Glosse übers Heiraten in Berlin

Was man um vier Uhr morgens sonst noch tun könnte

Berlin: Eheringe liegen auf dem handschriftlich geschriebenen Datum 1.8.2018
Drei Dutzend gut gekleidete Menschen warten vor der Behörde auf zehn Bearbeitungstickets. © picture alliance/Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa
Von Klaus Nothnagel · 23.11.2018
Wer in Berlin zu einem bestimmten Termin heiraten möchte, muss früh aufstehen. Engpässe, Schlangestehen, zu wenig Personal prägen die hauptstädtischen Behörden. Es ist ein Geduldsspiel der besonderen Art. Wir wüssten da eine Lösung.
Vier Uhr morgens. Auf den Stufen vor einem Behördenhaus sitzen 3 Dutzend gut gekleidete, gekämmte, geschminkte und sehr schlecht gelaunte Menschen. Was tun Sie hier um vier, frage ich. Es sei so, sagt mir einer: Um 7:30 Uhr öffne das Standesamt, dann würden zehn Bearbeitungstickets vergeben. Ach nanu, entgegne ich, hier sind doch mindestens 40 Bürgerinnen und Bürger versammelt. Die anderen hätten Pech, erwidert er.
Bevor Sie fortfahren, sage ich grüblerisch: Warum wollen Sie denn überhaupt heiraten? Heiraten, seufzt der Mann, sei die einzige Rettung: Man schwört liederlichen Gewohnheiten ab - wie Kettenrauchen, Komasaufen, Hurerei. Man wird vom Lotterleben stufenlos in eine gutbürgerliche Existenz überführt, man hört auf, sinnlos in der Welt herumzuhühnern und mutiert zum Nutznießer des Ehegattensplittings.

Die Anmeldung muss da erfolgen, wo man wohnt

Jetzt habe ich verstanden, sage ich. Und dieses Bearbeitungsticket da? Nun, grunzt der Mann grimmig, damit kriegen sie nach mindestens drei Stunden Bearbeitungszeit die Lizenz zum Heiraten. Mit der wiederum sprechen Sie dann – nach angemessener Wartezeit - bei einem Standesamt um einen Termin vor und fertig. Aber da können Sie doch, entgegne ich, einfach zu einem Standesamt gehen, wo nie lange Schlangen sind, in Tegelort vielleicht oder in Albrechts Teerofen. Da ersitzen sie sich kurz die Lizenz, dann heiraten sie woanders. Nichts da, knurrt der Delinquent, die Erlaubnis muss in dem Bezirk geholt werden, wo mindestens einer der beiden zu Paarenden lebt.
Aber woher denn überhaupt Engpässe und Schlangestehen, frage ich in staatsbürgerlich-besorgtem Tonfall. Kein Personal, schnaubt der Heiratswillige. Man muss die mittlere oder gehobene Verwaltungsbeamtenlaufbahn abgesessen und außerdem einen zweiwöchigen Standesbeamten-Lehrgang erlitten haben. Zwei Wochen Lehrgang. Die Kraft hat nicht jeder. Auch durch altersbedingte Abgänge fehlt Personal. Natürlich. Wie soll man denn auch Jahre vorher wissen, wann jemand in Pension geht, hm?

Setzen Sie bitte ein Häkchen in das Ja-Kästchen

Alles nicht so einfach, murmle ich, aber ich wüsste eine Lösung: Online-Ehe. Das Paar schickt alle wichtigen Papiere eingescannt via E-Mail. Das Standesamt schickt ein Formblatt zurück, "sind Sie gewillt die Ihnen bekannte / den Ihnen bekannten" undsoweiter zu ehelichen, dann setzen Sie bitte ein Häkchen in das Ja-Kästchen. Auf diese zeitgemäße und erfreulich unsentimentale Weise ließen sich 90 bis 100 Ehen täglich unter Dach und Fach bringen. Und die Heiratswütigen könnten sich für morgens um vier was Netteres vornehmen – zum Beispiel, indem sie der Exekution ehelicher Pflichten obliegen - oder etwas in der Art.
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