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Disput ja, Reform nein

In der katholischen Kirche leitet eine bischöfliche Dreiergruppe den Dialog zwischen Reformern und Traditionalisten. Die Aufhebung des Zölibats und die Einführung eines Frauenpriestertums stehen laut Bischof Franz-Josef Overbeck, der die Dreiergruppe zusammen mit den Bischöfen Reinhard Marx und Franz-Josef Bode bildet, dabei jedoch nicht zur Disposition. Man werde sich auf den öffentlichen Disput zwar einlassen und Argumente austauschen. Aber das heiße nicht, "dass wir am Ende zu einem anderen Ergebnis als Kirche kämen".

Franz-Josef Overbeck im Gespräch mit Jürgen Liminski | 14.06.2011
    Overbeck: In den Medien "gibt es eine großartige Kunst, Worte so zu verstehen, wie sie nicht gemeint waren."
    Overbeck: In den Medien "gibt es eine großartige Kunst, Worte so zu verstehen, wie sie nicht gemeint waren." (Nicole Cronauge)
    Jürgen Liminski: In einigen Medien und im Internet ist eine Debatte über den künftigen Kurs der katholischen Kirche aufgebrochen. Vom gescheiterten Dialog zwischen Reformern und Traditionalisten ist die Rede, von einem deutschen Sonderweg, und das kurz vor dem Papstbesuch im September. Dabei sollte ein gepflegter Dialog stattfinden zwischen den Gruppen und der Dialogprozess sollte oder soll noch von einer Dreiergruppe gesteuert werden. Ist das alles unterlaufen und ausgehöhlt? Gibt es die Dialogbereitschaft überhaupt? Werden Kirchensteuergelder für eine Spaltung missbraucht? – Darüber wollen wir nun sprechen mit Franz-Josef Overbeck, dem Bischof von Essen, der mit seinen Amtskollegen aus München, Reinhard Marx, und Osnabrück, Franz-Josef Bode, diese Dreiergruppe bildet. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Exzellenz.

    Franz-Josef Overbeck: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Bischof, schon lange geht es in der Kirche in Deutschland pfingstlich zu, man redet mit vielen Zungen, allerdings anders als damals in Jerusalem, nicht über die gleichen Sachverhalte oder genauer mit sehr unterschiedlichen Meinungen. Mehrere Presseberichte sprechen nun von einer Spaltung der Katholiken in Deutschland, in Reformer, die eine andere Kirche wollten, und eher Konservative, die die Papstkirche bewahren wollen. Bevor wir auf die einzelnen Themen kommen, ist der Dialogprozess, die große Offensive gescheitert, noch bevor sie wirklich begonnen hat?

    Overbeck: Dialog ist das große Thema einer der wichtigen Enzykliken von Papst Paul VI., seiner Antrittsenzyklika Ecclesiam Suam, als Weg der Kirche, denn wenn wir ihn jetzt beschreiten, dann tun wir das als Bischöfe auf dem Hintergrund unserer kirchlichen und unserer Glaubensüberzeugung, und den wollen wir begehen deswegen auch mit diesem großen Thema, was uns im Glauben trägt, im Juli in Mannheim. Zum Dialog gehört, dass wir nicht nur das, was uns bindet, deutlich machen, sondern auch das, wo es Strittigkeiten, Disput gibt, sodass wir auch im Bewusstsein einer solchen inneren Auseinandersetzung auf einen solchen Weg gehen. Aber wir tun das im Glauben, und der bindet uns alle.

    Liminski: Die Berichte beziehen sich auf ein Dossier im Vatikan und in ihm werden Ross und Reiter genannt. Als Drahtzieher einer Los-von-Rom-Strategie tauchen immerhin die Namen des Sekretärs der Bischofskonferenz Hans Langendörfer und des Pressesprechers des Vorsitzenden der Bischofskonferenz Matthias Kopp auf. Sie sollen die nationalkirchlichen Kräfte koordinieren, heißt es zum Beispiel im "Focus". Ist das ein Thema unter Ihren Amtskollegen, oder wird es eines sein, oder wird versucht, das schweigend auszusitzen, damit es nicht zum Krach kommt?

    Overbeck: Ich weiß nicht, was viele Leute oder auch Sie für eine Vorstellung von der Deutschen Bischofskonferenz haben. Wir diskutieren sehr offen und reden deswegen auch der Natur der Sache entsprechend unter verschiedenen Persönlichkeiten kontrovers, aber immer konstruktiv, und das bindet uns und das werden wir auch weiterhin tun.

