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Diesel-Skandal
Partikelfilter im großen Umfang manipuliert?

Ein neuer Imageschaden für den Diesel-Pkw. Experten vermuten: Der für die Feinstaubfilterung zuständige Partikelfilter funktioniert oft gar nicht oder nicht ausreichend. Eigentlich hatte die EU dafür Prüfstandards gesetzt - aber in Deutschland gilt eine Ausnahme, und die Autolobby will eine Verschärfung verhindern.

Von Thomas Wagner | 12.01.2017
    Ein Messschlauch eines Gerätes zur Abgasuntersuchung für Dieselmotoren steckt im Auspuffrohr eines VW-Autos.
    Abgasuntersuchung am Auspuff: Bei der Hauptuntersuchung werden oft nur die Daten vom Bordcomputer ausgelesen. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Diesel-Partikelfilter, kurz DPF, haben eine wichtige Aufgabe: die Abgase von gesundheitsgefährdenden Ruß-Partikeln zu befreien. Allerdings:
    "Das Problem ist, dass es keinerlei Sensorik oder Kontrolleinrichtung gibt, die kontrolliert, ob der DPF seinen Dienst auch korrekt versieht. Das Abgas kann also ungehindert den Filter passieren und wird ungefiltert in die Umwelt geblasen."
    Schreibt ein KFZ-Meister in einer Hörermail an den Deutschlandfunk.
    "Das überrascht mich überhaupt nicht. Die Sensorik, die in den Autos und den Dieselfahrzeugen verbaut wird, hat keine Möglichkeit, zu erkennen, ob der Diesel-Partikelfilter funktioniert, ob er überhaupt vorhanden ist."
    So Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Auch aus seiner Sicht fehlt es an zuverlässigen Anzeigen für fehlerhafte Diesel-Partikelfilter.
    "Man simuliert nur das Vorhandensein und versucht nur, über Druckunterschiede Rückschlüsse zu ziehen. Das heißt, mit ganz einfachen Tricks ist es möglich, einen korrekten oder gar nicht mehr existierenden Partikelfilter als korrekt anzuzeigen."
    Funktion lässt sich in der Hauptuntersuchung nicht überprüfen
    Und dies selbst bei der vorgeschriebenen Hauptuntersuchung des TÜV oder einer anderen Prüforganisation. Paradoxerweise ist es gerade bei neueren Autos mit modernem Bordcomputer schwierig bis unmöglich, zuverlässig zu erkennen, ob der Diesel-Partikelfilter funktioniert oder nicht. Denn dort reichen bei Hauptuntersuchungen die Daten aus, die der Fahrzeugcomputer dem Prüfer übermittelt. Vincenzo Luca ist Sprecher des TÜV Süd in München:
    "Also, man liest die Daten aus, es gibt keine Messungen am Auspuffendrohr. Da kann es sein, wenn die Software manipuliert wurde, dass wir das nicht erkennen. Weil man sieht nicht in den Auspuff hinein, ob der Partikelfilter verbaut ist. Das ist eine Manipulation und damit verboten, klar."
    Verboten, aber durchaus schon praktiziert.
    "Das gibt es immer wieder. Es gibt Felduntersuchungen, die sind europaweit gelaufen. Und da kann man das immer mal wieder feststellen, dass Fahrzeuge so manipuliert werden. Die Gründe dafür sind Leistungssteigerung, Minderverbrauch, etc."
    Nach Erkenntnissen der Deutschen Umwelthilfe sind auf Deutschlands Straßen viel mehr Dieselautos mit defekten oder abgeschalteten Diesel-Partikelfiltern unterwegs als bisher vermutet. Geschäftsführer Jürgen Resch:
    "Wir haben konkrete Messungen durchgeführt. Und wir gehen im Moment davon aus, dass zehn Prozent der Taxen und die gleiche Größenordnung an Nutzfahrzeugen ohne Partikelfilter ausgestattet ist."
    Autohersteller sind gegen Auspuff-Kontrolle
    Die Autohersteller weisen diese Kritik zurück. Eckehart Rotter ist Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie:
    "Bei geschlossenen Systemen ist der Partikelfilter an die sogenannte Onboard-Diagnose angeschlossen. Das heißt, bei einem nicht funktionierenden Partikelfilter wird dies angezeigt über die Onboard-Diagnose."
    Es sei denn, es ist vorher manipuliert worden. Das aber, sagt VDA-Sprecher Rotter, sei kriminell, habe aber mit der Technologie an sich nichts zu tun. Allerdings: Gerade in Deutschland sind solche Manipulationen offenbar viel einfacher zu stemmen als anderswo in Europa. Nach einer EU-Richtlinie ist eigentlich eine Untersuchung der Abgase direkt am Auspuffrohr bei der Hauptuntersuchung eines Autos vorgeschrieben. Ausnahme: Deutschland.
    "Die Automobilindustrie hatte im Jahr 2010 argumentiert, es reiche aus, auf die von der Bordelektronik gesammelten Daten zu vertrauen und diese Elektronik auszulesen. Deutschland hat sich selbst eine Ausnahme genehmigt von dieser EU-Vorschrift und darauf verzichtet, dass bei Euro 5 und Euro 6 tatsächlich die Abgase gemessen werden."
    Das öffne Manipulationen Tür und Tor, meint Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Und auch der TÜV Süd fordert, zukünftig auch die tatsächlichen Abgase am Auspuff zu messen, ergänzend zur Auslesung der Fahrzeugdaten. TÜV-Sprecher Vinzenco Luca:
    "Da sind wir der Meinung, dass es ergänzend sinnvoll wäre, auch hier wieder die Endrohrmessungen durchzuführen, um eben solche Verstöße aufdecken zu können. Gleichzeitig sehen wir da aber auch einen Bedarf für eine Reduzierung der Grenzwerte, die noch relativ hoch sind. Die müssen an den aktuellen Stand der Technik angepasst werden."
    Der Verband der Deutschen Automobilindustrie lehnt diese sogenannten Endrohrmessungen dagegen ab, so VDA-Sprecher Eckehart Rotter:
    "Es gibt immer diese Wünsche, dass man bei dieser Endrohrmessung die Partikel besser erfassen könnte. Aber das ist bei geschlossenen Systemen nicht sinnvoll, weil die sich selbst regulieren. Der moderne Diesel ist auf der Partikel, auf der Feinstaubseite sauber."
    Eine Auffassung, der Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe aber heftig wiedersprechen. Deren Forderung: Der Gesetzgeber müsse aktiv werden und zugunsten einer sauberen Luft auch in Deutschland die direkte Abgasmessung am Auspuffrohr vorschreiben – wie in den anderen europäischen Ländern auch.