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Digitales Logbuch
Selfie-Wahnsinn

Die Front-Kameras am Handy waren nur der Anfang: Nachdem schon sogenannte Selfie-Stangen dem Narzissmus weiteren Auftrieb gegeben hatten, gibt es nun die nächste Steigerung: die Drohnies. Doch es entwickelt sich Widerstand aus unerwarteter Richtung: der Tierwelt.

Von Michael Stang | 06.06.2015
    Zwei italienische Touristen machen am am Brandenburger Tor in Berlin ein Selbstporträt mit einem "Selfie-Stick".
    Zwei italienische Touristen machen am am Brandenburger Tor in Berlin ein Selbstporträt mit einem "Selfie-Stick". (picture alliance / dpa)
    Der Narzissmus unserer Tage ist das selbst fotografierte Ebenbild. Selfies - allein das Wort lässt einem schon Pickel sprießen. Die griechische Sage vom Jüngling Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebt hatte, hat seinen berechtigten Vergleich. Fotografiert werden ausschließlich Bilder zum Angeben: Fotos aus der Muckibude etwa, wo man den frisch gepimpten Body in sozialen Netzwerken bewundern soll oder das Selfie von Gelegenheiten, die Facebook-Freunde neidisch machen sollen: Prolet am Strand oder mit C- beziehungsweise D-Promi im Arm. Herzlichen Glückwunsch.
    Lange musste Mr. Supertyp sein Spiegelbild fotografieren: Doch mittlerweile haben Smartphones standardmäßig zwei Kameras. Das kurbelte die Selfie-Welle so richtig an, aber gequetscht wirkten die Aufnahmen aus der vermeintlichen Vogelperspektive dennoch - Arme sind beim Homo sapiens eben meist recht kurz. Danach kamen die Selfie-Stangen: Damit konnte der gemeine Prolet endlich auch Rudelbilder von Sauftouren schießen, super.
    Mittlerweile gibt es Orte, an denen die Stangen verboten sind, etwa in Südkorea - offiziell aus Datenschutzgründen. Ein Hoch auf die Bürokratie! Ähnliche Verbote gibt es in Museen in New York, in Mekka oder auch beim Stierlauf in Pamplona - denn hier könnten die Tiere dem Narziss gefährlich werden, genauso wie am Lake Tahoe in den USA, wo Touristen gerne Selfies mit Bären im Hintergrund aufnehmen.
    Apropos gefährlich: dass sich Tiere durchaus gegen Selfies wehren, belegte kürzlich ein Schimpanse im Burgers Zoo in Arnheim. Ein Besucher hatte die nächste Selfie-Generation dabei und wollte ein sogenanntes Drohnie machen - noch so ein furchtbares Wort. Ein ferngesteuerter Flieger samt Kamera. Diese Geräte halten alles fest - ob man will oder nicht. Mit Fotodrohnen kann man also noch größere Proletenrudel von ganz weit oben aufnehmen. Zurück zum Zoo: Der Besucher wollte sich fotografieren, hübsch mit Affe im Vordergrund. Der Schimpanse fühlte sich jedoch belästigt, vielleicht wollte er auch nur das Recht am eigenen Bild wahrnehmen, egal - er schwang sich auf einen Baum und drosch mit einem Ast auf das Fluggerät ein, Ende der Aufnahme!