Dienstag, 23. April 2024

Dlf-Beiträge des Jahres
Was unsere Nutzer 2018 bewegte

Beim Hambacher Forst geht es um mehr als Strom, Tablets in der Schule polarisieren und Alexander Gerst winkt vom Himmel - das waren einige der Themen, die 2018 das Programm des Deutschlandfunks bereichert haben und auf großen Zuspruch im Netz gestoßen sind. Ein Jahresrückblick aus Nutzersicht.

Von Isabelle Klein | 27.12.2018
    Kopfhörer und Laptop auf Tisch
    Das Programm des Deutschlandfunks steht Nutzern online über die Dlf-Audiothek, unsere Website, als Podcasts oder über die sozialen Medien zur Verfügung (unsplash.com)
    Der Hambacher Forst: Proteste und Macht
    Die Diskussion um die Proteste im Hambacher Forst waren das beherrschende Thema im Spätsommer dieses Jahres. Im Programm des Deutschlandfunks waren viele unterschiedliche Stimmen und Perspektiven zu hören, ein Interview aber beschäftigte die Nutzerinnen und Nutzer am meisten: Der Waldpädagoge und Vermittler Michael Zobel beschrieb, was die Demonstranten antrieb, und kritisierte die geplante Rodung des Waldes durch den Energiekonzern RWE. Er habe das Gefühl, dass es längst nicht mehr um Strom gehe, sondern um Macht.
    Der klimafreundliche Klimaforscher
    Die Themen Umwelt und Klima beschäftigten auch abseits der Debatte über den Hambacher Forst. Aus der Themenreihe "Die Klimaverbesserer" über Vorreiter des Klimaschutzes in Deutschland, anlässlich des 24. Weltklimagipfel im polnischen Kattowitz, stieß ein Beitrag auf besonders große Resonanz.
    Ein Radfahrer vor einem Sonnenuntergang, am Himmel sind zwei Windkraftanlagen zu sehen - im Bild vorne das Logo der Deutschlanfunk-Serie "Die Klimaverbesserer".
    In einer Beitragsreihe zum 24. Weltklimagipfel im polnischen Kattowitz am 3. Dezember stellte „Forschung aktuell“ Vorreiter des Klimaschutzes in Deutschland vor (picture alliance / Patrick Pleul / Logo: Deutschlandradio)
    "Forschung Aktuell" porträtierte den "womöglich klimafreundlichsten Klimaforscher Deutschlands": Michael Kopatz vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie verursacht weniger als halb so viel CO2 wie der deutsche Durchschnittsbürger. Was könnte sich jeder Einzelne bei ihm abschauen? Neben Einsparungen im Verkehrsbereich und beim heimischen Strom- und Gasverbrauch riet Kopatz zu einem bewussten Fleischkonsum und polarisierte damit bei den Facebook-Nutzern.
    Alexander Gerst winkt vom Himmel
    Den Klimawandel beobachtete dieses Jahr auch Alexander Gerst – aus dem All. Fast 200 Tage verbrachte der deutsche Astronaut auf der Internationalen Raumstation ISS. Die ungewöhliche Perspektive teilte er mit seinen 1,26 Millionen Followern bei Twitter:
    "Astro-Alex" faszinierte – auch im Programm des Deutschlandfunks. In der Rubrik "Sternzeit", die dieses Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feierte, berichteten wir im Juli über die ISS, die drei Wochen lang am Firmament über Deutschland zu sehen war – der Beitrag schaffte es unter die fünf meistgeklickten Dlf-Beiträge dieses Jahres.
    Alexander Gerst hat einen Astronautenanzug an und zeigt mit der linken Hand das "Victory"- bzw. "Peace"-Zeichen.
    Alexander Gerst übernahm als erster Deutscher das Kommando auf der ISS (dpa / ESA / Alexander Gerst)
    Die ungewöhnliche Karriere eines Hörfunk-Beitrags
    An die Spitze der am häufigsten aufgerufenen Dlf-Beiträge schaffte es dieses Jahr ein anderer Beitrag, noch aus dem Vorjahr: Am 13. November 2017 läuft in "Europa heute" ein Beitrag aus Madrid. Es geht nicht, wie so oft in diesen Tagen Ende 2017, um die katalanische Unabhängigkeit, sondern um Korruptionsermittlungen gegen die regierende Volkspartei Partido Popular und die Rolle von Regierungschef Mariano Rajoy.
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy am Rednerpult in Barcelona. Hinter ihm das Logo seiner Partei "Partido Popular"
    2017 ermittelten Spaniens Behörden im größten Korruptionsfall des Landes. Dabei fiel auch der Name von Regierungschef Mariano Rajoy. (AFP)
    Noch nie wurde ein entsprechender Online-Beitrag bei "Europa heute" so oft im Netz abgerufen. Erstaunlich: In den ersten vier Tagen, in denen normalerweise die meisten Aufrufe gezählt werden, wurde der Beitrag aus Madrid kaum wahrgenommen. Erst am 17. November stiegen die Abrufzahlen plötzlich stark an.
