Donnerstag, 25. April 2024

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Diskussion über Lang-LKW
Gigaliner vor Gericht

Gigaliner haben keinen guten Ruf: Die "Monstertrucks" würden die Umwelt belasten, die Straßen ruinieren und für mehr Staus sorgen, heißt es. Viele Speditionen sind anderer Meinung und halten sie sogar für umweltfreundlicher. Heute verhandelt das Berliner Verwaltungsgericht über die Lang-LKW.

Von Silke Hasselmann | 18.04.2018
    Ein Gigaliner der Spedition Krüger und Voigt fährt bei Zarrentin (Mecklenburg-Vorpommern) mit einer Sondergenehmigung von der Autobahn auf eine Landstraße.
    Umweltverbände klagen gegen die Fahrerlaubnis von Gigalinern (picture alliance / ZB / Jens Büttner)
    Stephan Gustke ist auf dem Weg zu dem riesigen Hof seines Rostocker Familienbetriebes. Der Chef der "Heinrich Gustke Spedition GmbH" will mir zeigen, wie eine Tour mit einem überlangen LKW vorbereitet wird.
    "Also wir sehen jetzt den normalen LKW, nur dass er komplett Assistenzsysteme hat. Also: Fahrassistent, Spurassistent, Abstandsradar - diese ganzen Geschichten. Aber sonst ein ganz normaler Sattelauflieger. Und der wird jetzt eigentlich erst zum Lang-LKW, indem der Fahrer hinten den Anhänger anhackt."
    Ist das erledigt, wird das Gefährt mit 25,25 Metern circa 6,50 Meter länger sein als ein herkömmlicher Lastkraftwagen, keinesfalls aber schwerer. Das Gewicht samt Fracht darf in beiden Fällen höchstens 40 Tonnen betragen.
    Kein höheres Gewicht der Gigaliner
    Lang-LKW würden die Fahrbahn also nicht nur nicht stärker belasten, wie oft behauptet. Sie seien sogar schonender unterwegs, weil die gleiche Last auf mehr Achsen verteilt werde, erklärt mir Berufskraftfahrer Mathias Rutsatz beim Andocken in versiertem Rückwärtsgang. Dann springt er vom Bock und schaut sich an, ob alles korrekt verbunden ist. Der Unterschied für ihn zwischen dem Fahren mit und ohne Anhänger:
    "Dass das eine Licht nur sechs Meter weiter ist, das Begrenzungslicht. Also es ist kein Unterschied. Der fährt ganz normal hinterher, ohne dass er Sperenzien macht. Wir haben eine Lenkachse hinten dran, und wenn wir in Kurven fahren, die lenkt er mit als Unterstützung. Und das ist wie ein normaler LKW eigentlich."
    Zurück im Büro von Logistikunternehmer Stephan Gustke. Der hatte sich sofort einen Lang-LKW angeschafft, als das Schweriner Verkehrsministerium vor drei Jahren Testfahrten in Mecklenburg-Vorpommern zuließ.
    "Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen komisch an. Aber für mich ist der Lang-LKW eine Möglichkeit, das Verkehrsaufkommen ein wenig zu reduzieren."
    Weniger Staus, weniger Kraftstoffverbrauch
    Stephan Gustke blättert in den Testunterlagen. Die weisen aus: Statt 34 Europaletten bei normal großer Ladefläche kann ein sogenannter Gigaliner bis zu 54 Paletten aufnehmen, ohne das zulässige Höchstgewicht zu überschreiten. Statt für dieselbe Gütermenge also drei normale Lastkraftwagen durchs Land zu schicken, reichen zwei lange. Nebeneffekte: Weniger Staus, weniger Kraftstoffverbrauch.
    "Wenn Sie mit drei LKWs fahren mal 30 Liter - sind 90 Liter auf 100 Kilometer. Wenn Sie mit zwei LKW fahren, die brauchen so zwei Liter mehr - dann haben Sie nur noch 64 Liter auf 100 km. Das in CO2-Emissionen ausgedrückt, ist ´ne Ersparnis um 25%."
