Donnerstag, 28. März 2024

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Dieselfahrverbote in Hamburg
"Das ist vielleicht schon mal so eine Art Dammbruch"

Die bevorstehenden Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in zwei Hamburger Straßen reichten bei Weitem nicht, sagte Manfred Braasch vom BUND Hamburg im Dlf. Er hätte sich deutlich mehr Fahrverbote in größeren Bereichen gewünscht. Spannend werde jetzt die Frage, wie diese Fahrverbote kontrolliert und durchgesetzt würden.

Manfred Braasch im Gespräch mit Martin Zagatta | 19.05.2018
    Die Stresemannstraße in Hamburg, auf der ein Dieselfahrverbot eingeführt werden soll
    Die Schilder für das geplante Dieselfahrverbot in Hamburg stehen schon (imago / Chris Emil Janßen)
    Martin Zagatta: Jetzt wird es also doch noch ernst mit Dieselfahrverboten. Die Schilder sind schon aufgestellt, und als erste Stadt in Deutschland verbietet Hamburg älteren Dieselfahrzeugen in den nächsten Tagen schon die Durchfahrt, auf alle Fälle noch in diesem Monat, so heißt es aus dem Senat. Ein Verbot, das vorerst nur für zwei Durchfahrtstraßen in der Innenstadt gilt, mit Ausnahmen für Anwohner oder etwa Handwerker, wenn sie in diesen Straßen arbeiten müssen. Mit auf den Weg gebracht hat diese Dieselfahrverbote der BUND, der Bund für Umwelt und Naturschutz, mit einer Klage. Entsprechend zufrieden kann jetzt wohl Manfred Braasch sein, der Landesgeschäftsführer des BUND in Hamburg. Guten Morgen, Herr Braasch!
    Manfred Braasch: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Braasch, sehen Sie das jetzt als Erfolg, dass Hamburg da nun sogar den Vorreiter in ganz Deutschland spielt?
    Braasch: Ja, wir sehen das durchaus als einen ersten Erfolg an, dass Hamburg jetzt in zwei Straßen ein Fahrverbot erlassen wird, allerdings reicht uns das bei Weitem nicht. Wir haben ja eine doch schon sehr hohe Belastung an Stickoxiden in der Hansestadt. Wir sind die traurige Nummer fünf im bundesweiten Vergleich und hätten uns hier doch noch mal deutlich mehr Fahrverbote gewünscht und größere Bereiche. Das ist jetzt so ein Tropfen auf den heißen Stein, aber ein erster Schritt, weil es sehr lange hieß, auch vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, der jetzt Finanzminister geworden ist, in Hamburg wird es keine Fahrverbote geben. Also ein erster Teilerfolg, aber es muss mehr kommen, damit die Belastung an Stickoxiden tatsächlich auch schnell runtergeht.
    "Ist die Verbotszone nicht groß genug, gibt es Ausweichverkehre"
    Zagatta: Also diese beiden Straßen, die jetzt da gesperrt werden, damit sind die Grenzwerte der EU noch nicht einzuhalten?
    Braasch: Nein, wir haben ja eine Belastung, die seit 2010 deutlich über den Grenzwerten liegt. 2010 wurden diese Richtlinien eingeführt. Es gibt zum Beispiel eine Straße im Nordosten von Hamburg, die ist noch mal deutlich stärker belastet als die Max-Brauer-Allee und die Stresemannstraße, in der jetzt die Verbote erlassen werden, und diese Straße hat kein Durchfahrverbot bekommen. Von daher sind dort die Anwohner natürlich weiterhin dieser hohen Belastung ausgesetzt.
    Zagatta: Haben Sie eine Vermutung oder wissen Sie, warum man diese Straße dann nicht auch gesperrt hat? Hätte das zu noch größeren Behinderungen dann vielleicht geführt, oder warum macht man das nicht?
    Braasch: Es gibt immer das Problem, wenn Sie nur an einer Straße auf ein paar Hundert Meter ein Durchfahrverbot machen, dann senkt es dort vor Ort wahrscheinlich tatsächlich die Belastung, aber es gibt Ausweichverkehre, und wenn Sie die Verbotszone nicht groß genug machen, dann sind diese Ausweichverkehre natürlich in den Parallelstraßen et cetera vorhanden. Das war die Argumentation, an dieser Straße im Nordosten Hamburgs zu sagen, nee, dann haben wir dort Ausweichverkehre, dort sind Radfahrwege, dort ist dann die Belastung zu hoch, dann ist ein Fahrverbot nicht verhältnismäßig, so sagen die Juristen dazu. Deswegen hat man das nicht konsequent da in der Straße umgesetzt. Unser Vorschlag war ja, dass man in Hamburg – und das wäre auch eine Lösung für andere deutsche Städte –, die sogenannte blaue Plakette einführt. Das ist eine große Zone dann, in der man nicht einfahren darf, wenn man entsprechend einen alten Diesel fährt. Das wäre eine sehr konsequente und auch sehr gut zu kontrollierende Lösung gewesen.
    "Das ist vielleicht schon mal so eine Art Dammbruch"
    Zagatta: Dazu bräuchte es aber die Bundesregierung.