    Die meisten Nutzer seien aus Spanien auf die Seite des Deutschlandfunks gekommen, viele von ihnen aus Katalonien, wie Deutschlandfunk-Redakteurin Anne Raith feststellt. Autor Hans-Günter Kellner erklärt es sich so: Der Beitrag sei erst über ein spanisches Portal und dann über die sozialen Netzwerke verbreitet worden – vor allem von Anhängern einer katalanischen Unabhängigkeit: "Wenn man glaubt, dass ein Bericht die eigenen Thesen stützt, dann wird er massiv weiterverbreitet, wie es hier geschehen ist." Dabei gebe es auch im separatistischen Lager sehr schwere Fälle der Korruption, meint Kellner – im eigenen Lager würden sie aber ausgeblendet.
    Das lange Warten auf den Brexit
    Um zwei Lager geht es auch im meistgehörten Beitrag des Deutschlandfunks 2018: Die Pro-Europäer in Großbritannien und die Brexiteers. Ein Jahr nachdem die Briten den Antrag auf den EU-Austritt gestellt haben, berichtet Großbritannien-Korrespondent Friedbert Meurer über die Brexit-Verhandlungen.
    Die britische Premierministerin Theresa May äußert sich am 15.11.2018 auf einer Pressekonferenz in London zum Brexit-Vertragsentwurf. 
    Im Dezember 2018 musste sich die britische Premierministerin Theresa May einem Misstrauensvotum stellen - das sie gewann. Doch es gab mehr Gegenstimmen als erwartet. (AFP / Matt Dunham)
    Die hintergründige Analyse erreichte viele Hörerinnen und Hörer – macht im Nachklapp aber auch deutlich, wie schnell sich im tagesaktuellen Nachrichtenfluss die Kräfteverhältnisse ändern können.
    So heißt es im Beitrag vom März noch: "So sehr die Brexiteers in den Reihen der Tories auch von ihrer Premierministerin enttäuscht sind, vor einem Putsch gegen sie schrecken sie erkennbar zurück." Neun Monate später trauten die Tories ihrem eigenen Vertrauten in Theresa May nicht mehr: Die Premierministerin musste sich einer Abstimmung über ihr Amt stellen – die sie nur knapp für sich entscheiden konnte.
    Trump flippt aus
    Die Sendung "Hintergrund" war gemessen an den Online-Hörerzahlen die erfolgreichste Deutschlandfunk-Sendung im Netz. Aber auch mit dem Format Podcast erreichte der Deutschlandfunk 2018 viele Hörerinnen und Hörer. Im Podcast "Der Tag" schauen täglich Moderatorinnen und Moderatoren des Deutschlandfunks zusammen mit unseren Korrespondenten auf eine Nachricht und fragen: Was ergibt sich daraus?
    Besonders eine Folge des stach dabei heraus: Am 8. November blickte Moderator Dirk-Oliver Heckmann in die USA: Nur einen Tag nach den Zwischenwahlen war Präsident Trump bei einer Pressekonferenz massiv gegen einen Journalisten vorgegangen.
    US-Präsident Trump steht hinter einem Mikrofon im Weißen Haus und zeigt mit dem Zeigefinger auf den CNN-Journalisten Jim Acosta, der zuvor eine Frage gestellt hatte.
    In einer Pressekonferenz im Weißen Haus beschimpfte US-Präsident Donald Trump den CNN-Journalisten Jim Acosta (r.) (AFP)
    Jeff Mason von der Nachrichtenagentur Reuters war dabei und schilderte im Podcast das Klima zwischen Präsident und Presse. Der Blick hinter die Kulissen interessierte – die Podcast-Folge "Trump flippt aus" wurde zur meistgehörten im Jahr 2018.
    Auch der "Politikpodcast" aus dem Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks blickt dieses Jahr zurück: 2018 war ein Jahr, in dem politisch viel los war. Es ist das Jahr einer Regierungsbildung, geprägt von vielen Streits, die aus heutiger Sicht auch manchmal wie viel Lärm um nichts erscheinen. Es ist aber auch das Jahr, in dem einige Sachfragen entschieden wurden. Und das Jahr, in dem Angela Merkel nicht mehr als Vorsitzende der CDU kandidieren wollte. Den politischen Rückblick finden Sie hier.
    Der Streit um Tablets in der Schule
    "Wir ziehen uns eine Generation von Behinderten heran." Mit solch kernigen Aussagen zog Manfred Spitzer im März 2018 im die Aufmerksamkeit vieler Nutzerinnen und Nutzer auf sich.