    Liminski: Aber noch einmal zu diesen Namen, die genannt werden. Werden die auch eine Rolle spielen bei den Diskussionen?

    Overbeck: Wir haben die Aufgabe, uns über Sachthemen auseinanderzusetzen und von daher gesehen die Richtung anzugeben. Das werden wir tun.

    Liminski: Zum Dialogprozess selber. Wird auch mit dem rom-treuen Flügel der Kirche dialogisiert? Wie soll der Dialog mit den Rom-Kritikern organisiert werden, sofern diese überhaupt den Dialog wollen und nicht lieber über die Öffentlichkeit ihre Kritik an Rom äußern?

    Overbeck: Den Dialogprozess, den wir auf den Weg bringen als einen Gesprächsprozess mit dem Ziel, 2015 an das 50-jährige Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils zu erinnern und an seine Botschaft für unsere Welt, von daher ausgehend ist für uns als Bischöfe klar, das tun wir auf dem Boden und auf dem Fundament eines von der ganzen Kirche geteilten Glaubens und damit auch einer kirchlichen Grundgesinnung, die wir uns von niemandem nehmen lassen.

    Liminski: Die Medien haben da, Herr Bischof, natürlich eine andere Agenda. Die Rede ist da zum Beispiel von einer konspirativen Hierarchie, zu dem das Cusanuswerk, der Bund Deutscher Katholischer Jugend BDKJ und verschiedene Einrichtungen der Jesuiten gehörten. Sie alle leben von Kirchensteuergeldern. Fließen diese Gelder in die richtige Richtung? Schaut man da nicht so genau hin?

    Overbeck: Es gibt eine eigene Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, die sich jeweils mit der Verteilung dieser Gelder beschäftigt, und dann wird das bei uns vorgelegt und auch entsprechend verabschiedet. Es ist deutlich, dass die Kirche aufgrund ihrer Geschichte gerade auch in Deutschland aus verschiedenen Meinungsspektren besteht, die aber immer wieder zusammengebracht werden müssen. Dass das nicht ohne Disput und das heißt, auch ohne oft sehr kontroverse Diskussionen abgeht, das ist klar. Das wird in der Öffentlichkeit heute natürlich unter verschiedenen Bedingungen immer sofort polarisierend dargestellt. Ich halte auch im pfingstlichen Bild viel von einer Kirche, die sich, wenn sie auch aus verschiedenen Meinungsspektren besteht, aufgrund des Glaubens und einer gemeinsamen klaren Kirchlichkeit immer wieder eint.

    Liminski: Ein Hilfswerk wie Renovabis, das jetzt zu Pfingsten viel Geld eingesammelt hat, empfiehlt eben zu Pfingsten das Denken an Buddha, Dervisha, an den Islam, und das ist nur ein Beispiel für viele Programme von Akademien und Bildungswerken. Ist das nicht, sagen wir mal, geschäftsschädigend?

    Overbeck: Für mich ist ganz klar, sowohl als Christ als auch als Bischof gerade erst recht meiner Generation, dass wir ein katholisches Profil nur aufgrund eines klaren Gottglaubens, der eben an den dreifaltigen Gott nicht nur anknüpft, sondern ihn in die Mitte stellt, unser Profil gewinnen und dass wir von daher in einen Dialog treten, und nicht umsonst als Ruhrbischof kann ich da ja ein langes Lied von singen, auch mit all den anderen Religionen in einen Kontakt treten. Aber das bedeutet, sehr klar von einer solchen Position ausgehend zu diskutieren, aber auch zu sagen, dieser Glaube hat immer eine kirchliche Gestalt, und die gehört genauso dazu.

    Liminski: Das heißt, das Profil, das Sie schärfen wollen, gehört auch zum Dialog?

    Overbeck: Das ist eindeutig so. Ansonsten würde ich sagen, haben wir überhaupt keine Chance, weder in unserer Welt, noch im Rahmen der vielen anderen Religionen, mit denen zusammenzuleben ja auch eine der großen neuen Aufgaben der deutschen Gesellschaft ist, und auch erst recht angesichts der vielen, die überhaupt nicht mehr glauben, oder sich einen anderen Glauben, wie immer er dann aussieht, vorstellen, zimmern und leben wollen.

