Donnerstag, 28. März 2024

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Dietmar Bartsch (Die Linke)
"Keinesfalls an Sanktionen gegen den Iran beteiligen"

Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch hat die Bundesregierung aufgefordert, deutsche Firmen zu ermuntern, sich nicht an Sanktionen gegen den Iran zu beteiligen. Deutschland müsse hier Haltung gegenüber den USA zeigen, sagte Bartsch im Dlf. Deren Ausstieg aus dem Atom-Abkommen sei brandgefährlich.

Dietmar Bartsch im Gespräch mit Silvia Engels | 11.05.2018
    Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Bundestag, spricht zu den Journalisten über die Klausurtagung der Linken-Bundestagsfraktion.
    Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, will auch die Wirtschaft beim Protest gegen Trump in die Pflicht nehmen - auch, wenn das Aufträge kostet. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Silvia Engels: Die Atmosphäre beim Antrittsbesuch von Heiko Maas in Moskau war sachlich. Es gibt ein paar Berührungspunkte vielleicht, zum Beispiel das Bemühen, das Atomabkommen mit dem Iran zu erhalten. Am Telefon ist dazu nun Dietmar Bartsch. Er ist der Fraktionschef der Linken im Bundestag. Guten Morgen, Herr Bartsch!
    Dietmar Bartsch: Guten Morgen, ich grüße Sie!
    Engels: Die Linke verlangt ja von Bundesregierungen traditionell immer engere Beziehungen zu Russland. Sind Sie zufrieden mit dem Antrittsbesuch von Heiko Maas?
    Bartsch: Zufrieden kann man, glaube ich, deshalb nicht sein, weil Heiko Maas in der kurzen Zeit Richtung Russland doch einiges an Porzellan kaputtgemacht hat. Denn, Sie haben eben darauf verwiesen, es geht ja nicht um das Anknüpfen an Willy Brandt und Egon Bahr, sondern auch an das Anknüpfen an Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel. Und wenn es hier neue Akzente gibt, frage ich mich natürlich, mit welchem Ziel. Und ich glaube, dass vernünftige, natürlich pragmatische Beziehungen zu Russland für Europa, für Deutschland ausgesprochen wichtig sind, gerade weil wir in der Nähe des 8. Mai sind, lehrt uns die Geschichte das in besonderer Weise.
    Abkommen "muss in der Substanz weiter bestehen"
    Engels: Sie haben ja schon vor einigen Tagen deutlich gemacht, dass Sie beim Thema Iran-Abkommen dafür plädieren, Deutschland müsse gemeinsam mit Frankreich, Großbritannien, Russland und China nun Druck auf US-Präsident Trump machen. Wie soll das gehen?
    Bartsch: Ich betrachte die Entscheidung von Trump als höchst gefährlich, als falsch. Er nimmt damit in Kauf, dass die Gefahr auch eines Krieges größer wird. Man sieht angesichts der Eskalation Israel-Iran, dass das nicht irgendwie Schwarzmalen ist. Deshalb, der Druck auf die Vereinigten Staaten muss groß sein. Die Gefahr, dass Iran das Atomprogramm wieder aufnimmt, ist eine, die nicht zu unterschätzen ist. Deshalb, ganz klar, Deutschland sollte sich keinesfalls an diesen Sanktionen beteiligen. Und erstens erwarte ich klare Äußerungen, auch von Heiko Maas, auch von Angela Merkel. Vor allen Dingen sollten sie die Firmen ermuntern, deutsche Firmen, sich nicht an den Sanktionen zu beteiligen, denn das ist ja das eigentliche Problem. Amerikanische Sanktionen werden auch auf deutsche Unternehmen Auswirkungen haben. Deshalb sollte man hier gemeinsam mit den Partnern Frankreich, Großbritannien versuchen, vielleicht sogar einen Fonds aufzulegen, dass Unternehmen darunter nicht zu "leiden" haben. Man muss, das ist auch meines Erachtens ganz klar, hier dafür sorgen, dass dieses Abkommen nicht aufgekündigt wird oder so modifiziert wird, dass es in der Substanz weiter besteht. Denn es ist doch meines Erachtens klar, dass man dieses aus Sicht der Interessenlage der Bundesregierung verurteilen muss, was Trump hier tut.
    "Diplomatie das Gebot der Stunde, nicht Eskalation"
    Engels: Aber lassen Sie mich da noch einmal einhaken. Sie plädieren dafür, dass sich deutsche Firmen im Iran-Geschäft eben nicht an Sanktionen beteiligen sollen. Aber da haben doch deutsche Firmen gar nicht viel Gestaltungsraum. Letztendlich dominieren ja hier die USA die Bedingungen. Würden Sie so weit gehen, deutschen Firmen zu raten, in den Iran zu investieren und dafür ihr USA-Geschäft sausen zu lassen?
