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Rückstellungen von AKW-Betreibern reichen nicht

2022 geht das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz und dann ist die Frage: Wie wird der Rückbau finanziert? Laut Handelsbilanzen haben die vier AKW-Betreiber in Deutschland rund 38 Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet. Doch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bezweifelt, dass dieser Betrag ausreicht.

Von Johannes Kulms | 28.05.2015
    Aussenansicht des Atomkraftwerks Ohu bei Landshut bei Nacht, Deutschland, Bayern.
    Atomkraftwerk Ohu bei Landshut bei Nacht, Deutschland, Bayern. (imago/blickwinkel)
    Wenn 2022 das letzte Atomkraftwerk der Republik abgeschaltet wird, ist die Angst vor einem Blackout unbegründet, sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, kurz DIW:
    "Ja, die Versorgung ist sicher, wir haben im Moment einen gigantischen Stromüberschuss, der wird sich vermindern, weil wir aus der Atomkraft aussteigen. Weil gleichzeitig auch noch Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Und das hat eben zur Folge, dass wir zwar weniger Strom produzieren, aber auch weniger Überschuss produzieren und die Stromversorgung bleibt sicher",
    sagt Claudia Kemfert, die beim DIW die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt leitet.
    Deutschland könne zusätzlichen Strom von den niederländischen und österreichischen Nachbarn beziehen. Und auch der Strompreis wird nach den Berechnungen des DIW stabil bleiben.
    Viele Unsicherheiten
    Doch nicht nur Christian von Hirschhausen, Forschungsdirektor für internationale Infrastrukturpolitik am DIW, macht ein anderes Thema Sorge:
    " ... dass die Frage der technischen und ökonomischen Ausgestaltung des Rückbaus und der Lagerung von Atomabfall wahrscheinlich die wichtigste Frage oder die schwierigste Frage der Energiewende ist."
    Tatsächlich geht es bei dieser Frage um die Klärung vieler Unsicherheiten – und um sehr viel Geld.
    "Juristisch ist die Sachlage relativ klar. Es gibt eine Verpflichtung, der Atomkraftwerksbetreiber als Abfallverursacher für die geordnete Beseitigung der Abfälle aufzukommen, das heißt, diese zu finanzieren. Nur der Staat hat es in der Vergangenheit versäumt, es durchzusetzen. Und das muss er jetzt tun",
    sagt die Rechtsanwältin Cornelia Ziehm, die als Umweltrechtlerin die DIW-Studie erstellt hat.
    Laut Handelsbilanzen haben die vier Betreiber der AKW in Deutschland rund 38 Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet.
    Doch das DIW bezweifelt, dass dieser Betrag ausreicht, um die Atomkraftwerke zurückzubauen und den Nuklearmüll zu entsorgen.
    Auch der Co-Vorsitzende der Endlager-Kommission, Michael Müller, hatte im März erklärt, dass er von mindestens 60 Milliarden Euro ausginge, die für die Rückstellungen notwendig seien.
    Frage der Finanzierung
    Das DIW empfiehlt die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds. Auch weil Rückstellungen der Konzerne bei einer möglichen Insolvenz nicht geschützt wären, so Energieexpertin Kemfert.
    "Und dieser Fonds, muss man dann sehen, wie der ausgestaltet ist, sollte dann eben diese gesellschaftlichen Lasten, die Kosten, die für die Gesellschaft entstehen, mit abdecken und zum Teil die Konzerne hier entlasten, vor allem aber die Gesellschaft entlasten, die ja in erster Linie für die hohen Kosten dann auch in Zukunft aufkommen muss."
    Das Bundeswirtschaftsministerium bereitet derzeit die Prüfung der Jahresabschlüsse der Energiekonzerne vor. Dadurch soll klar werden, ob die Rückstellungen reichen, um die zu erwartenden Kosten zu decken. Ein kürzlich vorgelegtes Gutachten im Auftrag des Ministeriums war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einrichtung eines Fonds verfassungsrechtlich möglich wäre.