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Digitaler brauner Hass aus Deutschland

Bei Facebook oder YouTube wird Propaganda von deutschen Neonazis gelöscht. Deswegen weichen Neonazis zu VK.com, dem russischen Facebook, aus. Hier finden sich rechtsextreme Inhalte, die in Deutschland auf dem Index stehen. Gegen diesen Hass im Netz kämpft Jugendschutz.net.

Von Claudia van Laak | 09.07.2013
    VK.com – das ist die neue Adresse im World Wide Web, auf dem sich zunehmend deutsche Neonazis tummeln. Bislang fast unbehelligt können sie hier Propaganda posten, die bei Facebook oder YouTube längst gelöscht wäre. VK.com ist das russische Facebook - hier finden sich nicht nur Hunderte von gewaltverherrlichenden und antisemitischen Liedern, die in Deutschland auf dem Index stehen. Hier können auch Videos angeklickt werden, die unverhohlen zu rassistischen Morden aufrufen und diese detailliert zeigen, sagt Stefan Glaser von jugendschutz.net.

    "Wir sehen, das insbesondere bei Facebook in den einzelnen Postings VK eben auch, als der sichere Hafen gehandelt wird. Das heißt, Facebook löscht, Leute seht zu, wenn ihr eure Inhalte verbreiten wollt, wenn wir austauschen wollen, Materialien, lasst uns auf das russische Facebook VK.com gehen und dort können wir letztendlich momentan noch alles tun, was wir wollen."

    Bei VK.com finden sich – auf Deutsch – Gruppen unter dem Titel "Adolf Hitler" genauso wie die verbotene Blood-and-Honour-Bewegung, Nährboden der rechtsextremen Terrorzelle NSU. Neonazis weichen nach Russland aus, weil YouTube und Facebook zunehmend rassistische und antisemitische Fotos, Videos und Kommentare löschen, auch nach Hinweisen von Jugendschutz.net - eine von den Ländern gegründete Organisation. Die Zusammenarbeit mit den deutschen Ablegern der US-amerikanischen Unternehmen klappt gut, sagt Stefan Glaser von jugendschutz.net, aber:

    "Es gibt natürlich das Problem, das immer wieder Inhalte neu hochgeladen werden und da sagen wir: Müsst Ihr einfach mehr tun, da müsst Ihr gucken, beispielsweise mit technischen Mitteln, dass Ihr verhindert, dass solche Inhalte, die Ihr schon kennt, wo Ihr wisst, die sind nicht erlaubt und die habt Ihr schon einmal von Eurem Server runtergeschmissen, dass die nicht erneut hochgeladen werden können."

    Jugendschutz.net ist Mitglied im internationalen Netzwerk gegen Hass im Internet – über diese Organisation wollen jetzt die deutschen Jugendschützer an das russische Facebook VK herankommen. Normale Webseiten verlieren in der rechtsextremen Szene weiter an Bedeutung, Social Media-Angebote werden immer wichtiger, sagt Thomas Krüger, der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung:

    "Rechtsextreme sind systematisch und immer intensiver von den klassischen statischen Websites in die Social Media umgestiegen, sie nutzen das Social web, die entsprechenden Dienste sind sehr aktiv und natürlich in diesen Diensten muss man sich genau angucken, mit welchen Strategien dort operiert wird."

    Eine Strategie der Rechtsextremen besteht darin, verdeckt zu operieren und mit zunächst unverfänglichen Facebook-Auftritten und Weblogs Jugendliche anzulocken. So vermeiden die sogenannten Identitären nationalsozialistisch geprägte Begriffe, geben sich erlebnisorientiert, modern und dynamisch, kaschieren ihre menschenverachtenden Botschaften. Auch Facebook-Seiten von vermeintlichen Bürgerinitiativen, die Stimmung gegen Flüchtlingsunterkünfte, neue Moscheen oder Sexualstraftäter machen, sind oft von Rechtsextremen initiiert. Ein Graubereich – nicht immer können die Jugendschützer dagegen vorgehen.

    "Es gibt natürlich auch immer dann Kommentar, beispielsweise einzelne Postings, die dann auch durchaus schon einmal den Grad zur Volksverhetzung, beispielsweise überschreiten. Und da haben wir die Möglichkeit, dann auch einzuschreiten und etwas zu tun."

    Stefan Glaser appelliert an die Netzgemeinde, aktiv zu werden und sich über rassistische und antisemitische Inhalte zum Beispiel bei Facebook oder YouTube zu beschweren. Er und seine drei Kollegen, die bei Jugendschutz.net rechtsextreme Auftritte im Netz recherchieren, haben im vergangenen Jahr 1673 Gesetzesverstöße dokumentiert. Drei Viertel der beanstandeten Inhalte wurden gelöscht, nachdem die Jugendschützer bei den Betreibern der Internetseiten oder den Providern interveniert hatten.

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