesteinsschichten festes organisches Material bei hoher Temperatur und unter hohem Druck verflüssigt wird. Ein ganz ähnlicher Prozess lässt sich - in viel kürzerer Zeit - im Labor realisieren. Chemiker sprechen von der hydrothermalen Liquifizierung. Dänische Forscher wollen daraus ein industrietaugliches Verfahren machen. Sie entwickeln einen speziellen Reaktor, in dem ohne Unterlass Biomasse in Bioöl umgewandelt werden kann.

Von Lucian Haas | 03.04.2013
    Es gibt viele Verfahren, flüssige oder gasförmige Energieträger aus Biomasse zu gewinnen. In Biogasanlagen beispielsweise wird organischer Abfall von Bakterien zu Methan vergoren. Bei der Herstellung von Bioethanol werden Zucker und Stärke, etwa aus Mais, mit Hilfe von Enzymen in Alkohol umgewandelt. Die Pyrolyse zersetzt organische Stoffe bei Temperaturen von über 500 Grad Celsius, wobei die entstehenden Gase als Rohstoff zur Synthese von flüssigen Treibstoffen verwendet werden können. Doch wenn es um die Frage der Effizienz bei der Umwandlung und die direkte Nutzbarkeit geht, glauben dänische Forscher mit einer anderen Technik jetzt die Nase vorn zu haben.

    "Wir können etwas machen, das wir Hydrothermale Liquifizierung nennen. Das ist nichts anderes als die Biomasse unter hohem Druck und Hitze direkt zu verflüssigen. Dabei wird sie in ein Bioöl verwandelt, das eine ähnliche Qualität besitzt wie Diesel. Und mit einer einfachen thermischen Aufbereitung können wir daraus Diesel herstellen, wie man es an einer Tankstelle kauft."

    Bo Brummerstedt Iversen ist Chemiker an der Universität Aarhus. Seit Jahren erforscht er Einsatzmöglichkeiten von sogenanntem superkritischem Wasser. Das ist Wasser in einem besonderen Zustand: Bei Temperaturen von über 374 Grad Celsius und unter hohem Druck von mehr als 220 Bar ist es flüssig und gasförmig zugleich. In dieser Form wird es zu einem potenten Lösungsmittel. In einem geschlossenen Reaktor zusammen mit Kaliumkarbonat eingesetzt, zersetzt es Lignin, Zellulose, Stärke, Zucker und andere große organische Moleküle. Dabei entstehen flüssige Kohlenwasserstoffe, wie sie auch in Erdöl enthalten sind. Das ist die hydrothermale Liquifizierung, kurz HTL.

    "Das Schöne an HTL ist, dass wir so gut wie jede Biomasse in Öl umwandeln können. Die Zusammensetzung des Öls unterscheidet sich je nach Ausgangssubstanz ein wenig. Aber anders als bei den meisten anderen Technologien sind wir nicht auf eine spezifische Biomasse festgelegt. Außerdem können wir direkt feuchte Biomasse verwenden, und müssen nicht wie sonst üblich noch Energie für die Trocknung einsetzen. Wir brauchen ja eh Wasser, um es in den superkritischen Zustand zu bringen."

    Holz, Grasschnitt, Schlachtereiabfälle, Mälzereirückstände, Algen, Klärschlamm - die Forscher um Bo Brummerstedt Iversen haben schon vieles mit Erfolg in ihrem Laborreaktor liquifiziert. Die Ölausbeute, gemessen in Gewichtsanteilen, beträgt im Durchschnitt rund 40 Prozent, wobei mit dem HTL-Öl etwa 70 Prozent des Kohlenstoffs aus der Biomasse zurückgewonnen werden. Der Prozess selbst verbraucht dabei angeblich nur etwa 10 bis 15 Prozent des Energiegehaltes der eingesetzten Rohstoffe.

    "HTL ist bei Weitem der energieeffizienteste Prozess, weil er einen Großteil des Energiegehaltes der Biomasse extrahiert und in Bioöl umwandelt. Es ist ja nicht so, dass wir nur einen bestimmten Teil der Biomasse nutzen."

    Bisher wird im Labor die Biomasse noch chargenweise erhitzt und in Öl umgewandelt. Bo Brummerstedt Iversen ist aber mit Ingenieuren der Universität Aalborg dabei, einen neuen Reaktor zu entwickeln, in dem die hydrothermale Liquifizierung erstmals als ununterbrochener Prozess ablaufen kann.

    "Das muss man sich als eine lange Röhre vorstellen, die erhitzt und unter Druck gesetzt wird. Die Biomasse wird an einem Ende hineingepumpt und kommt dann 10, 15 Minuten später als Öl am anderen Ende wieder heraus, dazu noch Wasser und feste Reststoffe. Die muss man dann noch voneinander trennen."

    Einige Jahre, so schätzen die dänischen Forscher, wird es noch dauern, bis die hydrothermale Liquifizierung auch im industriellen Maßstab realisiert werden kann. Ihre Vision ist es, eines Tages HTL-Anlagen überall dort zu integrieren, wo große Mengen Biomasse als Abfallstoffe anfallen, etwa in Kläranlagen. Anstatt den Klärschlamm als Abfall zu verbrennen, könnte er als erneuerbare Ölquelle dienen.