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Dieselfahrverbote in Hamburg
Polizeikontrolle mit Hindernissen

Die Polizei prüft, ob die bundesweit ersten Fahrverbote in Hamburg auch eingehalten werden: Befürworter loben, die Hansestadt mache endlich Ernst. Kritiker nervt, es gehe nur um zwei kurze Straßenabschnitte und verlagere den Verkehr auf umliegende Wohngebiete. Die Praxis ist noch komplizierter.

Von Axel Schröder | 21.06.2018
    Fahrverbotsschilder fuer Fahrzeuge mit Diesel-Motor in Hamburg
    Fahrverbotsschilder fuer Fahrzeuge mit Diesel-Motor in Hamburg (imago / Revierfoto)
    Ein alter Diesel-Laster rollt aufs Hamburger Heiligengeistfeld am Rande des Schanzenviertels. Vorneweg geleitet ihn ein Motorradpolizist zur Kontrollstelle. Verkehrshütchen markieren den Platz, an dem der Fahrer halten soll. Eine Polizistin kontrolliert die Papiere. Ringsum stehen Kamerateams, Hörfunk- und Zeitungsjournalisten:
    "Die Fahrerkarte würde ich auch gerne sehen. Und trotzdem einmal telefonieren." - Ja, machen Sie das!"
    Seinen Führerschein hat Serda Eker nicht dabei, dafür aber den Fahrzeugschein. Und auf den kommt es an bei der Kontrolle. Seit Ende Mai ist ein 1,7 Kilometer langer Abschnitt der vierspurigen Stresemannstraße für Lkw, deren Motor und Abgassystem nicht der Schadstoffklasse oder Euronorm 6 entsprechen, gesperrt. Sein Laster hat Euronorm 3. Und natürlich wusste Serdar Eker vom Durchfahrtverbot:
    "War doch überall in den Medien, Fernsehen, Zeitungen. Aber ich bin trotzdem reingefahren."
    Der Lkw-Zahler muss 75 Euro Strafe zahlen
    75 Euro muss der Lkw-Fahrer zahlen. Er zuckt die Schultern, hofft darauf, dass sein Chef ihm das Bußgeld erstattet. Polizeidirektor Andreas Nieberding, quietschgelbe Warnweste, Polizeimütze auf dem Kopf, ist mit insgesamt 60 Kolleginnen und Kollegen unterwegs, um das Dieseldurchfahrtverbot zu kontrollieren, das nicht nur auf der Stresemannstraße, sondern auch in der Max-Brauer-Allee, dort auch für Pkw, gilt. Ganz einfach ist es nicht, diejenigen, die gegen das Durchfahrtverbot verstoßen, überhaupt zu erkennen:
    "Also von außen kann man das bei einem LKW überhaupt nicht erkennen. Wir gucken natürlich drauf, teilweise auch auf’s Alter, weil je älter die Fahrzeuge sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die nicht entsprechende Diesel-Euronorm haben. So allmählich entwickeln die Kollegen auch einen Blick dafür, welcher vielleicht in Frage kommt. Dann nehmen wir sie von der Stresemannstraße hier auf’s Heiligengeistfeld, um die Einschränkungen für alle anderen Verkehrsteilnehmer möglichst gering zu halten, und dann überprüfen wir das halt hier."
    Polizei arbeitet mit Flyern und über Online-Abfragen
    Besonders kompliziert wird allerdings bei Fahrzeugen aus dem europäischen Ausland, bei denen die Schadstoffklasse nicht einmal in den Papieren vermerkt ist. Aber auch auf diese Fälle ist die Hamburger Polizei vorbereitet, erklärt Polizeidirektor Andreas Nieberding:
    "Also bei ausländischen LKW haben wir die Möglichkeit, über eine Online-Nachfrage beim Kraftfahrtbundesamt rauszufinden, wo dieses Fahrzeug in welche Dieselklasse es einzusortieren wäre. Wenn das nicht gelingen sollte, dann bekommen diese ausländischen Fahrzeugführer von uns einen Flyer, möglichst in ihrer Landessprache. Denn wir haben die in verschiedenen Sprachen dabei und werden sie dann nicht mit einem Bußgeld belegen. Wir sind ja in der Nachweispflicht, dass er die falsche hat und das können wir dann nicht nachweisen."
    CDU-Politiker hält punktuelle Verbotszonen für "Unsinn"
    Auf dem Heiligengeistfeld, am Rande der Kontrollzone, gibt auch Joachim Lenders Interviews. Lenders sitzt für die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft. Aber heute, betont er, sei er als Vorsitzender der Hamburger Gewerkschaft der Polizei vor Ort. Und dass die Einsatzkräfte nun zu all ihren anderen Aufgaben jetzt auch die Durchfahrtverbote kontrollieren soll, davon hält Joachim Lenders gar nichts. Diese punktuellen Fahrverbotszonen seien ohnehin Unsinn.
    "Ohne der Fachmann zu sein, würd ich sagen, dann sollte man vielleicht ein ganzes Viertel sperren. Aber doch nicht einen einzelnen Straßenabschnitt für wenige hundert Meter, und dann sich die Frage zu stellen, das ist eine sinnvolle Aktion?"
    Gefahrguttransporter fahren durch die Stadt
    Lenders schüttelt den Kopf, während hinter ihm schon der nächste Laster auf Heiligengeistfeld rollt. Hinterm Steuer sitzt Wilhelm Tober aus Berlin. Auch er nimmt sich Zeit für die vielen Fragen der Journalisten. Nein, sauer sei er nicht. Er findet die Fahrverbote gut. Aber die Verbotsschilder und die, die anzeigen, welche Ausweichrouten gefahren werden können, diese Schilder müssten überarbeitet werden:
    "Für jemanden, der sich nicht auskennt, ist es schlecht ausgeschildert. Ich bin ja jetzt nun schon ein paar Mal durch Hamburg durchgefahren, ich kenn mich hier einigermaßen aus. Aber tagsüber bei dem Verkehr und Fußgänger und Fahrradfahrer und alles. Also eigentlich ist es Schwachsinn."
    Vor allem ärgert ihn, dass der Elbtunnel für Gefahrguttransporter tagsüber gesperrt ist. Deshalb muss er durch die ganze Stadt fahren. Das sei das eigentliche Problem. Im Übrigen, grinst Wilhelm Tober, fahre er einen ganz neuen Laster, mit Schadstoffklasse 6 und freier Fahrt durch ganz Hamburg.