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"Dieses Oligopol ist kein freier Markt"

Der CSU-Politiker Hans Michelbach sagt, dass geprüft werden müsse, wie ein Gesetz verschärft werden kann, um gegen die fünf Großkonzerne im Spritbereich eine stärkere Handhabe zu bekommen. Der Wettbewerb sei ausgehebelt. Daher müsse die Politik nun handeln und mehrere Maßnahmen in Angriff nehmen.

Hans Michelbach im Gespräch mit Bettina Klein | 02.04.2012
    Bettina Klein: Es ist gewiss mehr als nur ein Osterthema, obwohl gerade um diese Zeit des Jahres die Benzinpreise regelmäßig steigen, wie überhaupt gern vor den Feiertagen oder dem Wochenende. Inzwischen steuern wir allerdings auf 1,70 Euro für einen Liter Super zu, das ist noch nie da gewesen. Liegt das daran, dass sich zwei nicht unwichtige Bundesländer im Wahlkampf befinden? Die Politik jedenfalls mischt sich ein und verspricht, nach Lösungen zu suchen. Jüngstes Beispiel: Die FDP schlägt vor, die Pendlerpauschale zu erhöhen, und ins gleiche Horn stößt auch der nordrhein-westfälische CDU-Politiker Karl-Josef Laumann.

    Am Telefon ist Hans Michelbach, Vorsitzender der CSU-Mittelstandsunion und Obmann der Union im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Ich grüße Sie, Herr Michelbach.

    Hans Michelbach: Ich grüße Sie, Frau Klein.

    Klein: Wir haben es gerade im Beitrag gehört: Volker Bouffier ist dafür, Karl-Josef Laumann fordert die Anhebung der Pendlerpauschale. Ist das jetzt die Linie von CDU und CSU?

    Michelbach: Ja, wir brauchen mehrere Maßnahmen, um letzten Endes dieser Preisanstiegswelle Herr zu werden. Wir haben ja die teuersten Spritpreise, die wir je in Deutschland hatten, und wir gefährden natürlich Wirtschaftswachstum, wenn wir so hohe Energiepreise bekommen. Das wird sich auf die Konjunktur durchschlagen, und das letzte, was wir gebrauchen können, sind natürlich im Zuge auch der Finanzmarktkrise Konjunkturprobleme in Deutschland.

    Klein: Meine Frage war: Pendlerpauschale, ist das die Linie der Union jetzt?

    Michelbach: Ich glaube, es muss mehrere Maßnahmen geben. Da ist die Initiative für die Benzinpreisbremse richtig, die Kartellrechtsverschärfung wichtig, Begrenzung eventuell von Energiesteuern, aber auch Ausgleich für den ländlichen Raum, für die Pendler. Also die Pendlerpauschalerhöhung ist durchaus zu prüfen. Ich glaube, wir müssen einen ganzen Strauß an Maßnahmen vornehmen, um auch eine wirksame Gegnerschaft gegen die Oligopole der fünf Großkonzerne in der Mineralölwirtschaft zu setzen.

    Klein: Sie haben jetzt einige Beispiele genannt. Ich frage noch mal nach: Sie wären durchaus auch dafür, eine Erhöhung der Pendlerpauschale zu prüfen und das in Politik fließen zu lassen?

    Michelbach: Ja. Ich bin der Meinung, dass wir gerade die Flexibilität der Arbeitnehmer, nämlich der Pendler sehen müssen, und natürlich auch gibt es die Frage des ländlichen Raumes. Der ländliche Raum würde erheblich stärker entvölkert werden, es gäbe noch größere Strukturprobleme, wenn wir nicht die Pendler hätten, die es sich jeden Tag leisten, zum Arbeitsplatz zu fahren, und deswegen ist ein Ausgleich über die Pendlerpauschale durchaus erwägenswert.

    Klein: Ein weiterer Punkt sind die kartellrechtlichen Maßnahmen, und das ist ja offensichtlich nicht so einfach, denn niemand kann nachweisen, dass es Absprachen gegeben habe, zwischen den Tankstellen zum Beispiel, und das ist vielleicht auch gar nicht nötig: Eine Tankstelle springt hoch mit dem Preis, die anderen springen hinterher. Das heißt, wie kann man das kartellrechtlich unterbinden?

    Michelbach: Das Kartellamt spricht ja vom Herdentrieb der fünf Großkonzerne, die immer neue Preisrunden machen und letzten Endes sich gegenseitig dann die Preise kurzfristig anpassen. Wir haben hier zwar die Kritik des Präsidenten des Kartellamtes, aber keine erfolgreichen Handlungen, und ich glaube, der Bundesminister Rösler als zuständiger Minister sollte mit dem Herrn Präsidenten Mundt des Kartellamts jetzt einmal erklären, wie die Absprachen per Gesetz angegangen werden können. Darüber hinaus können wir mit dem westaustralischen Modell, wo am Vortag die Preise für den folgenden Tag festgelegt werden müssen, da natürlich auch einen Weg finden. Also es gibt auch hier Handlungsbedarf und nicht nur das Klagelied immer wieder des Kartellamtspräsidenten.