    Liminski: Politiker, Herr Bischof, suchen Mehrheiten, die Kirche dagegen ist Treuhänderin der Wahrheit, wie Papst Benedikt es einmal sagte. Kommen Bischöfe ohne Mehrheit und Politiker ohne Wahrheit aus?

    Overbeck: Die Grundlage dessen, was uns als Kirche bindet, ist die Wahrheit der Offenbahrung und damit auch die Wahrheit dessen, wie die Kirche lebt und wie sie sich zu verstehen hat, und das gilt für jedes Glied der Kirche, vom Papst über den Bischof bis hin zu Politikern und jedem einfachen Gläubigen, egal welche Aufgabe und Funktion er übernimmt und wie er im Alltag lebt. Gleichzeitig ist auch deutlich: Wer Politiker ist, muss, um im politischen Geschäft bestehen zu können, natürlich kompromissfähig sein. Aber das hat seine Grenze da, wo es um die Wahrheit geht. Ich bin immer wieder sehr deutlich, wenn es um Fragen des Lebensschutzes geht, ich bin sehr deutlich, wenn es um Fragen des Friedens und der Gerechtigkeit geht, und ich würde sagen, auf einem solchen Hintergrund und auf einem solchen Fundament stehend kann Politik gerade dann wieder einen neuen Charme und eine neue Kräftigkeit gewinnen, wenn es klare Positionen gibt.

    Liminski: Inhaltlich geht es bei der Debatte oft um Zölibat und Frauenpriestertum. Da gibt es auch ein Papier von acht CDU-Politikern und viele CDU-Politiker stimmen da ein und fordern von Rom Wendemanöver. Was sagen Sie diesen C-Politikern? Immerhin sind darunter gewichtige Persönlichkeiten wie Bundestagspräsident Lammert oder Bildungsministerin Schavan.

    Overbeck: Biografisch sage ich ihnen, das ist keine neue Frage, sondern eine, mit der ich groß geworden bin. Und zweitens: Diese Fragen sind lehramtlich von einer solchen Gewichtigkeit und auch entsprechend entschieden worden, dass wir als Kirche – da bin ich sehr klar – die nicht zur Disposition stellen werden. Das habe ich auch schon an anderen Orten mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht. Aber ich stelle mich ihrer Bestrittenheit in der öffentlichen Meinung durch einen Disput, in dem wir die Argumente austauschen. Aber das heißt nicht, dass wir am Ende zu einem anderen Ergebnis als Kirche kämen.

    Liminski: Gibt es nicht auch unter den Bischöfen Befürworter der Zölibat-Auflockerungsthesen? In diesem Zusammenhang fallen öfters die Namen Ihrer Amtskollegen Fürst und Schick.

    Overbeck: Sie wissen, dass es ausgenommen schwierig ist, in der Öffentlichkeit gerade wegen der Polarisierungstendenzen, die es gibt, klare Positionen zu vertreten, und da muss ich meine Amtsbrüder schon in Schutz nehmen, die wie wir alle nach Lösungen suchen, aber eben in manchen Medien, bei Weitem aber nicht in allen Medien, von verschiedenen Interessengruppen benutzt werden. Da gibt es eine großartige Kunst, Worte so zu verstehen, wie sie nicht gemeint waren. Das gilt sicherlich auch in diesem Sinne.

    Liminski: Herr Bischof, noch einmal zu dem Krach, der sozusagen in den Medien jetzt natürlich gepflegt wird. Halten Sie einen Brückenbau zwischen den verschiedenen Teilen noch für möglich?

    Overbeck: Die große Kraft, die vom Glauben ausgeht, ist die der Hoffnung, und die Hoffnung lässt uns nicht zugrunde gehen, und dazu gehört meine Hoffnung, dass wir im Glauben geeint bleiben und von daher gesehen auch die Spannungen aushalten, die zur postmodernen Welt und somit auch zur Bestrittenheit jeder Position, die so klar und eindeutig ist, wie der katholischen Kirche hinzugehört. Diese Hoffnung lasse ich mir nicht nehmen und mit der werde ich auch weiter vorangehen.

    Liminski: Disput ist normal und die Hoffnung lässt auch Spannungen aushalten, sagt hier im Deutschlandfunk der Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck. Exzellenz, besten Dank für das Gespräch.

    Overbeck: Bitte schön! Auf Wiederhören.