    Auch deshalb habe er den Anhänger für den Lang-LKW ist in frischem Blattgrün spritzen lassen. Darauf steht rechts, links sowie auf der Rückseite in großer weißer Schrift: "Ich spare jährlich 145.000 kg Kohlendioxid. Für die Umwelt. Aus dem Logistikland Mecklenburg-Vorpommern."
    "Mein Ziel ist eigentlich immer auch, unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern nicht so darzustellen, als wenn bei uns immer erst 30 Jahre später passiert, sondern auch nach außen zu strahlen, dass es auch bei uns genug moderne Unternehmen gibt, die sich neuen Sachen öffnen und auch etwas ausprobieren, um - ja - LKWs auf der Straße einzusparen."
    Man darf gespannt sein, mit welchen überprüfbaren Fakten jenes Verbändebündnis heute vor dem Berliner Verwaltungsgericht argumentiert, das gegen die 2017 vom Bund erteilte Fahrerlaubnis für überlange LKW klagt. Bislang sprechen "Allianz pro Schiene", "Deutsche Umwelthilfe" und der "Bund für Umwelt und Naturschutz" vorzugsweise von "Monstertrucks", die noch mehr Warenverkehr von der Schiene auf die Straßen holen, das Straßennetz ruinieren sowie die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern in den Innenstädten und an Kreisverkehrspunkten gefährden würden.
    Innenstädte sind für Gigaliner tabu
    Dabei dürfen Lang-LKW nur auf Autobahnen und ausgewählten Abschnitten von Bundes- und Landesstraßen fahren. Innenstädte und enge Kreisverkehre sind tabu, und zumindest im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern habe die Testphase laut Verkehrsminister Christian Pegel gezeigt, dass:
    "...die große Sorge, wir würden höhere Zahlen von Verkehrsunfällen, von Verkehrszwischenfällen haben, eben allesamt nicht bestätigt worden sind, sondern ganz im Gegenteil gerade diese Fahrzeuge sich sehr positiv darstellen. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die nicht schwerer sein dürfen insgesamt als `normale` LKWs."
    Doch Katharina Brückmann vom "Bund für Umwelt und Naturschutz" in Schwerin bleibt skeptisch. Was, wenn immer mehr Transportunternehmen auf 25 Meter lange Fahrzeuge setzen?
    "Große Fahrzeuge verlangen dann natürlich eine Veränderung in der Infrastruktur. Das fängt schon an bei den Parkplätzen, bei den Umschlagplätzen. Wir werden nicht bei 40 Tonnen bleiben. Das glaube ich nicht. In zwanzig Jahren, da können wir uns wieder sprechen, da werden wir über 60 Tonnen reden."
    Zurück auf dem Hof der Rostocker Gustke-Spedition in dritter Generation. In zwanzig Jahren werde der gesamte Güterverkehr in Deutschland anders organisiert sein, glaubt Stephan Gustke. Nur eines werde sich nicht sicher nicht ändern: Heute wie künftig nähmen Gigaliner der Bahn keine Aufträge im Kerngeschäft Schüttguttransport weg. Wer wiederum sehr flexibel auf rasch umzusetzende Warenbestellungen reagieren müsse, für den sei die schienengebundene Bahn schon jetzt nicht mehr das Transportmittel der Wahl.
    "Ich sehe den Lang-LKW in einem Verkehr vom Logistikzentrum zum Logistikzentrum, und in diesem Logistikzentrum werden dann diese Güter verteilt - möglichst auch umweltschonend, vielleicht in Zukunft auf Elektro-LKWs - , und gehen dann auf die Flächenverteilung. Da ist auch der Nutzen: Weniger LKWs auf der Straße, mehr Volumen transportieren und das auf festen Autobahnstrecken. Und wenn Sie hier heute etwas im Internet bestellen bis 17 Uhr und am nächsten Morgen bringt Ihnen der Postbote das - wo läuft denn der Hauptlauf? Der läuft nur nachts. Und da sind diese Verkehre auch wirklich sehr gut aufgehoben."