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Österreich
Diskussion um Kopftuchverbot an Grundschulen

Wenn Mädchen muslimischen Glaubens bereits im Grundschulalter ein Kopftuch tragen, geschieht das nicht freiwillig, sondern auf Druck ihrer Eltern - so sieht das jedenfalls die österreichische Regierung. Die Opposition will ein Kopftuchverbot nur in einem Gesamtpaket mit Integrationsmaßnahmen mittragen.

von Srdjan Govedarica | 22.11.2018
    Eine Schülerin mit Kopftuch sitzt am 05.02.2015 an der Johann Hinrich Wichern-Schule in Frankfurt am Main (Hessen) bei einer Unterrichtsstunde zum Thema Islam.
    Wie viele Mädchen in österreichischen Grundschulen ein Kopftuch tragen, ist unklar. (picture alliance / Frank Rumpenhorst)
    Bundeskanzler Sebastian Kurz hat seine Position bereits vor Monaten klar formuliert:
    "Eine Verschleierung von Kleinkindern ist definitiv nichts, was in unserem Land Platz haben sollte."
    Für Kleinkinder in Kindergärten ist das Kopftuchverbot in Österreich bereits beschlossen. Jetzt soll es auch auf Grundschulen ausgeweitet werden. Bei Verstößen ist im Wiederholungsfall eine Strafe von 440€ vorgesehen. Die Initiative für das Verbot stammt von der rechten FPÖ. Vizekanzler Heinz Christian Strache spricht von einer präventiven Wirkung,
    "…die wir mit dem Gesetz sicherstellen wollen. Weil es natürlich auch um den Schutz der Mädchen geht. Und da ist jeder Fall ein Fall zu viel."
    Wie viele Mädchen in österreichischen Grundschulen - also im Alter von 6-10 Jahren - ein Kopftuch tragen, ist unklar. Dazu liegen keine offiziellen Zahlen vor. Laut der Mediensprecherin der islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati, gebe es nur wenige Fälle. Sie hält das geplante Verbot für falsch und unlogisch:
    "Ein Kopftuchverbot bringt eine Bevormundung ins Spiel, die man gerade vorwirft, weil man sich ja denkt, ein Mädchen in diesem Alter kann nur gezwungen worden sein. Man beantwortet eine potenzielle Bevormundung wieder mit einer Bevormundung."
    Regierung möchte Kopftuchverbot in Verfassung verankern
    Die österreichische Regierung will das geplante Verbot heute in den Nationalrat einbringen. Dafür sucht sie gerade eine Zweidrittelmehrheit, also auch Stimmen der Opposition. Die zeigt sich grundsätzlich gesprächsbereit, allerdings werde man ein Kopftuchverbot als Einzelmaßnahme nicht mittragen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner:
    "Wir sind für ein sinnvolles Gesamtpaket, was das Thema Integration in der Schule betrifft; und ich werde auch nicht Mehrheitsbeschaffer für die Regierung sein, um dem nächsten Husch-Pfusch-Gesetz hier zum Durchbruch zu verhelfen."
    Das Kopftuchverbot als Verfassungsgesetz mit den Stimmen der Opposition rückt damit in weite Ferne. Denn die Regierung schließt einen "Tauschhandel" aus und kündigt an, das Kopftuchverbot auch als einfaches Gesetz beschließen zu wollen – laut Verfassungsexperten wäre es dann aber im hohen Maße anfechtbar. Das Thema polarisiert auch jenseits der politischen Debatte. Christa Maderbacher, Schulleiterin einer Grundschule mit hohem Migrantenanteil in Wien ist für das Verbot:
    "Also ich finde es gut, dass wir eine Handhabe bekommen, da es momentan nur auf Gesprächsbasis beruht, dass die Kinder das ablegen."
    Kontroverse Standpunkte an betroffenen Schulen
    Schulleiterin Petra Feichtinger sieht das anders. An ihrer Grundschule im 15. Wiener Bezirk haben rund 95% der Schülerinnen und Schüler eine Migrationsgeschichte, über die Hälfte von ihnen ist muslimischen Glaubens:
    "Manchmal geraten wir auch an unsere Grenzen, aber da ist das Kopftuch unser geringstes Problem."
    Zum einen kommen Schülerinnen mit Kopftuch an ihrer Schule so gut wie nicht vor. Und wenn es mal Probleme gibt, sei das Gespräch mit den Eltern das Mittel der Wahl, sagt Schulleiterin Petra Feichinger. Verbote würden nicht weiterhelfen:
    "Wir bringen die Mädchen mit so was in einen Zwiespalt. Und das ist das Letzte, das ich möchte. Ich möchte, dass sich meine Kinder frei entwickeln und ohne Angst lernen. Das ist das Beste, was wir tun können."