Donnerstag, 28. März 2024

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Digitales Nachrichtenmagazin
Spiegel-Abo im Netflix-Modell

Dem "Sturmgeschütz der Demokratie" geht die Feuerkraft verloren: Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" verliert an Auflage - so wie viele andere Printmedien. Der Verlag will jetzt mit einem neuen Abo das Heft als di­gi­ta­les Nachrichtenma­ga­zin neu in­sze­nie­ren. Ein Test.

Von Sandro Schroeder | 06.06.2018
    Das "Spiegel"-Verlagshaus in Hamburg an der Ericusspitze.
    Mit dem neuen Digital-Abo namens "Spiegel+" sollen auch das Print- und Online-Geschäft unter dem Dach des Spiegel-Verlagshauses weiter zusammenwachsen. (imago/Westend61)
    Der Spiegel-Verlag hat sich inspirieren lassen. Oder zumindest kommt mir vieles bekannt vor, als ich mich bei "Spiegel+" anmelde: Die Registrierung ist mit drei, vier Klicks erledigt, den ersten Monat gibt’s geschenkt, das Abo ist monatlich kündbar. Ein Journalismus-Abo eindeutig nach dem Vorbild von Streaming-Plattformen wie Netflix oder Spotify. Was auch zeigt, dass deren Vertriebsmodelle mittlerweile zum Maßstab für Bezahlinhalte geworden sind, auch für journalistische.
    Bei den Verlagen enden jedenfalls langsam die Zeiten, in denen Akkuschrauber, Tankgutscheine und Wohnzimmerlampen in Zwei-Jahres-Abos geknebelt haben. Das neue Spiegel-Digitalabo kommt ohne solche Gimmicks aus und kostet monatlich knapp 20 Euro. Für 5 Euro mehr im Monat gibt’s wahlweise das Kombi-Abo inklusive gedrucktem Heft.
    Die "Plus"-Inflation bei den Verlagen
    Preislich bewegt sich der Spiegel damit im selben Bereich wie beispielsweise das Digitalabo der Wochenzeitung Die Zeit. Und auch beim Namen gibt es Ähnlichkeiten unter den Verlagen: Die Namenserweiterung "Plus" tragen jetzt die jeweiligen Digital-Angebote von Bild, Frankfurter Allgemeiner Zeitung, Süddeutscher Zeitung, Spiegel, Welt und Zeit.
    Ich persönlich muss die Printausgabe nicht mehr unbedingt haben, auch auf das Print-Layout kann ich gut verzichten. Die meiste Zeit lese ich sowieso auf dem Smartphone.
    An solche Nutzungsgewohnheiten hat der Hamburger Verlag auch gedacht: "Spiegel+" ist auch direkt über die weitverbreitete Smartphone-App von Spiegel Online zugänglich. Inhaltlich steckt im Digitalabo alles, was im gedruckten Heft steht - und dazu Texte, die exklusiv für das Digitalabo entstehen.
    Das Experiment "Spiegel Daily" endet nach einem Jahr
    Mit "Spiegel+" endet auch das Kuddelmuddel, das Durcheinander von unterschiedlichen Angeboten auf der Spiegel-Seite. Verschwunden sind der Verkauf von einzelnen Artikeln und der dazugehörige Wochenpass. Im neuen Entwickler-Blog von Spiegel Online heißt es, der Umsatz mit Einzel-Artikeln habe sich mit zuletzt 50.000 Euro im Monat langfristig nicht gerechnet.
    Und auch "Spiegel Daily", das Experiment einer digitalen Abendzeitung, endet nach nur einem Jahr - zumindest in seiner bisherigen Form. Diese Nachrichtenseite innerhalb der Nachrichtenseite hätten viele Leserinnen und Leser unlogisch gefunden, schreiben die Spiegel-Kollegen selbstkritisch im eigenen Blog - gut 5.000 Abos und zu geringes Wachstum seien dabei auch kein nachhaltiges Geschäftsmodell gewesen.
    Die Idee von "Spiegel Daily" lebt aber im neuen Digitalangebot weiter, als abendliche Tageszusammenfassung namens "Daily Update" - verschickt gegen 17 Uhr, per E-Mail und als Push-Benachrichtigung in der Spiegel-Online-App.
    Print und Online wachsen weiter zusammen
    Das All-You-Can-Read-Flatrate-Prinzip sorgt für Klarheit beim Spiegel-Angebot. Ich bezahle als Kunde einen Betrag und kann dafür wirklich alles lesen, was auf der Seite zu finden ist - genauso das Heft. Einfacher geht’s nicht. Erstaunlich, dass es überhaupt so lange gedauert hat, bis es dieses Angebot gab.
    Den aktuellen Heft-Titel gibt es damit am Freitagabend auch prominent als Bezahl-Artikel auf der Seite von Spiegel-Online. Die beiden Marken - "Spiegel Online" und "Der Spiegel" - wachsen so ein Stückchen weiter zusammen, also das traditionelle Print-Geschäft und das anzeigenfinanzierte Online-Geschäft. Und im besten Fall soll bei "Spiegel+" ein nachhaltiges Finanzierungsmodell entstehen - für die Spiegel-Gruppe als Ganzes.