Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Diskussion um Nanomaterialien

Die neue Bundesregierung will die Nanotechnologie fördern. Das Umweltbundesamt warnt allerdings auch vor möglichen Gefahren. Bei einer Tagung in Zürich konnten sich Industrievertreter auf den neuesten Stand bringen lassen - insbesondere, was die Umweltfolgen der Nanopartikel angeht.

Von Thomas Wagner | 27.10.2009
    Professor Harald Krug, Laborleiter der EMPA, so die Kurzbezeichnung der Eidgenössischen Anstalt für Materialprüfung in der Schweiz, ist sauer - und zwar auf seine Kollegen vom Deutschen Umweltbundesamt in Berlin. Die hatten unlängst behauptet, von den winzigen Nanopartikeln in Kosmetika, Textilien, Lacken und Farben gingen ganz generell bislang unterschätzte Gefahren für den Menschen aus. Denn diese Partikelchen seien so klein, dass sie permanent über die Haut und über die Atemwege in den Körper gelangten und dort langfristig Schäden anrichteten. Dies alles, so Professor Harald Krug von der Schweizerischen EMPA, entbehre jeglicher Grundlage:

    "Im Augenblick ist es so, dass mich diese Studie völlig überrascht hat, vor allem die Aussage in der Studie, dass man davor warnt, Nanomaterialien enthaltende Produkte zu verwenden. Das ist nicht korrekt. Alle unsere Forschungen, auch die in Deutschland, auch die, die zitiert werden in dem Umweltbericht vom UBA, gehen dahin, dass die Materialien, die wir untersucht haben, bedenkenlos verwendet werden können. Was überhaupt nicht geht, ist, dass man über alle Nanomaterialien eine Warnung herausgibt. Nanomaterialien sind wie Chemikalien sehr unterschiedlich und müssen von Fall zu Fall beurteilt werden."

    In den St. Galler Labors der schweizerischen EMPA würden ständig die gängigen Nanopartikel, die auf den Markt kommen, untersucht - und nicht nur das: Die Wissenschaftler haben dort auch mathematische Simulationsmodelle für eventuelle Langzeitwirkungen entwickelt. Dabei geht es um das langsame Ausscheiden von Nanopartikeln in die Umwelt, beispielweise bei der Entsorgung von entsprechenden Farben oder Textilien. Bernd Nowack, Materialforscher an der EMPA-St. Gallen, über das Ergebnis:

    "Das haben wir durchgeführt, diese Modellierung für die verschiedensten Nanopartikel. Und was wir da sehen ist, dass die Konzentrationen da sehr gering sind. Das heißt: Wir rechnen da milliardstel Gramm pro Liter, die wir in einem Wasser zum Beispiel annehmen, in Böden auch im Bereich von Mikrogramm pro Kilogramm, das heißt Millionsten Gramm pro Kilogramm Boden, das sind sehr, sehr tiefe Konzentrationen, wie wir da im Moment berechnen. Und wenn wir die Werte ansehen, dann können wir davon ausgehen, dass wir da im Moment mit großer Sicherheit keine Effekte zu erwarten haben."

    Die Schweizer Wissenschaftler haben sich einzelne konkrete Beispiele angesehen, in denen Nanopartikel integriert werden. Beispiel: Sonnenschutzmittel. Hier dienen Nanopartikel dazu, die gefährliche Wirkung von Sonnenstrahlen einzudämmen. Professor Harald Krug:

    "Bei Sonnencreme kann ich nur eine ganz klare Empfehlung aussprechen: Nämlich die, dass man sie verwendet, weil die Partikel, die in der Sonnencreme drin sind, uns vor Hautkrebs schützen, definitiv viel besser als ein chemischer Filter."

    Studien in den USA hätten ergeben, dass diese aus Nanopartikeln bestehenden physikalischen Filter keinerlei Schäden im menschlichen Körper verursachten. Und mehr noch: Die Umweltbelastung gehe dank der Verwendung der Nanopartikel sogar zurück. Mehr "Nano" bedeute in diesem Fall "Mehr Gesundheit" und eine geringere Umweltbelastung.

    "Wenn wir physikalischen Filter in den Cremes drin haben, brauchen wir die chemischen Filter nicht mehr. Die chemischen Filter haben natürlich auch Nebenwirkungen. Da sind hormonaktive Substanzen drin gewesen, da sind auch Krebs erzeugende Substanzen drin gewesen. Und die brauchen wir nicht mehr. Das ist definitiv nachgewiesen, dass die Gewässerbelastung niedrig geworden ist, seitdem diese UV-Filter auf der physikalischen Ebene, nämlich Nanopartikel, verwendet werden. Also da ist ganz klar Entwarnung!"