    Im Interview in den "Informationen am Morgen" holte der Psychiater, Hirnforscher und Autor zu einem Rundumschlag gegen die Digitalisierung im Klassenzimmer aus: Dass Tablets in Bildungseinrichtungen ausgegeben würden, sei ein Skandal; WLAN und Computer an Schulen würden die Leistung der Schüler beeinträchtigen; und Kinder, die schon in der Grundschule programmieren lernen? - "Das ist überhaupt keine gute Idee", findet Spitzer.
    Kontrovers diskutiert wurden seine Thesen in den sozialen Netzwerken, aber auch im Programm des Deutschlandfunks. In "Forschung Aktuell" kritisierte der Medienwissenschaftler Markus Appel "jede Schwarz- oder Weißmalerei" zum Thema: "Computer und Tablets haben sehr wohl etwas im Unterricht zu suchen – aber es kommt eben drauf an, was man damit macht".
    Wie unser Geld wirklich entsteht
    Woher kommt das Geld? Dass diese Frage nicht ganz einfach zu beantworten ist, aber viele Hörerinnen und Hörer im Netz interessiert, zeigte das Feature "Money From Nothing" - das meistgehörte Deutschlandfunk-Feature in diesem Jahr.
    Info-Stand der Schweizer Vollgeld-Initiative am Bärenplatz in St. Gallen. Reinhold Harringer (links) hält einen Stapel Broschüren in der Hand. Aufnahme vom 02.06.2018
    Reinhold Harringer, Sprecher der Schweizer Vollgeldinitiative in St. Gallen. Ihr Ziel, nur noch die Zentralbank sollte Geld schaffen dürfen. Im Juni 2018 stimmten die Schweizer dagegen. (Deutschlandradio / Vivien Leue)
    Autorin Vivien Leue räumt dort mit dem Mythos auf, dass Banken nur Geld verleihen würden, das sie sich vorher selbst geliehen haben. Der größte Teil unseres Geldes werde von den Banken selbst geschaffen einfach so, aus dem Nichts. Das gefährde zunehmend die Stabilität unseres Finanzsystems - ein Thema, dass auch zehn Jahre nach dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise noch viel Menschen beschäftigt.
    Weitere Features aus den Programm des Deutschlandfunks finden Sie auf unserem neuen Portal "Hörspiel und Feature".
    Muslime sind schwer zu zählen
    Besucher stehen am Tag der offenen Moschee in der Ditib-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld
    Nicht nur die Eröffnung der Ditib-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld und den Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan wurde 2018 heftig diskutiert- auch die Anzahl der Muslime in Deutschland war ein Streitthema (picture alliance/ dpa/ Henning Kaiser)
    Die Frage, wie viele Muslime in Deutschland leben, lässt sich scheinbar schnell beantworten: Laut der umfangreichsten und aktuellsten Studie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind es zwischen 4,4 und 4,7 Millionen. Doch um die Zahl wird gestritten: Manchen Atheisten ist sie zu hoch, manchen Islamgegnern oder Vertretern von Islamverbänden zu niedrig. Und anders als Kirchenmitglieder sind Muslime schwer zu zählen.
    "Tag für Tag" nahm sich des Themas an und machte dabei deutlich, dass es bei dem Streit um die Anzahl der Muslime in Deutschland auch um Macht und Einfluss geht. Eine Analyse, die viele Nutzerinnen und Nutzer interessierte.
    "Royal Wedding" und eine rassistische Berichterstattung
    Das frisch getraute Brautpaar Prince Harry, Duke of Sussex and Meghan, Duchess of Sussex, tritt am 19. Mai Hand in Hand aus der St George's Chapel im Schloss Windsor.
    Das Brautpaar des Jahres: Am 19. Mai heirateten im englischen Windsor Prinz Harry und Meghan Markle (imago stock&people)
    Die "Royal Wedding", die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle, war eines der Fernseh-Ereignisse des Jahres. Allein im ZDF sahen knapp sechs Millionen Zuschauer dem royalen Brautpaar beim Heiraten zu. Neben dem Ereignis an sich erregte vor allem in den sozialen Netzwerken aber noch etwas anderes Aufmerksamkeit: die Liveberichterstattung darüber. Die Anmerkungen der ZDF-"Adelsexperten" wurden von vielen Zuschauern als rassistisch und sexistisch empfunden – so auch von der Journalistin Hadija Haruna, die in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und dem Journalistennetzwerk Neue Deutsche Medienmacher aktiv ist.
    Das Interview mit "@mediasres" stieß auf große Resonanz bei den Online-Nutzerinnen und Nutzern des Deutschlandfunks. "Natürlich ist es eine Besonderheit, dass eine schwarze Frau in ein europäisches Königshaus einzieht. Natürlich kann man das thematisieren. Die Frage ist das Wie", meinte Haruna. Markles Herkunft sei ein Dauerthema gewesen – und ständig bewertet worden, so Haruna. Die ZDF-Berichterstattung sei beispielhaft für etwas, was sie häufiger beobachte: "Eine Mischung aus Sexismus und Rassismus".