    Klein: Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die Sie gerade genannt haben. Auf der anderen Seite ist das Problem ja nicht neu. Wir haben jetzt vielleicht Rekordpreise, aber wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder steigende Preise und auch Phänomene, die wir jetzt beklagen. Herr Michelbach, Ihre Partei ist seit 2005 im Bund an der Regierung. Weshalb ist eigentlich bisher nichts passiert?

    Michelbach: Ja, es streiten sich natürlich die Geister. Insbesondere sagt man, wir wollen einen freien Markt und wollen natürlich keine Preisfestlegung in einem freien Markt. Allerdings muss ich sagen, dieses Oligopol, das wir in Deutschland mit fünf Großkonzernen haben, ist kein freier Markt. Das hat mit freier Marktwirtschaft eigentlich nichts mehr zu tun. Der Wettbewerb ist ausgehebelt und deswegen müssen wir hier jetzt schärfer herangehen. Also die, die bisher das Argument des freien Marktes angesprochen haben, die sind eigentlich auch widerlegt.

    Klein: Machen Sie es mal konkret, Herr Michelbach. An welcher Stelle kann der Bundeswirtschaftsminister denn ansetzen, wenn es um diese Frage geht?

    Michelbach: Ja, es geht natürlich um diese Einführung des westaustralischen Systems mit der Festlegung der Preise, dass die nicht dauerhaft immer wieder gegenseitig angepasst werden nach oben. Es ist die Frage auch der Preisabsprache natürlich zu prüfen, und das ist ja auch die Aufgabe des Kartellamtes, jetzt zu sagen, wie ein Gesetz verschärft werden kann, um letzten Endes hier auch mit den fünf Großkonzernen gegen die Großkonzerne stärkere Handhabe zu haben.

    Klein: Aber wie es verschärft werden kann, das wissen Sie auch nicht?

    Michelbach: Es gibt eine ganze Menge Überlegungen. Ich glaube, das erst, einmal die Festlegung von Preisen über 24 Stunden hinaus, ist schon mal ein erster wesentlicher Schritt, und darüber hinaus muss natürlich auch die Frage der Preisabsprache, der Wettbewerbsverzerrungen, des unlauteren Wettbewerbs hier noch mal rechtlich stärker hinterfragt werden.

    Klein: Das sind also alles Maßnahmen, die im Augenblick geprüft werden, und bisher hat das ja nicht sehr viel ergeben: weder politisches Handeln, noch ist man zur Erkenntnis gekommen, dass das so einfach wäre, das umzusetzen. Ich sage mal, eine sehr einfache Möglichkeit wäre ja, den großen Teil, der vom Benzinpreis in die Staatskasse fließt - und das sind bei 1,70 Euro für den Liter 65 Cent für die Energiesteuer und 27 Cent für die Mehrwertsteuer -, eine Möglichkeit, die der Gesetzgeber sofort verändern könnte, wäre ja, an dieser Stelle Preissenkungen vorzunehmen, indem man die Steuern dort senkt. Weshalb passiert das nicht?

    Michelbach: Ja, Sie haben Recht, dass der Fiskus natürlich der heimliche Gewinner dieser Preisanstiege ist. Das ist richtig. Und die Frage ist, ob wir so etwas machen, vorschlagen, wie wir das in der letzten Woche im Deutschen Bundestag getan haben, nämlich ein Gesetz zum Abbau der Kalten Progression, wo es ja auch um heimliche Steuererhöhungen bei den Lohnzuwächsen geht. Ob es eine solche Begrenzung bei der Energiebesteuerung auch geben kann, das wäre ebenfalls zu prüfen. Ich glaube, dass wir natürlich nicht der heimliche Gewinner von diesen Preisrunden sein dürfen. Auf der anderen Seite wird natürlich dem entgegengehalten, dass es eine Einladung zur Erhöhung der Preisspirale durch die Mineralölkonzerne bedeuten würde, wenn wir auf der anderen Seite die Energiesteuern so nach unten führen würden. Also das, glaube ich, ist zu überdenken. Ich glaube, der erste Schritt wäre die Benzinpreisbremse mit dem Kartellrecht, dann auch das Thema Pendlerpauschale. Das sind die erfolgversprechendsten Lösungen, um den Menschen letzten Endes auch die Probleme zu lösen und natürlich auch der Konjunktur dienlich zu sein, denn ich darf noch mal sagen: wir sind dabei, eine Gefährdung unseres Wirtschaftswachstums zu bekommen, und dann können wir nicht der Stabilitätsanker in Europa sein und deswegen halte ich es für ganz, ganz wichtig, dass hier jetzt auch gehandelt wird.

    Klein: Der CSU-Politiker Hans Michelbach heute Mittag im Deutschlandfunk zur Diskussion über die Benzinpreise und zur Frage, was die Politik tun kann. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Michelbach.

    Michelbach: Vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.