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Digitales Lernen in Kenia
High-Tech ohne Stromanschluss

Vor seiner Wahl hatte Kenias Präsident Uhuru Kenyatta Tablets für alle Grundschulkinder versprochen. IT-Experten loben das Sechs-Milliarden-Projekt. Doch die gut eine Million Tablets sind längst nicht alle ausgeliefert. Und viele Schulen haben gar keine Chance, sie einzusetzen.

Von Linda Staude | 14.07.2017
    Young Kenyan innovator Caroline Wambui shows a journalist (R) the interface of a mobile app called 'Life Pocket' that she designed in Utawala, Nairobi, Kenya,
    Programmieren lernen als Investition in die Zukunft. (Daniel Irungu (dpa))
    "Willkommen zu den Naturwissenschaften für das erste Schuljahr", sagt die freundliche Computerstimme leicht blechern. "Wir werden alles über uns selbst erfahren. Lernt und habt Spaß." Die Erstklässler beugen sich eifrig über die Tablets vor ihnen.
    Emmanuel zieht mit dem Finger ein paar Augen an die richtige Stelle in einem leeren Gesicht. "Wir lernen die Körperteile. Den Kopf, die Schultern, die Knie und Zehen." Der Siebenjährige ist mit Feuereifer bei der Sache. In Sekundenschnelle ist der digitale Körper auf dem Bildschirm komplett.
    "Früher mit den Schulbüchern waren die Schüler manchmal gelangweilt. Aber mit den Geräten lernen sie mehr. Denn wenn die Kinder interessiert sind, können sie schneller lernen." Asairas Kagacha lehrt an der Roysambu-Schule in Kasarani. Die Grundschule am Rand von Nairobi war eine der ersten, die mit Tablets ausgerüstet wurde. Im Mai 2016 war das.
    Direktorin Sarah Nyota: "Die Kinder sind begeistert, weil einige nie gedacht hätten, dass sie so jung an diese Geräte kommen würden. Sie haben gedacht, das ist nur für die Reichen."
    School girls play in front of their classroom in Kibera, the largest urban slum in Africa, in Nairobi, Kenya
    Schulkinder vor dem Klassenzimmer in Kibera, dem größten Slums Afrikas, in Nairobi, Kenia. (Dai Kurokawa / dpa)
    Eine gute Investition in den kenianischen Nachwuchs
    Digitales Lernen steht hoch im Kurs in Kenia – spätestens seit Uhuru Kenyatta das Laptop-Projekt vor seiner Wahl zum Präsidenten versprochen hatte: "Wir werden dieses Programm Jahr für Jahr fortsetzen, bis jeder Grundschüler eine Tasche und einen Laptop hat."
    IT-Experte Eric Hersman hält das Sechs-Milliarden-Projekt für gut investiertes Geld in die Zukunft des kenianischen Nachwuchses: "Die besten Software-Ingenieure der Welt haben angefangen, bevor sie zehn Jahre alt waren. Ich würde es gerne sehen, wenn mehr Kinder Computer hätten. Das ist eine gute Sache. In zehn Jahren werden wir alle großen Nutzen daraus ziehen."
    Im Moment hält sich der Nutzen für die meisten Kinder noch in Grenzen. Die versprochenen gut eine Million Tablets sind längst noch nicht alle ausgeliefert. Und viele Schulen haben gar keine Chance, sie einzusetzen.
    Keine Toiletten, kein fließendes Wasser
    Die kleine Klasse von Lucy Gathogo sagt das Alphabet auf. Unter einem Baum auf dem Land, weil das Schulgebäude noch eine Baustelle ist. "Wir müssen erst mal die Grundbedürfnisse erfüllen. Wenn wir keine Klassenzimmer haben, keine Toiletten, kein fließendes Wasser, dann sollten wir uns zuerst um die mentale Entwicklung der Kinder kümmern, statt Luxusobjekte anzuschaffen."
    Jeder fünften Schule in Kenia fehlt es am Nötigsten – wie dem Strom, um Tablets wieder aufzuladen. Auch an der kindgerechten Lernsoftware hapert es. Eirene Kamau, die Geschäftsführerin der Privatschulen von Kasarani. "Die wird noch entwickelt. Inzwischen haben einige private Anbieter Apps auf den Markt gebracht. Aber die haben mit der Regierung nichts zu tun. Das heißt sie halten sich nicht an den offiziellen Lehrplan bei der Entwicklung dieser Apps."
    A young Kenyan boy jumps across a puddle of sewage water outside the main entrance gate of Embakasi Girls Secondary School a public school in the Mukuru kwa Njenga slums of Nairobi, Kenya, 15 December 2016.
    Keine Toiletten, kein fließendes Wasser, kein Strom: Kenianischen Schulen fehlt es oft am nötigsten. (Daniel Irungu (dpa))
    Trotz dieser Bedenken setzen Privatschulen zunehmend auf diese Programme, um ihre eignen Laptops damit zu füttern. Anders als die Regierungstablets für die öffentlichen Schulen haben die auch Zugang zum Internet und können auf die neueste Software zurückgreifen. "Wir lernen mehr mit den Geräten, weil die Schulbücher oberflächlich sind. Sie geben keine zusätzlichen Informationen," sagt die 14-jährige Pauline Wambui. Ihre Lernsoftware stammt von E-Limu, was auf Kisuaheli so viel heißt wie elektronischer Lehrer.
    Die Zeit ist noch nicht reif
    Nivi Mukherjee hat an der Entwicklung der Software mitgearbeitet. "Statt alles als Lehrbuch oder Pdf-Dateien hochzuladen, haben wir Animationen, Videos und bemühen uns, dass der Lernprozess Spaß macht, interessant und einnehmend für die Schüler ist." Zumindest für die Schüler, die ihre versprochene Elektronik auch bekommen haben.
    Wie die siebenjährige Esther an der Roysambu-Schule: "Ich lade das Matheprogramm und lerne. Ich kann mir jedes Fach aussuchen, das ich will. Und wenn der Lehrer weg ist, lerne ich weiter."
    Bevor tatsächlich alle Kinder am Computer lernen, werden allerdings noch einige Jahre ins Land gehen, befürchtet Eirene Kamau: "Es ist eine wundervolle Idee, die Zukunft Kenias, sagt sie. Aber ich glaube, dass die Zeit noch nicht reif dafür ist."