    Bartsch: Schauen Sie, es ist ja so, dass nach dem Abkommen zumindest vorsichtige wirtschaftliche Entspannungen sichtbar waren. Auch Sigmar Gabriel war im Iran, und das hat sehr wohl Auswirkungen gehabt. Ich glaube, dass wirtschaftliche Beziehungen immer die besten Voraussetzungen sind, dass Diplomatie das Gebot der Stunde ist, und nicht Eskalation. Und natürlich, wenn hier Großbritannien, Frankreich, wegen meiner auch China gemeinsam agieren – ich meine, es gibt, ich will das nur noch mal erwähnen, einen Handelskrieg der Vereinigten Staaten, wo nicht klar ist, ob es Sanktionen gegen deutsche Firmen gibt – ich finde, dass man hier klar Haltung zeigen muss. Ansonsten ist man letztlich im Boot von Donald Trump und hat keine eigenständige Außenpolitik, weil Trump das über Wirtschaft entscheiden wird. Deshalb genau dieser Rat, deutlich zu machen – und ich glaube nicht, dass die Amerikaner sagen, okay, das Amerika-Geschäft ist zu Ende. Aber da gehört Mut dazu. Diesen Mut, dazu sollte die deutsche Bundesregierung, insbesondere Angela Merkel, deutsche Unternehmen auffordern.
    "Es geht hier um die Frage von Kriegen"
    Engels: Sie haben eben auch einen Fonds angedeutet. Können Sie sich ernsthaft vorstellen, dass Firmen Geld daraus bekommen und damit den ja immensen Schaden aus einem wegbrechenden US-Geschäft ausgleichen?
    Bartsch: Na ja, schauen Sie, nichts zu tun und zu sagen, wir machen alles mit, wäre ein großer Fehler. Wenn man allerdings diese Entschlossenheit bekundet, wird auch Donald Trump nachdenklich sein. Denn er führt die Vereinigten Staaten teilweise wie ein Unternehmen. Man weiß auch nicht, ob in 14 Tagen das noch gilt. Ich glaube, dass man diese Außenpolitik auch in Deutlichkeit mit einer eigenen europäischen Außenpolitik entgegentreten sollte. Das als Solo-Ritt Deutschlands zu machen, wäre falsch, aber die EU in Zusammenarbeit mit China und Russland hätte schon diese Chance, dass nicht auf diesem Weg weiter eskaliert wird. Denn ich will das noch mal deutlich betonen: Es geht hier um die Frage von Kriegen. Und da muss auch Wirtschaft dann die zweite Rolle spielen. Diese Entscheidung von Donald Trump, ich wiederhole das, ist so brandgefährlich, es war damals so ein großer Erfolg, an dem im Übrigen auch Frank-Walter Steinmeier einen Anteil hatte, dass atomare Abrüstung im Iran, dass der Iran dazu verpflichtet worden ist. Und wenn man dann dies aufgeben will, ich frage mich - man darf doch nicht mit dem Krieg spielen. Das findet hier aber de facto statt.
    Kritik an Maas "verbaler Verschärfung" der Beziehungen zu Russland
    Engels: Sie plädieren also dafür, deutliche Signale an die Adresse von Donald Trump zu setzen. Jetzt sehen wir es aber auch einmal andersherum: Russland und China als engere Akteure für Deutschland und Europa zu wählen. Das ist eine punktuelle Übereinstimmung in Sachen Iran. Auf der anderen Seite sind die Konflikte gerade mit Moskau ja nicht vom Tisch, Stichwort Krim-Annektierung, Stichwort auch die anderen Konflikte, die sich beispielsweise um die Skripal-Affäre ranken.
    Bartsch: Völlig klar. Da stimme ich ja überein. Auch gegenüber Russland kann es keinerlei Kompromisse geben. Aber verbal sollte man meines Erachtens die Linie, die es bisher gab - und ich hab auf die Namen verwiesen, Steinmeier, Gabriel - fortsetzen. Russland sollte in Europa gerade für diese Konflikte, und nicht nur den Iran, auch was die Ukraine betrifft - es ist vernünftig, dieses Format mit Frankreich, der Ukraine und Russland fortzusetzen. Ich begrüße diese Initiative, würde ausdrücklich auch dazu raten, eine ähnliche Initiative bezüglich des Irans zu starten und eine Konferenz zur Lösung der Konflikte im Nahen Osten anzuregen. Das ist vernünftig.
    Ich habe mich nur gefragt, warum es als erste Aktivität von Heiko Maas, nachdem er Außenminister geworden ist, eine verbale Verschärfung der Beziehungen Richtung Russland gegeben hat. Ich glaube, dass der Weg ein anderer sein sollte. Die Sanktionen werden nicht diesen Erfolg haben. Ich wiederhole da, gerade im Umfeld des 8. Mai, man wird dieses Land nicht mit Sanktionen in die Knie zwingen, wo es Millionen und Abermillionen Tote in den Kriegen gegeben hat, sondern der andere Weg ist der richtige. Das heißt überhaupt nicht, und das macht die Linke wie andere Parteien, dass Dinge in Russland zu kritisieren sind. Wir haben den Umgang mit Homosexuellen in Russland kritisiert. Ja, wir haben eine kritische Haltung, was die Krim betrifft. Aber man wird es nicht mit Eskalation lösen können.
    "Diplomatie, Diplomatie und nochmals Diplomatie"
    Engels: Das heißt, ein Ende der Sanktionen und ein Schlussstrich unter die Streitereien um die Krim und die Skripal-Affäre?
    Bartsch: Bei der Skripal-Affäre geht es vor allen Dingen darum, dass endgültig aufgeklärt wird. Und dass man Russland gegenüber auch klar Position beziehen muss, das ist ja unstrittig. Aber das heißt wiederum nicht, dass man verbal zuspitzt, sondern Diplomatie, Diplomatie und nochmals Diplomatie ist der Weg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.