Donnerstag, 25. April 2024

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Digitale Zukunft im Koalitionsvertrag
"Glasfaserausbau alleine funktioniert nicht"

Glasfasernetze in jeder Gemeinde, WLAN-Hotspots in öffentlichen Einrichtungen - das sind nur einige Aspekte, die im Koaltionsvertrag für die digitale Zukunft Deutschlands vorgesehen sind. Zu wenig - findet Alexander Rabe vom Verband der Internetwirtschaft Eco: "Ein ganzheitliches politisches Konzept fehlt leider", sagte Rabe im Dlf.

Alexander Rabe im Gespräch mit Silke Hahne | 08.02.2018
    ILLUSTRATION - Auf dem Marktplatz von Bretten (Baden-Württemberg) wird am 13.07.2016 ein Leerrohrbündel mit Glasfaserkabeln des Breitband-Versorgers BBV gezeigt.
    Der Glasfaserausbau sei wichtig - damit alleine würden aber nicht die Weichen für eine digitale Zukunft in Deutschland gestellt, meint Alexander Rabe vom Verband der Internetwirtschaft Eco (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Silke Hahne: Bis 2025 soll das Surfen im Internet flächendeckend mit einem Gigabit pro Sekunde möglich sein, sogar der Rechtsanspruch darauf soll kommen. Glasfasernetze sollen in jeder Gemeinde ankommen - möglichst gar in jedem Haus. In öffentlichen Einrichtungen des Bundes, in Zügen und Bahnhöfen sollen offene und kostenlose WLAN-Hotspots verfügbar sein. So zeichnet der Koalitionsvertrag die digitale deutsche Zukunft. Eine Menge ist geplant, die Finanzierung ist aber noch unsicher. Wie sehen das die Unternehmen der Internetwirtschaft, die auf den Breitband-Ausbau qua Definition angewiesen sind? Das konnte ich vor dieser Sendung mit Alexander Rabe diskutieren, Geschäftsführer beim Verband der Internetwirtschaft Eco. Und meine erste Frage an ihn war: Katapultiert dieser Koalitionsvertrag uns in die digitale Zukunft?
    Alexander Rabe: Der Koalitionsvertrag adressiert einige wichtige digitalpolitische Einlassungen, die in der letzten Legislaturperiode leider nicht ambitioniert genug formuliert waren. Fakt ist aber eben auch, dass Glasfaserausbau alleine und das Bekenntnis zu diesem noch nicht funktioniert. Sie haben es gerade auch formuliert. Die Milliarden, die hierfür vorgesehen werden, werden zeitgleich der Wirtschaft auch wieder durch Lizenzerlöse genommen. Das schwächt natürlich die Wirtschaft in ihrer Investitionsfähigkeit. Nichtsdestotrotz, es gibt viele auch noch andere Baustellen, die adressiert werden.
    Die Schnittstelle Bürger und Verwaltung – wir nennen das E-Government – oder auch die Bereiche digitale Bildung und auch das ganze Thema Open Access im Bereich der Wissenschaften, das sind Themen, die wichtig sind und die im Koalitionsvertrag adressiert werden. Das ist schon mal positiv zu bewerten, aber ein ganzheitliches politisches Konzept fehlt leider. Das heißt für uns, die Chance, Politik neu zu denken, die wurde nicht berücksichtigt, und es lässt sich im Endeffekt auch zusammenfassen: Wir bekommen jetzt ein Heimatministerium, aber kein Digitalministerium. Das ist rückwärtsgewandt, und das bedauere ich doch sehr.
    "Digitalisierung ist aber eine Querschnittsaufgabe"
    Hahne: Wobei das Ressort Heimat dem Innenministerium zugeschlagen wird, genau wie das Ressort Digitales dem Verkehrsministerium zugeschlagen wird.
    Rabe: Das ist in der Ausdefinition leider noch nicht ganz korrekt. Das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastrukturen, das gab es ja auch bereits in der letzten Legislaturperiode, und laut den vorliegenden Papieren ist eben immer wieder auch über den Bereich digitale Infrastrukturen die Rede, und das ist wichtig. Digitale Infrastrukturen, da gehört eben der Glasfaserausbau dazu, da gehört eine Standortpolitik im Bereich der Rechenzentren dazu et cetera pp. Digitalisierung ist aber eine Querschnittsaufgabe und Herausforderung, und in den letzten vier Jahren haben wir gesehen, dass die Verteilung auf die verschiedenen Ministerien für die Wirtschaft eher ein Hemmnis statt ein Innovationstreiber war.
    "Verlieren Anschluss an internationale Transformation"
    Hahne: Das heißt, Sie hätten sich ein Digitalministerium gewünscht.
    Rabe: Für uns, wir brauchen einen Ansprechpartner, der für uns Themen gebündelt und kompetent in der Bundesregierung vertritt. Wir brauchen im Endeffekt für das Zukunftsthema Digitalisierung einen Platz am Kabinettstisch, das ist für uns unglaublich wichtig. Andernfalls werden wir immer wieder die verschiedenen Grabenkämpfe erleben, und wir werden eine uneinheitliche Politik erleben, die uns die letzten vier Jahre einfach an Geschwindigkeit hat, ja, etwas genommen statt zu geben. Auf die Art und Weise verlieren wir leider auch den Anschluss an die internationale Transformation der Wirtschaft.
    "Nicht als Nischenthema, nerdiges Thema betrachten"
    Hahne: Dass Sie das als Verband der Internetwirtschaft sagen, ist natürlich nicht überraschend. Welche Bedeutung hat das Thema denn für die nicht originär digitale Wirtschaft?