    Braasch: Dazu bräuchte es die Bundesregierung, die hat sich geweigert, obwohl zum Beispiel auch der Deutsche Städtetag so etwas gefordert hat. Also da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wir brauchen – das zeigen auch die Belastungsdaten aus 2018 – hier noch weitergehende Regelungen. Aber das erste Fahrverbot ist da, das ist vielleicht schon mal so eine Art Dammbruch, jetzt muss die Diskussion weitergehen.
    Zagatta: Hätte Hamburg denn im Moment überhaupt sehr viel mehr machen können, also flächendeckende Verbote, die eine ganze Umweltzone beispielsweise dann geschützt hätten. Die kann es ja, wenn ich das recht in Erinnerung habe, erst im nächsten Jahr geben, ab September, also so hat doch das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, oder sehe ich das falsch. Oder hätte man da mehr machen können, was die Fläche angeht?
    Braasch: Ja, aus unserer Sicht hätte man mehr machen können. Man spricht dann so von zonalen Durchfahrverboten, also nicht nur straßenbezogenen, da wäre mehr drin gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt ja noch mal auch in seiner Begründung ausgeführt, dass das möglich sei, allerdings nur in Schritten. Also man hätte jetzt ein Fahrverbot erlassen können für Euro 4, und ab dem 1. September 2019 dann auch für Euro 5 – ein gestuftes Verfahren auch, um damit den Dieselfahrzeug-Besitzern es etwas leichter zu machen, sich umzustellen und sich auf diese neue Situation einzulassen. Fazit ist, auch Hamburg hätte noch mehr machen können, letztendlich war das dann aber eine Kompromisslinie im rot-grünen Senat der Hansestadt.
    "Ich bin gespannt, wie die Polizei das kontrollieren wird"
    Zagatta: Wie ist denn die Stimmung bei Ihnen in der Stadt, freut sich da jetzt eine Mehrheit, dass die Luft sauberer werden könnte, oder beklagt man sich da jetzt eher über die Unannehmlichkeiten, die das mit sich bringt?
    Braasch: Ja, wir sind sehr gespannt, wie jetzt die Realität sein wird, wenn in der nächsten Woche – also wir rechnen damit Ende der nächster Woche – die Fahrverbote eingeführt werden. Wir haben schon Hinweise von Anwohnern bekommen, die an diesen Ausweichrouten wohnen, dass die das nicht sonderlich lustig finden. Also das wird noch eine spannende Debatte in Hamburg werden aus meiner Sicht, wie man dann konkret in der Realität mit diesen Fahrverboten umgeht.
    Zagatta: Konkret, Realität, das ist auch Stichwort für die Frage, die sich da ja noch anschließt: Was droht denn den Dieselfahrern oder den Fahrern von älteren Dieseln, die jetzt trotzdem da hineinfahren, und wie kann man das überhaupt kontrollieren? Sie haben es ja gesagt, die blaue Plakette gibt es nicht, man sieht das nicht.
    Braasch: Das ist eine sehr richtige und sehr wichtige Frage – wie kann man eigentlich das kontrollieren –, weil da sind ja zig Automarken, bei denen man nicht von vornherein erkennen kann, ist das jetzt Euro 4, ist das Euro 5, da muss man schon fast Experte sein. Ich bin sehr gespannt, wie die Polizei mit Stichproben das kontrollieren wird. Wenn dann ein Fahrzeug falsch in diese Straße einfährt, dann kann ein Bußgeld verhängt werden, das ist dann, glaube ich, mit 60 Euro, in der Größenordnung, behaftet. Also die Kontrolle der Durchfahrverbote wird der nächste Realitätscheck sein, ob das, was sich der Hamburger Senat da ausgedacht hat, so sinnvoll ist. Da bin ich auch, muss ich offen sagen, selber sehr gespannt, wie die Kontrolle läuft.
    "Noch mehr für die Luftreinhaltung in Hamburg tun"
    Zagatta: Andere Städte, das ist jetzt absehbar, die werden dem Beispiel von Hamburg wohl folgen, aber Sie kennen ja die Politiker da vor Ort, die Verantwortlichen in diesem rot-grünen Senat. Was glauben Sie jetzt, wie wird das weitergehen in Hamburg?
    Braasch: Zum einen wird natürlich zu messen sein, das heißt, wirken diese Durchfahrverbote auch tatsächlich an diesen beiden Straßen, oder ist das Durchfahrverbot quasi nicht in der Lage, die Grenzwerte tatsächlich auch einzuhalten. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss sich natürlich weiter überlegen, und der BUND wird sich jetzt sehr genau noch mal den gesamten Luftreinhalteplan anschauen, den es für Hamburg seit dem letzten Jahr gibt, weil wir in anderen Bereichen – ich erwähnte ja schon diese Straße im Nordosten Hamburgs – nach wie vor natürlich eine belastende Situation haben. Dort gibt es kein Durchfahrverbot, und wir werden versuchen, die Politik dahin zu bewegen, noch mehr für die Luftreinhaltung in Hamburg zu tun.
    Zagatta: Sagt Manfred Braasch, der Landesgeschäftsführer des BUND, der die Dieselfahrverbote mit auf den Weg gebracht hat, die in Hamburg jetzt in den nächsten Tagen schon in Kraft treten sollten, als erste Stadt in Deutschland. Danke schön, Herr Braasch, für dieses Gespräch!
    Braasch: Ja, vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.