    Rabe: Welche meinen Sie? Wir sind stark im Automobilbereich, im Maschinenbau. Genau diese Zweige in Deutschland sind eben von der Digitalisierung genauso wie die Logistik betroffen oder eben auch die Pharmabranchen und Medizinbereiche. Wir sind an einem Punkt im 21. Jahrhundert angelangt, dass wir dieses Zukunftsthema Digitalisierung nicht mehr als ein Nischenthema und ein nerdiges Thema betrachten, sondern wirklich als eine Chance, komplett neu zu denken, was wir bisher erlebt haben. Auch der Energiebereich ist davon betroffen und, und, und. Wir müssen diesen Wirtschaftszweigen jetzt die Rahmenbedingungen schaffen, eben auch mit den Daten, die in dieser Arbeit anfallen, so arbeiten zu können, dass sie innovative Geschäftsmodelle entwickeln können und sich gegenüber der internationalen Konkurrenz auch behaupten können. Dann haben wir wirklich eine Chance, Deutschland weiterhin so stark zu halten, wie wir ohnehin sind, aber wir dürfen diesen Moment nicht verschlafen und durch Technikskepsis oder ähnliches uns an dieser Stelle lähmen lassen.
    "Thema Glasfaser so deutlich adressiert"
    Hahne: Zehn bis zwölf Milliarden Euro sind vorgesehen, sofern denn die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen das hergibt. Wie groß ist denn die Finanzierungslücke tatsächlich?
    Rabe: Da gehen die Meinungen ein wenig auseinander. Es werden Zahlen von 60 bis 80 Milliarden kolportiert. Die Frage ist auch immer, was verstehen wir unter flächendeckend? Bis zur letzten Alm, verstehen wir bis zum Verteilerkasten, verstehen wir bis in die Wohnungen? Das ist eben genau das, wo wir immer wieder sagen, wir müssen hier gemeinsam - und das sieht der Koalitionsvertrag auch vor mit der Netzallianz - weiter diskutieren, wie wir diesen Ausbau jetzt vorantreiben. Dass das Thema Glasfaser so deutlich adressiert ist - das erwähnte ich eingangs - empfinden wir als Verband als Kernforderung auch weiterhin als sehr positiv.
    "Technologie im Hintergrund, die wir gestalten können"
    Hahne: Die Koalition gibt insgesamt 46 Milliarden Euro zusätzlich aus für mehr Kindergeld, für Investitionen in die Bildung, für Forschung und Entwicklung, für den sozialen Wohnungsbau. Das sind ja alles Themen, die die Menschen sicher auch bewegen, vielleicht sogar ein bisschen mehr als die eine oder andere Minute, um was bei Amazon zu bestellen.
    Rabe: Ja, wenn Sie die Bedeutung für den Ottonormalbürger sozusagen und seine Lebenswelt zum Thema Digitalisierung damit ansprechen - können Sie sich eine Welt ohne Internet vorstellen? Ich glaube, an vielen Punkten haben wir verlernt zu sehen, welche Technologien wir letztlich eigentlich nutzen. Einen Tag ohne Mobilfunktelefon, ein Tag ohne E-Mails im Büro - gehen Sie an den Bankautomaten oder gehen Sie an den Fahrkartenautomaten, überall sind Verbindungen mit dem Internet vorhanden, überall fallen Daten an, überall möchten Sie einfach und schnell Ihren Alltag bewältigen, und das ist eine Technologie im Hintergrund, die wir gestalten können und die wir gestalten wollen als Verband der Internetwirtschaft mit unseren Mitgliedsunternehmen natürlich, und ich glaube, auch da bedarf es - deswegen bin ich auch froh, dass das Thema digitale Bildung adressiert wird - wirklich einer Offensive, zu verstehen, welche Systeme im Hintergrund eigentlich unseres Alltags liegen, welche Bedeutung das hat und wie das eigentlich alles funktioniert.
    "Mehr Menschen sozial gesichert als Arbeitsplätze wegfallen"
    Hahne: Das heißt, der Internetausbau ist in Ihren Augen auch ein soziales Thema?
    Rabe: Digitalisierung ist selbstverständlich auch ein soziales Thema, denn letztlich geht es hier um Arbeitsplätze, Innovationsfähigkeit eines Standortes, um Investitionen. Beispielsweise haben wir im Rhein-Main-Gebiet den weltweit größten Internetknotenpunkt. Das ist eine Ansammlung von Rechenzentren, sogenannte Co-Location- und Cloud-Anbietern. Hier entstehen Arbeitsplätze, Wertschöpfung. Das ist innovativ. Diese Standortvorteile, die wir haben, die dürfen wir nicht verspielen leichtsinnig, indem wir die Themen als gegeben adressieren. Der internationale Wettbewerb schläft nicht, und wir müssen schauen, dass wir attraktiv bleiben, und die Transformation der Wirtschaft, auch in anderen Bereichen, wird immer wieder für Arbeitsplätze sorgen, und ich glaube, das dürfen wir nicht vergessen. Auch wenn immer wieder die Angst besteht, dass andere Arbeitsplätze wegfallen, glaube ich, wenn wir aktiv in den Bereichen digitale Bildung, Weiterbildung jetzt arbeiten, wir eine Zukunft haben, in der unter dem Strich wir mehr Menschen sozial gesichert haben durch diese neuen Innovationen und Produkte, die es geben wird, als Arbeitsplätze wegfallen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.